Unerträgliche Protagonistin
Sam ist dreiundfünfzig und in der Perimenopause. Jede Nacht um drei Uhr erwacht sie schweißgebadet, mit Herzrasen. Gedanken jagen sich, einer so unnötig wie der andere. Sie lebt mit Mann und Tochter in ...
Sam ist dreiundfünfzig und in der Perimenopause. Jede Nacht um drei Uhr erwacht sie schweißgebadet, mit Herzrasen. Gedanken jagen sich, einer so unnötig wie der andere. Sie lebt mit Mann und Tochter in einem Randbezirk von New York. Es gab Zeiten, da konnte sie ihren Mann zum Lachen bringen, jetzt allerdings, sitzt er ihr jeden Morgen beim Frühstück gegenüber und daddelt in seinem Handy. Ihre geliebte, aber ehrgeizige Tochter fliegt zwischen Fußballtraining, Referaten und Zukunftsvisionen hin und her. Sams Mom ist zwei Fahrstunden weit weggezogen. Sam vermisst sie, telefonieren ist nicht das gleiche, wie ihr gegenüberzusitzen und in den Arm genommen zu werden. Mit ihren zahllosen Ängsten vor der amerikanischen Politik, der Klimaapokalypse, den Waffengesetzen und ganz allgemein, mit der Dummheit der Menschen, fühlt sie sich allein.
Sam hat ein Faible für alte naturbelassene Häuser, die ihre Geschichten erzählen, deshalb fährt sie manchmal Umwege und streunert um ein schönes Objekt herum. Und dann folgt sie einem Inserat und macht einen Besichtigungstermin. Das Innenleben des Hauses ist heruntergekommen, aber Sams Auge für Details, erkennt sofort, dass es ein Schatzkästchen ist. Ohne lange zu überlegen, unterschreibt sie den Kaufvertrag und weiß, dass sie ihren Mann verlassen muss. Der Gedanke, ein Kleinod zu besitzen, das ihr ganz allein gehört, lässt sie wieder träumen, spornt sie zu Höchstleistungen an und schon bald hat sie das notwendigste erledigt. Ihr Traum ist einzugsbereit.
Fazit: Dana Spiotta hat eine Protagonistin erschaffen, die stark mit sich selbst beschäftigt ist. Ich mag die Idee, dass eine Frau mittleren Alters noch einmal ganz allein, von vorn anfangen will, sogar wenn sie hormonell getrieben scheint. Allerdings fand ich den Charakter so extrem dargestellt, dass ich zwischenzeitlich dachte, ich hätte es mit einer Borderlinerin zu tun. Sie wird naiv dargestellt, unzufrieden. Sie scheint sich besser zu fühlen, wenn sie über alternde Geschlechtsgenossinnen abzieht, deren Durchschnittlichkeit, farbloses Haar und die alternden Hälse moniert. Sie ist wankelmütig, neurotisch, kontrollsüchtig, bevormundend, übergriffig und übernimmt keine Verantwortung. Wenn das die Generation 70er – Jahre ist, hat die Autorin ein düsteres Bild gezeichnet, fast schon ein Klischee erschaffen. Mir ist klar, dass Protagonistinnen menschlich gezeichnet werden sollten, diese allerdings hat mich mit voller Kraft negativ berührt. Ich bin froh, dass ich sie nicht näher kennenlernen muss.