Eindringlich und mächtig
"Mr. Booker und ich" ist ein Roman der inzwischen verstorbenen australischen Schriftstellerin Cory Taylor, welcher in Australien ein Klassiker ist. Er erschien erstmals 2010 und wurde 2019 vom List-Verlag ...
"Mr. Booker und ich" ist ein Roman der inzwischen verstorbenen australischen Schriftstellerin Cory Taylor, welcher in Australien ein Klassiker ist. Er erschien erstmals 2010 und wurde 2019 vom List-Verlag aus dem Hause Ullstein erstmals ins Deutsche übersetzt. Taylor schildert darin die Affäre eines sechzehnjährigen Mädchens mit einem wesentlich älteren, verheirateten Mann und begleitet die junge Frau auf dem Weg des Erwachsenwerdens und ihrer ersten Liebe.
Martha ist sechzehn Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter in der australischen Provinz. Ihr Bruder Eddie wohnt und arbeitet in Neuguinea und ist selten zuhause. Zu ihrem Vater Victor hat sie kein gutes bis gar kein Verhältnis, was hauptsächlich daran liegt, dass dieser sich nie ernsthaft für seine Kinder interessierte und auch Marthas Mutter nicht gut behandelte. Auf einer Party ihrer Mutter lernt Martha Mr. Booker kennen. Einen 34jährigen Engländer, welcher mit seiner Frau, Mrs. Booker zu den Gästen gehört.
Die sechzehnjährige Martha geht zur Schule, hat eine enge Beziehung zu ihrer Mutter und ist häufig von Erwachsenen umgeben, die viel Alkohol trinken. Nach dem es ihrer Mutter nach jahrelangen Querelen endlich gelingt ihren Mann zu verlassen, genießt diese ihr Leben in vollen Zügen und lädt viele Menschen zu ihren eigens veranstalteten Partys ein, was ihr während ihrer Ehe nicht möglich gewesen ist. Dass Martha deshalb mit vielen wesentlich älteren Menschen ins Gespräch kommt und fortlaufend immer öfter mit den sich ebenfalls im mittleren Alter befindlichen Bookers unterwegs ist, scheint hier zunächst niemanden zu stören.
Die Geschichte wird rückblickend aus Marthas Sicht erzählt. Sie selbst hat keine Freunde und bewegt sich deshalb ausschließlich im Bekanntenkreis ihrer Mutter, sodass sie auch dort nicht auf Gleichaltrige trifft. Martha macht einen für ihr Alter reifen Eindruck, was auch erklärt, weshalb sie sich nicht sonderlich für ihre Mitschüler interessiert. Es wird immer wieder angedeutet, dass Martha von einem Leben in Paris träumt, was sich auch daran zeigt, dass sie Grundkenntnisse in Französisch besitzt und sie das Leben in Europa fasziniert.
Taylor schreibt die Geschichte sehr eindringlich und ansprechend, sodass ein flüssiges Lesen gewährleistet werden kann. Der Erzählstil ist nicht aussergewöhnlich und bleibt dennoch im Kopf. Die junge Protagonistin Martha begehrt einen älteren Mann, was zunächst dem Umstand geschuldet sein könnte, dass dieser für sie das einzig Spannende an dem Ort darstellt, den sie selbst als Friedhof mit Beleuchtung bezeichnet. Martha reizt das Verbotene, das Abenteuer und der Intellekt des um einiges älteren Mannes. Sie kann ihr Verlangen schon nach kurzer Zeit nicht mehr kontrollieren, sodass sie bald feststellen muss, dass ein großer Altersunterschied Probleme mit sich bringt.
Sanft, liebevoll und trotzdem unverblümt erzählt Taylor die Geschichte der ersten großen Liebe, die zwar einseitig scheint, aber deshalb für Martha nicht weniger bedeutend ist. Die Autorin macht deutlich, wie herausfordernd die Adoleszenz ist und wie unerträglich es für junge Menschen sein kann, wenn die Erwachsenen vorgeben, allwissend zu sein, dabei aber immer nur das Beste zu wollen. Das mag hier und da zutreffen, aber nicht immer sind sie es, die richtige Entscheidungen treffen.
Martha spürt immer wieder, dass ihre Liebe den Auserwählten nie ganz erreicht, da dieser, schon allein aufgrund seines Alters, in einer anderen Welt zu leben scheint. Davon unbeeindruckt sucht sie aber doch immer wieder Mr. Bookers Nähe und hofft vergeblich auf die große Wende. Sie schafft es nicht, sich von ihm zu lösen, sodass ihre Gedanken bald vollends von ihm kontrolliert werden. Mr. Booker selbst ist von vielen persönlichen Problemen belastet, welche er in haufenweise Whisky zu ertränken versucht.
Den Umstand, dass quasi alle Erwachsenen im Buch dem Alkohol äußerst zugetan sind, finde ich verwirrend und bisweilen verstörend. Auch Martha selbst raucht und trinkt in Gesellschaft von Mr. Booker recht viel, sodass sie diesbezüglich sowohl bei ihm als auch ihrer Mutter, die ihre feuchtfröhlichen Partys im eigenen Haus abhält, vergeblich ein Vorbild sucht. Alles in allem gefällt mir die Geschichte inklusive ihrer Erzählweise und Charaktere richtig gut. Ein sehr treffendes Zitat zum Buch kommt von Sydney Morning Herald: Der Roman erinnert uns daran, dass Jugendliche so schnell erwachsen werden, weil sie von Erwachsenen umgeben sind, die sich wie Kinder benehmen.