Am Ende bleibt das Leben...
INHALT:
Es sollte eine Reise entlang der Seidenstraße werden. Sie endete in der Gewalt pakistanischer Taliban. Achteinhalb Monate lang lebte ein Schweizer Paar in Todesangst. Nun erzählen sie ihre eindrucksvolle ...
INHALT:
Es sollte eine Reise entlang der Seidenstraße werden. Sie endete in der Gewalt pakistanischer Taliban. Achteinhalb Monate lang lebte ein Schweizer Paar in Todesangst. Nun erzählen sie ihre eindrucksvolle Geschichte. Sie führt in eine Region, von der zwar in den Medien viel die Rede ist, die aber kaum einer kennt: ins pakistanische Waziristan, nahe der Grenze zu Afghanistan, ins Stammland der Taliban. Am 1. Juli 2011 beginnt der Albtraum. Daniela Widmer und David Och werden in Belutschistan (Pakistan) von einem bewaffneten Kommando aus ihrem Reisebus gezerrt und 500 Kilometer Richtung Norden verschleppt. Die »Gotteskrieger« wollen Lösegeld für sie kassieren. Im Laufe der Monate wird die Situation immer auswegloser. Als sich in den Wintermonaten auch die letzte Hoffnung auf einen Erfolg der Verhandlungen zerschlägt und die Bewachung immer nachlässiger wird, treffen David und Daniela eine mutige Entscheidung. Am 15. März 2012 gelingt die spektakuläre Flucht. Zurück in die Schweiz. Doch gibt es das noch: ihr altes Leben?
EIGENE MEINUNG:
Wie immer bei einem „Sachbuch“ auch hier der originale Klappentext, weil ich es da besonders wichtig finde welche Worte der Autor gewählt hat bzw. dass der Leser dann auch genau das bekommt!
Das Cover des ansonsten schwarzen Buches ziert ein Bild des Paares aus einem der Erpresservideos. Ich denke es sagt mehr als 1000 Worte und nach dem Lesen ihrer Geschichte sieht man es nochmals mit anderen Augen. Am Anfang steht außerdem noch eine Landkarte die den Verlauf der Entführung zeigt.
Bevor ich ein paar Dinge zum Buch sage, die mich besonders berührt haben, muss ich die Kommentare und Rezensionen ansprechen die mich schrecklich ärgern… Das die beiden sich fahrlässig in unsicheres Land begeben haben, etc. Wenn man den Anfang des Buches liest merkt man, dass die Reise gut geplant war. Kurz vor ihrer Entführung hatten sie noch eine Polizeieskorte bei sich, der ihnen dann wegen einer Reifenpanne nicht weiter folgen konnte. Und selbst wenn sie fahrlässig gehandelt hätten denke ich hat diese Geschichte mehr als so viel Kälte und Herzlosigkeit verdient. Selbst wenn man nicht die schwere Zeit der beiden wahrnehmen möchte kann man so viel über die Region, die Menschen lernen, dass es das allemal wert ist!
Schon während ihrer Reise schrieb Daniela ihre Eindrücke in ein Tagebuch, auch nach der Entführung führt sie dies fort, bekommt von den Entführern sogar Stift und Papier. Das Buch ist in einzelne Abschnitte gegliedert: Im Verlauf der Entführung wurden die beiden immer wieder an neue, teils auch an schon bekannte Orte gebracht, zu denen Daniela Skizzen anfertigt die im Buch abgedruckt sind. Besonders berührt haben mich dabei immer die Schlaf- und Hygienesituationen denen ja nicht nur das Paar, sondern auch die Entführer bzw. Familien ausgeliefert waren. Außerdem die in die Skizzen eingezeichneten Gehwege die Daniela und David in den kleinen Innenhöfen mit Minutenangaben wie lange eine Runde dauert eingezeichnet haben.
Klar hatte auch ich vor Beginn des Buches den Gedanken ob die beiden wirklich durch diese Länder hätten reisen sollen. Aber je länger man die beiden und auch die Entführer, denen das Paar Spitznamen gab und sie einem so vertraut werden ließ, begleitete, desto mehr bangte man mit ihnen. Ich bangte mit dem Paar um ihr Freikommen und zugleich mit den Entführern, dass sie bekommen würden was sie verlangten.
