Streckenweise langweilig
Ein an sich sehr bewegendes Schicksal über eine Frau in/aus einer Kultur, von der mir nur wenig bekannt ist. Leider fand ich das Buch streckenweise langweilig und teilweise fast schon... unsympathisch, ...
Ein an sich sehr bewegendes Schicksal über eine Frau in/aus einer Kultur, von der mir nur wenig bekannt ist. Leider fand ich das Buch streckenweise langweilig und teilweise fast schon... unsympathisch, was allerdings auch am gewählten Format (Audiobuch) gelegen haben mag.
Deborah Feldman erzählt ihre Geschichte vom Aufwachsen und geprägt werden in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde, der Satmarer in Williamsburg (New York). Das Mädchen wächst in einer streng konservativen Gemeinde auf. Die Satmarer führen ein stark abgeschiedenes Leben, unter anderem weil sie den Holocaust als Strafe für die Assimilation vieler Juden ansehen. Das führt dazu, dass vor allem Mädchen und Frauen strengen Reglements unterworfen sind, die denen in anderen streng konservativen Strömungen und Religionen ähneln. Das ist zweifelsohne meist unfair, teils schockierend zu erfahren.
Den Prozess, wie ein Mädchen, das unter dieser Art der Weltanschauung aufwächst, zu einer freiheitsliebenden, emanzipierten Frau wird, die dieser Welt schließlich den Rücken kehrt, wollte ich gerne erkunden. Leider wurde dieser nicht so mitreißend geschildert wie erhofft. Denn die Deborah aus dem Buch hat mir von Anfang an das Gefühl gebeben, dass sie weiß, dass sie etwas besonderes ist, dass sie irgendwie zu etwas anderem bestimmt ist. Und dies zog sich für mich durch das ganze Werk: Dieses immer leicht überhebliche, stets neunmalkluge Besserwisser- und -fühlerei und die vorausschauende Weisheit des Zukünftigen. Die Lesestimme von Anita Hopt hat diesen Effekt für mich leider zusätzlich verstärkt - ich konnte es quasi nicht mehr nicht hören.
Und ich fand das schade, weil überflüssig und unerwartet. Ich hatte im Vorfeld und auch beim Lesen einige Interviews mit Deborah Feldman gesehen, und sie wirkte auf mich sympathisch und nahbar. In ihrem Memoir kommt das leider weniger vorteilhaft rüber. Und es hätte das doch auch gar nicht gebraucht: Das Schicksal der kleinen Deborah ist schlimm genug, ich hätte intensiveren Anteil daran gehabt, wenn sie mich nicht immer mal wieder an ihre Überlegenheit erinnert hätte.
Hinzu kommt, dass ich das Buch über weite Strecken auch ziemlich langweilig fand. Ziemlich lange ist ziemlich wenig passiert. Dazu beigetragen hat zum Teil auch, dass viele Rituale, Regeln und Gebräuche der Satmarer Chassiden wenig oder gar nicht erklärt wurden. Hier hätte ich mir mehr Hintergrund und Einblicke gewünscht, die an der ein oder anderen Stelle sicher zu etwas vielschichtigerem Verständnis beigetragen hätte.
Letztlich kam mir der eigentliche Ausstieg auch ein wenig zu kurz. Da sind viele Fragen offen geblieben, die Frau Feldman vermutlich in ihrem zweiten Memoir Überbitten beantwortet. Das vorliegende Buch war ["nur"] ihr "Ticket nach draußen", und das merkt man dem Werk an einigen Stellen leider auch an. Nichtsdestotrotz bleibt es eine interessante Leseerfahrung mit einer schönen versöhnenden Botschaft. War unterm Strich also durchaus "okay".