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Veröffentlicht am 10.11.2024

Háldin und der Rentierhirte

Als wir im Schnee Blumen pflückten
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Zu Beginn des Romans tauchen viele Figuren auf, die sich erstmal an die richtige Stelle setzen müssen. Dafür habe ich ein paar Kapitel und Notizen gebraucht. Dann aber entwickelt der ungewöhnliche Roman ...

Zu Beginn des Romans tauchen viele Figuren auf, die sich erstmal an die richtige Stelle setzen müssen. Dafür habe ich ein paar Kapitel und Notizen gebraucht. Dann aber entwickelt der ungewöhnliche Roman einen Sog und ich habe ihn sehr gerne gelesen.

Das romantische Cover wird gleich zu Beginn gebrochen, denn die schon recht betagte Máriddja ist an Krebs erkrankt. Ihr Mann Biera vermutet bei ihr beginnende Demenz, weil sie nichts erzählen will. Gleichzeitig lernen wir das junge Ärztepaar Kaj und Mimmi kennen, die ebenfalls in den Norden Schwedens ziehen. Kaj hat gerade seine Mutter verloren und fühlt sich an seinem neuen Wohnort von dem aufdringlichen Nachbarskind belästigt. Máriddja hat alle Hände voll zu tun, die Behörden von ihrem kleinen Haus fernzuhalten, denn tatsächlich ist es Biera, der an Demenz erkrankt ist und der immer mehr in der Vergangenheit lebt und um seine kleine Schwester und deren Sohn trauert.

Das hört sich alles nicht so spannend an und war zu Beginn auch etwas verwirrend. Bald rückt aber alles an seinen Platz und einiges wird schnell klar, anderes erst später. Das putzige Verhalten von Máriddja zum Beispiel erschließt sich erst später.

Der Roman besticht durch die Darstellung der Folgen der Zwangsumsiedlungen der Samen aus dem Norden in den Süden des Landes. Das hat sicherlich zum Erfolg des Buches in Schweden beigetragen. Der Text ist voll mit Begriffen, Traditionen und Mythen der Samen. Ein kleiner Anhang wäre da nicht schlecht gewesen, denn zu Beginn dachte ich bei einigen Wörtern, es wären Eigennamen, dabei waren es die Ausdrücke für Verwandtschaftsbeziehungen. Daneben hat der Text viele humorvolle Stellen, wobei es manchmal schon haarscharf an der Grenze zum Albernen war. So vertraut sich Máriddja recht bald der "Dame" von der Telefonvermittlung an und bespricht mit ihr alle Kümmernisse, ihr Name ist Siri und diese antwortet manchmal doch etwas "hölzern".

Insgesamt eine nette Geschichte, die durch den Bezug zum Schicksal der Samen, auch die Autorin ist übrigens eine Sami, interessant ist.

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Veröffentlicht am 29.10.2024

Festtafel der Fantasie

Ein Engel an meiner Tafel
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Als 1990 die Verfilmung von Janet Frames (1924-2004) Autobiografie in die Kinos kam, ist kaum jemand daran vorbeigekommen und die neuseeländische Autorin wurde schlagartig weltweit bekannt. Jane Campions ...

Als 1990 die Verfilmung von Janet Frames (1924-2004) Autobiografie in die Kinos kam, ist kaum jemand daran vorbeigekommen und die neuseeländische Autorin wurde schlagartig weltweit bekannt. Jane Campions wunderschöne Verfilmung bezieht sich aber nicht nur auf diesen mittleren Teil der dreibändigen Autobiografie, sondern deckt das ganze Leben Frames ab.

Janet wächst in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und ihre Kindheit ist geprägt vom Tod zweier Schwestern und dem kranken Bruder. Janet selbst ist extrem, ja nahezu krankhaft schüchtern und zurückhaltend. Selbst ein Essen in der Mensa der Uni ist für sie eine Herausforderung. Sie flüchtet sich in die Literatur, will Lehrerin werden, kann aber die Prüfung nicht ablegen. Durch Gelegenheitsjobs versucht sie sich über Wasser zu halten und nebenbei zu schreiben. Ihre ungewöhnliche Persönlichkeit und Andersartigkeit lassen sie schließlich über Jahre immer wieder in der Psychiatrie verschwinden. Kurz vor einer geplanten wesensverändernden Lobotomie gewinnt sie einen Literaturpreis, der sie vor diesem Eingriff rettet. In der Gartenhütte des Schriftstellers Frank Sargeson kommt sie schließlich zur Ruhe und schreibt ihren ersten Roman.