Sehr bewegt haben mich die Verhältnisse in denen die Menschen dort leben. Keine Bildung, oft ein Strom, Gefechtslärm, hygienische Umstände die für uns untragbar wären (Daniela und David klagten ständig über Durchfall und immer wieder Flohbefall), kein Handynetz oder Internet, keine Lebensperspektiven, unwürdigste Lebensumstände für die Frauen aus unserer Sicht und vieles mehr. Besonders beeindruckt hat mich auch wie diese sich um Daniela kümmerten, so dass diese ihre Fragen nach dem Leben bei ihnen zu Hause nicht mehr wahrheitsgetreu beantwortete, sondern ihnen sagte, dass bei uns ebenso per Hand gewaschen werde etc. Auch die Gastfreundschaft die den beiden trotz ihrer Stellung als Geiseln geboten wurde hat mich extrem überrascht. Einzelne Sätze wie der mit dem per-Hand-waschen gehen mir bis heute nicht aus dem Kopf, ebenso als ein Entführer den beiden anbot doch bei ihnen zu bleiben. Er würde dann leider nicht mehr mit Daniela reden können, weil sie ja dann eine normale Frau wäre. Einfach bewegend und unglaublich…
Die unterschiedlichen Lebensanschauungen werden vor allem in Bezug auf Kinder deutlich: Die Entführer können gar nicht verstehen warum Daniela und Davids Eltern sich so um sie sorgen. Beim Tod eines Kindes kann man sich dort damit trösten, dass man ja noch weitere hat… Das sind die gleichen Entführer, die nicht einmal wissen wie viel Lösegeld sie fordern sollen – 5 oder 50 Millionen und die nicht wissen, dass die Schweiz nicht zu den USA gehört…
Ein weiterer Punkt, der mich sehr mitgerissen hat was die Beziehung der beiden zueinander. Wie haben sie die langen Tage und Nächte überstanden, oft ohne Schlaf, oft überhaupt ohne richtiges Bett. Sie waren nicht immer am selben Stand mit ihren Gefühlen oder Plänen und das Buch gibt dies einfach nur wundervoll wieder, auch wenn größtenteils aus der Sicht von Daniela geschrieben wird.
Ein ganz komisches Gefühl habe ich nach wie vor dabei wie ich die Entführer sehe, wie sie sich im Laufe des Buches für mich verändert haben und einem irgendwie wie zu „Bekannten“ wurden, wenn ihre Namen erneut auftauchten. Zum Teil würde zwischen Entführern und Entführen irgend eine Art von Beziehung aufgebaut, die die Engstirnigkeit, die Grausamkeit und die mangelnde Bildung fast schmerzlich erscheinen lässt.
Nach Beendigung des Buches habe ich mir auch das ein oder andere Video über die beiden auf Youtube angeschaut – teilweise kann man dort sogar Ausschnitte aus den von ihnen beschriebenen Videos sehen, die die Entführer mit ihnen gedreht haben. Anscheinend gab es nach der Rückkehr der beiden in die Schweiz von der Schweizer Öffentlichkeit noch Vorwürfe über das „leichtsinnige Verhalten“. Ob Schweizer Gelder an die Taliban flossen ist wohl nach wie vor nicht bekannt, allerdings sollen für die Tätigkeiten von Schweizer Behörden im Hintergrund Millionen Franken an Steuergeldern geflossen sein…
Für mich wäre es jetzt noch sehr interessant wie die beiden ihr Leben zu Hause wieder aufgenommen haben, ob sie als Paar noch zusammen sind und noch einmal etwas von ihrer Entführung gehört haben bzw. das Land nochmal besuchen würden/werden.
Und als letzten Satz muss ich sagen, dass die auch im Buch beschriebenen amerikanischen Drohnen wohl kaum dazu führen werden religiösen Fanatikern die Macht zu entreißen. Geschweige denn den ungebildeten Menschen in diesem Land eine Zukunft zu schenken…
FAZIT:
Ein Buch das mich aus den verschiedensten Gründen noch lange, lange Zeit beschäftigen wird!!