Cover-Bild Kritik & Krise
Band 6 der Reihe "Kritik & Krise / Materialien gegen Politik und Ökonomie"
90,00
inkl. MwSt
  • Verlag: ça-ira-Verlag
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Politik und Staat
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Ersterscheinung: 01.07.1993
  • ISBN: 9783862595129
Cornelia Brink, Ulrich Bröckling, Ulrich Enderwitz, Ilse Bindseil, Manfred Dahlmann, Gabriela Walterspiel, Wolfgang Pohrt, Andreas Lehr, Heiner U. Ritzmann, Rainer Matzker, Leo Trotzki, Karl Korsch, Manès Sperber, Ilse Bindseil, Otto Rühle, Elfi Müller

Kritik & Krise

Nr. 6
»Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern«: Im Frühjahr 1845 hat Karl Marx mit seiner 11. These über Feuerbach ein Mißverständnis über den Materialismus in die Welt gesetzt, das die sozialrevolutionäre Linke seit nun 150 Jahren bis zur Bewußtlosigkeit nachbetet. Der marxsche Irrtum, der sich zum »Marxismus« und gar zum leibhaftigen »Marxismus-Leninismus« auswachsen sollte, diese Selbsttäuschung des Materialismus über seinen subversiven Auftrag besteht in der Vorstellung, Materialismus als theoretische Erkenntnisstrategie sei mit kritischem Kommunismus als praktischer Sozialkritik in ein Verhältnis von Theorie und Praxis zu setzen. In der Konsequenz verrieten die Marxisten die soziale Revolution und wurden Politiker.
Weil Marx die Kritik der Philosophie nicht zu ihrem authentischen Ende radikalisierte, sondern vielmehr eine neue Ursprungsphilosophie, die Philosophie der Arbeit, erfand, überlebte deren idealistische, repressive Perspektive: die Ableitung des Seins aus dem Begriff, in quasi-revolutionärer Gestalt. Philosophie als Reflexionsform der falschen Gesellschaft schleppte sich fort als die positive Lehre vom guten Wesen hinter den schlechten Erscheinungen, von der korrekten »Abbildung« des Seins durchs Bewußtsein. Sie empfahl sich als ebenso esoterisches wie praxistaugliches Wissen um die Odysseen der Arbeit im Labyrinth der Entfremdung. Sie machte Karriere als sozialistische Wissenschaft vom geheimen proletarischen Sinn des Kapitals und als revolutionäre Diktatur des produktiven Gattungswesens über die Individuen. So verfehlte die marxsche Kritik der Philosophie den Materialismus, indem sie das Problem der gesellschaftlichen Synthesis verdinglichte, kaum hatte sie es aufgeworfen. Die Vergleichung der Gebrauchswerte zu Waren und die der Individuen zu Subjekten, die totalitäre Aufplusterung des Werts zum »automatischen Subjekt« geriet in der Folge zum Scheinproblem, das kapitale Unwesen zur falschen Selbstdarstellung des Wesens. Die 6. These über Feuerbach dekretierte: »Das Wesen kann ... nur als ›Gattung‹, als innere, stumme, die vielen Individuen natürlich verbindende Allgemeinheit gefaßt werden.« Unter der Maske des Marxismus kam der Materialismus aufs falsche Gleis, war fortan mit der Verwirklichung der wahren Allgemeinheit befaßt statt mit der Destruktion der falschen. In dieser Verschiebung verkam die historische Alternative »Sozialismus oder Barbarei« zur Phrase.

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