Mitreißend, amüsant, bewegend und nachdenklich stimmend
Obwohl das Cover vielleicht an eine „federleichte“ Geschichte denken lässt, ist der Roman „Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat“ von Demian Lienhard nicht schwerelos. Er ist zwar von Beginn ...
Obwohl das Cover vielleicht an eine „federleichte“ Geschichte denken lässt, ist der Roman „Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat“ von Demian Lienhard nicht schwerelos. Er ist zwar von Beginn an aufgrund der schnodderigen Erzählweise der Protagonistin amüsant, aber auch tiefgründig und berührend.
Alba ist Protagonistin und Ich-Erzählerin des Romans. Sie erzählt im Rückblick auf ihr wichtige Ereignisse in ihrem Leben. Zu Beginn der Geschichte ist sie noch Schülerin und Patientin im Krankenhaus. Sie schildert ihre erste Begegnung mit ihrem späteren Freund Jack, der eigentlich gar nicht so heißt. Schon durch die ersten Zeilen erfuhr ich aufgrund einer von erwähnten Schwindelei von ihrem Gewohnheit, die Wiedergabe von Erlebtem so zusammenzubauen, wie es ihr nach ihrer Vorstellung gefällt.
Es ist Anfang der 1980er Jahre und Alba lebt in einem kleinen Ort in der Nähe von Zürich, dessen größte Attraktion eine Hochbrücke ist, von der sich viele hinunterstürzen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen, darunter auch mehrere Mitschüler. Überhaupt ist Albas noch junges Leben von vielen Verlusten geprägt, was sie auch immer wieder in ihrer Erzählung thematisiert. Auf diese Weise lässt sich auch ihre Trauer und Wut auf das Leben nachvollziehen und ihr Wunsch danach, es zumindest für Außenstehende so zu verändern, dass Mitleid ausbleibt und sie einer Auseinandersetzung aus dem Weg geht.
Bis in die 1990er Jahre hinein reicht der Erzählstrang. Alba erzählt von ihren Gefühlen, ihren Wahrnehmungen, dem Alltagsgeschehen und erstmaligen Erlebnissen bis hin zu einer Spirale der Abhängigkeit in dies sie sich verfängt. Durch Jack wird sie auf größere Probleme in der Gesellschaft aufmerksam, ein Grund für sie, sich selbst kurzfristig zu engagieren.
Alba greift viele Gesprächsfäden auf und spinnt sie auf eine unvergleichliche Art in die von ihr erdachte Richtung. Immer wieder korrigiert sie sich selbst. Für mich ergab sich aufgrund ihrer Schilderungen das Bild einer jungen Frau, die von ihrer Mutter gelernt hat, nach außen hin eine gesellschaftlich akzeptable Fassade aufrecht zu erhalten. Obwohl das genau ein häufiger Kritikpunkt ist über den sie mit ihrer Mutter streitet, hat sie die Haltung so verinnerlicht, dass sie selbst nicht merkt, dass sie selbst sich genauso verhält. Als Leser führte ihr Verhalten mich innerhalb der Geschichte zu zahlreichen unerwarteten Wendungen und überraschenden Offenlegungen, die dem Roman einen eigenen Ton gaben.
Demian Lienhard schreibt mit großem Einfühlungsvermögen in dem Roman „Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat“ über eine junge Frau, die mit viel Selbstironie den Schattenseiten des Lebens entgegentritt, ohne Netz und doppelten Boden. Die Geschiche ist durch den besonderen Erzählstil der Protagonistin mitreißend, bewegend und stimmt nachdenklich, gleichzeitig sorgt er aber auch für einen kurzweiligen Unterton. Gerne empfehle ich das Buch weiter.