In diesem Teil ihrer Autobiografie werden die Jahre 1945 bis 1956 nachgezeichnet. Frame schreibt sehr poetisch und bildlich. Es gibt Absätze und Zeilensprünge im Fließtext, die einzelne Abschnitt ganz nahe an Lyrik heranbringen. Sie gewährt uns Einblicke in ihre verwickelte und besorgte Gedankenwelt, die sie in einer ganz eigenen Sprache zur Papier bringt. Sicherlich kein Text, den man so runterlesen kann, sondern man entdeckt immer wieder Sätze und Aussagen, die uns zum Nachdenken innehalten lassen. Ein faszinierender Text und eine sehr traurige Lebensgeschichte, die am Ende voller Hoffnung ist und mit dem Aufbruch zu einer Reise nach Europa endet.

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Veröffentlicht am 29.10.2024

The Hate U give

The Hate U Give
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Eine komplizierte Welt, in der die sechzehnjährige Starr zuhause ist. Mit ihrer Familie lebt sie in einer überwiegend Schwarzen Hood, in der die Gangs das Sagen haben. Ihr Vater, früher selbst ein wichtiges ...

Eine komplizierte Welt, in der die sechzehnjährige Starr zuhause ist. Mit ihrer Familie lebt sie in einer überwiegend Schwarzen Hood, in der die Gangs das Sagen haben. Ihr Vater, früher selbst ein wichtiges Gangmitglied, betreibt nach einem Gefängnisaufenthalt einen kleinen Lebensmittelladen. Starrs Mutter ist Krankenschwester. Wegen der besseren Schulbildung besuchen Starr und ihr Bruder eine entfernte Schule in einem "sicheren" weißen Viertel. In der Schule weiß kaum jemand, wie es im Wohnviertel von Starr aussieht und zugeht. Die Welten beginnen erst von einander Kenntnis zu nehmen, als Starr mit einem Freund in eine Polizeikontrolle gerät. Bereits mit zwölf Jahren wurde Starr eingetrichtert, was in so einem Fall zu tun ist: Mach alles was sie sagen. Halte die Hände so, dass man sie sieht, mach keine plötzlichen Bewegungen und rede nur, wenn du gefragt wirst. (S. 29) Während der Kontrolle wird Starrs Schwarzer Jugendfreund von einem weißen Polizisten erschossen. Der Junge hat mit Drogen gedealt und wird von der weißen Öffentlichkeit sofort in eine Schublade gesteckt. Starr kennt ihn jedoch seit ihrer frühestens Kindheit und weiß, dass er trotz allem ein guter Mensch war. Aber sie schweigt.

Der Roman beschreibt sehr eindringlich die Zerrissenheit von Starr, die in ihrer Schule Teile von sich verleugnen muss. Gleichzeitig aber auch, was in ihrem Viertel schief läuft und warum. Weshalb gibt es so viel Kriminalität? Warum dealen junge Leute mit Drogen? Der Todesfall zwingt sie, laut zu werden und sich nicht länger zu verstecken. Es kommt zu Konflikten unter Freunden, in der Familie und schließlich gibt es gewalttätige Unruhen im Viertel. Mittendrin Starr, die sich gegen Rassismus im kleinen und großen zur Wehr setzt. Man erfährt, was Thug Life bedeutet, ein gegen Schwarze gerichtetes System, das sich auch im Titel widerspiegelt. Über allem schweben zeitgleich die Ermittlungen. Wird es zu einem Verfahren gegen den Polizisten kommen?

Verdient mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 ausgezeichnet.

