Spannendes Porträt einer Nicht-Ikone
Sie wollte weder das Label als feministische Autorin, das der lesbischen Schriftstellerin, noch das der Miss Camp und doch war sie auch all das. Daniel Schreiber zeichnet den Lebensweg von Susan Sontag ...
Sie wollte weder das Label als feministische Autorin, das der lesbischen Schriftstellerin, noch das der Miss Camp und doch war sie auch all das. Daniel Schreiber zeichnet den Lebensweg von Susan Sontag (1933-2004) nach, von der vaterlosen Kindheit bis zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und ihrem Tod im darauf folgenden Jahr.
Von Susan Sontag wußte ich vor diesem Buch kaum etwas, das hat sich nun geändert. Schreiber hat das Leben und Werk der amerikanischen Intellektuellen in das jeweilige Umfeld aus Gesellschaft, Literatur, Kunst, Politik, Freundschaften etc. gekonnt eingebettet und die Beziehungen und Einflüsse auf Sontag und ihre Texte und auch ihre Einflüsse auf andere herausgearbeitet. Das liest sich sehr, sehr interessant und viele Arbeiten wären ohne den politischen und gesellschaftlichen Hintergrund nicht einzuordnen. Schreiber setzt Sontags Texte in Bezug zu anderen Autorinnen und Autoren, erläutert die Entstehungsgeschichten und fast die Texte auch zusammen. Ich gebe gerne zu, dass ich hier nicht immer alles verstanden habe. Es geht oft um Theorien, vor allem in ihren Essays. Dennoch hat man selbst bei den kompliziertestes Passagen zumindest eine Ahnung, um was es Sontag ging.
Schreiber schildert den teilweise problematischen Alltag, die schwierigen Partnerschaften, die ständigen Geldsorgen, die Versagensängste, die schwere Krankheit Sontags und ihre nicht enden wollende Umtriebigkeit, ihr großes Interesse für alles, was mit Kunst und Kultur zu tun hatte.
Herausgekommen ist das Porträt einer Frau, die von Ambivalenz geprägt war, die sich oft selbst inszenierte und sich einer eigenen Anspruchshaltung in Bezug auf ihr Schaffen gegenübersah, die sie häufig nicht erfüllen konnte. In Perioden großer Produktivität ersann sie so viele Projekte, dass häufig keines davon umgesetzt wurde. Ein schönes Zitat von Jeff Seroy, Publicity-Direktor ihres Verlages FSG, zeigt auf, wie radikal sie auch mit den Menschen in ihrer Umgebung umging: "Bei Susan saß man entweder auf dem Beifahrersitz, oder man war ein überfahrenes Tier am Straßenrand, aber auf dem Beifahrersitz war es eine großartige Erfahrung." (S. 250f.)
Insgesamt hat mich die Biografie wahnsinnig fasziniert und ich habe mit Schrecken festgestellt, wie viele Personen aus dem engeren und weiteren Umfeld von Sontag mir nichts gesagt haben. Das Buch ist voller Post-Its und ich werde noch weitere Bücher über und vor allem auch Texte von Sontag lesen. Als umfassende Einführung in Leben und Werk fand ich das Buch ideal.