empfehlenswertes, aber leider nicht wirklich allzu gutes Buch
Das ist ein Buch, auf das ich schon lange gewartet habe. Die Ereignisse rund um die Thematik RAF/Deutscher Herbst '77 interessieren mich sehr, und die Dramatik der Flugzeugentführung aus Perspektive der ...
Das ist ein Buch, auf das ich schon lange gewartet habe. Die Ereignisse rund um die Thematik RAF/Deutscher Herbst '77 interessieren mich sehr, und die Dramatik der Flugzeugentführung aus Perspektive der Geiseln war eine Sichtweise, die mir bislang noch gefehlt hat. Klar, ein gewisses Maß an voyeutistischer Neugier ist da schon zu erkennen, aber mal ehrlich: Fünf Tage in einem Flugzeug, in der Hand von Terroristen, umgeben von Hitze, Panik, Gewalt - wie kann man sich diese dramatische Situation vorstellen? Was genau haben die gefangenen Menschen getan, gedacht, gefühlt? Wie groß war die Hoffnung, wenn es sie noch gab? Und überhaupt, wie kann man das durchstehen, ohne richtige Ernährung, Privatsphäre oder ohne die Chance, menschlichen (biologischen) Grundbedürfnissen adäquat nachzukommen? Wann ist Scham nur noch ein Wort ohne Bedeutung, und wie lange hält einen der schiere Überlebenswille bei halbwegs klarem Verstand?
Fragen über Fragen, von denen ich mir in diesem Buch Antworten erhofft hatte - und die es auch liefert. Diana Müll, Protagonistin und Ich-Erzählerin, war eine von den Geiseln, gerade einmal 19 Jahre alt damals, und sie schildert ihre ganz persönliche Tortur. Wir begleiten ein junges Mädchen, das nach einer Woche Feierurlaub auf Mallorca nur nach Hause fliegen will und in einem Alptraum landet, den man sich kaum vorstellen mag.
So weit, so gut.
Leider scheitert dieses Buch für mich an der Umsetzung, was mein Lesevergnügen deutlich beeinträchtigt hat. Die Struktur des Berichts ist grob zweigeteilt: Zum einen ist da Diana, die von den Qualen berichtet, die sie und die anderen Passagiere im Flugzeug durchstehen müssen. Andere Passagen legen den Fokus auf die Menschen "daheim", auf Dianas Familie, und beschreibt, wie sie mit dem Schock, dem Unwissen und der eigenen Handlungsunfähigkeit umgehen bzw. es versuchen. Diese Teile waren zum einen sehr redundant - das Leid und die Hilflosigkeit waren von Anfang an beklemmend und wurden durch ständige Wiederholungen nicht anders/intensiver (dass die Eltern z.B. ständig von der Presse belagert wurden oder bei der Lufthansa anrufen, um nach Neuigkeiten zu fragen, muss nicht mehrfach ausgeführt werden...), eher im Gegenteil, durch die Wiederholungen setzte mich für mich eher ein gewöhnender Effekt ein - schade.
Zum anderen störe mich die inkohärente Struktur des Buchs. Ganz grob sind die fünf Tage der Entführung in fünf große Kapitel eingeteilt, was ja auch Sinn ergibt. Dann gibt es aber noch kleine Unterkapitel, die mit Zwischenüberschriften im Text abgesetzt sind. Diese Methodik wird anfangs für den Wechsel der Erzählperspektive genutzt, dann aber plötzlich nicht (und der Bericht wechselt zwischen Diana und ihrer Familie ohne erkennbare Zäsur außer einem einfachen Zeilenwechsel hin und her), dann gibt es mal einen Absatz zwischen den POVs, dann wieder eine Zwischenüberschrift - das habe ich als willkürlich und störend empfunden. Und ganz allgemein ist der Schreibstil der Autorin (nicht Diana selbst) wirklich eher, nun ja, durchschnittlich. Platt gesagt: Einige Passagen lesen sich wie ein Schüleraufsatz über ein ganz schlimmes Urlaubserlebnis. Dazu kommen leider ein paar zu viele blöde Rechtschreibfehler.
Fazit: Inhaltlich ein sehr faszinierendes Buch, die Geschichte von Diana ist spannend und aufwühlend. Leider ist sie nicht gut aufgeschrieben, da wäre deutlich mehr drin gewesen. Grundsätzlich also ein (aufgrund der Thematik) sehr empfehlenswertes, aber leider nicht wirklich allzu gutes Buch. Zwei Sterne = okay.