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Veröffentlicht am 29.10.2024

Die alte Müllgrube

Wenn Eulen schrein
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Als die neuseeländische Autorin Janet Frame ihren ersten Roman (1955/56) schrieb, war sie gerade aus einer Nervenheilanstalt entlassen worden. Sie kam in der spartanischen Gartenhütten von Frank Sargeson, ...

Als die neuseeländische Autorin Janet Frame ihren ersten Roman (1955/56) schrieb, war sie gerade aus einer Nervenheilanstalt entlassen worden. Sie kam in der spartanischen Gartenhütten von Frank Sargeson, einem befreundeten Schriftsteller, zur Ruhe und ließ viele Aspekte ihres bisherigen Lebens in den Roman einfließen. Sie erzählt die Geschichte der Familie Withers und ihrer vier Kinder. Die älteste Tochter stirbt, der Sohn leidet an Epilepsie, die jüngere Schwester gründet im Norden eine Familie, Daphne, das mittlere Mädchen, kommt in eine Heilanstalt.

Geschickt verwebt die Autorin Fakten, ohne dass sie einen autobiographischen Anspruch erhebt. Die Überschneidungen sind jedoch unverkennbar. Der erste Teil des Romans beschreibt die Kindheit, als alle Withers noch beisammen sind und das erklärte Ziel der Geschwister die nahegelegene Müllhalde ist, bis es dort zu einem folgenschweren Unfall kommt. Der zweite Teil spielt 20 Jahre später und wird in drei Abschnitten jeweils aus der Sicht eines der Kinder erzählt. So kann die Autorin jede Figur von Innen heraus beschreiben, das macht sie jedesmal auf ganz individuelle Weise. Insgesamt ist - wie auch schon in ihrer Autobiografie - der Sprachstil geprägt von poetischen und bildhaften Elementen. Eine sehr ausdrucksstarke und kraftvoller Sprache.

Der Roman hat mir gut gefallen, liest sich aber nicht so nebenbei. Ich denke, wenn man die Autobiografie kennt, kann man vieles besser einordnen und nachvollziehen. Mir hat es sehr geholfen und das Leseerlebnis sicherlich bereichert.

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Veröffentlicht am 29.10.2024

Trollalarm!

Die Nachricht
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Ruth ist eine gestandene Frau. Seit einigen Jahren Witwe, mit zwei fast erwachsenen Söhnen und einer Stieftochter mit Baby. Gerade hat sie sich wieder eingerichtet in ihrem Leben, hat jemanden neues kennengelernt, ...

Ruth ist eine gestandene Frau. Seit einigen Jahren Witwe, mit zwei fast erwachsenen Söhnen und einer Stieftochter mit Baby. Gerade hat sie sich wieder eingerichtet in ihrem Leben, hat jemanden neues kennengelernt, da beginnen die bösartigen Nachrichten in ihr Leben zu brechen. Es geht um ihren verstorbenen Mann, der sie ja sowieso verlassen wollte, um sie, um ihren neuen Freund. Die Hassnachrichten vergiften langsam ihr Leben und treiben Keile zwischen Ruth und ihre Freunde, denn auch diese erhalten anonyme Texte.

Die Geschichte entwickelt einen Sog. Zunächst scheinen die Nachrichten und das Leben von Ruth parallel zu verlaufen. Einerseits das Leben auf dem Land, in dem Holzhaus, das ihr verstorbener Mann selbst gebaut, mit Freunden und der Familie und einem neuen Liebesglück. Dann die bösartigen Nachrichten, die an ihr kratzen, sie verunsichern, denen sie machtlos gegenübersteht. Dann verquicken sich die beiden Bereiche immer mehr und die Botschaften beeinflussen Ruths gesamtes Leben.

Doris Knecht schreibt darüber, dass Opfern immer noch oft zumindest eine Mitschuld gegeben wird. Dass wohl schon irgendwas dran sein wird an solchen Beschimpfungen, dass provoziert worden sein muss, was auf einen zurückfällt, dass das ja alles gar nicht so schlimm sei. Es ist spannend zu lesen, wie sich die Situation zuspitzt und man fühlt sich selbst ganz hilflos dabei. Mir hat das Buch gut gefallen und gleichzeitig auch Angst gemacht, weil es zeigt, wie schnell man zum Opfer werden kann.

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