Berührend und nachdenklich stimmend
Ich muss gestehen, dass meine Begeisterung für Irland der Hauptgrund war, warum ich mich für dieses Buch interessiert habe. Und obwohl von der eigentlichen Gegend kaum etwas in Die Sache mit dem Dezember ...
Ich muss gestehen, dass meine Begeisterung für Irland der Hauptgrund war, warum ich mich für dieses Buch interessiert habe. Und obwohl von der eigentlichen Gegend kaum etwas in Die Sache mit dem Dezember vorkommt, habe ich die Lektüre wirklich genossen.
Der Hauptgrund war der ungewöhnliche Held der Geschichte. Jeder um ihn herum hält ihn für dumm, naiv und nutzlos, wobei sein Vater da eine Ausnahme zu sein scheint. Doch Johnsey hat sich die Meinung der anderen so verinnerlicht, dass sein Selbstbewusstsein nur in winzigen Ansätzen vorhanden ist. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass er wirklich zurückgeblieben ist, eher in sich gekehrt und sehr schüchtern. Er macht sich viele Gedanken und gerade über Dinge, über die man sich vielleicht auch hin und wieder den Kopf zerbrechen sollte. Daher hat es mich umso mehr berührt, was ihm alles zustößt und mit welchen Problemen er zu kämpfen hat. Aber er entwickelt sich allmählich und setzt sich hin und wieder gegen seine Mitmenschen durch, was ihn selbst am meisten überrascht. Diese Stellen haben mir mit am besten gefallen.
Die übrigen Figuren werden eher anskizziert, was allerdings super passt, da Johnsey seine Geschichte aus seiner Sicht erzählt und man lediglich seine Einschätzung über den Charakter seines jeweiligen Gegenübers erfährt. So kann man wunderbar miträtseln, welche Absichten diese Person verfolgt.
Der Schreibstil ist ganz auf den Protagonisten abgestimmt: Manchmal unglaublich ausufernd in seinen Formulierungen, manchmal kurz und knapp, doch immer leicht verständlich und flüssig zu lesen. Was jedoch gewöhnungsbedürftig ist, ist, dass es keine wörtliche Rede gibt und der Autor oft unvorhergesehen zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und herspringt. Deswegen musste ich mich erst ein paar Seiten in die Geschichte hineinfinden, bis es mich nicht mehr gestört hat. Denn eigentlich ist dies genau Johnseys Art, seine Umwelt zu betrachten: Er spricht nicht viel, tut sich dabei äußerst schwer und in seinem Kopf wirbelt alles durcheinander, wenn er in seinen Überlegungen von einem Thema unvermittelt zum nächsten abschweift. So verschmilzt beides, indirekte Rede und die philosophischen Betrachtungen, zu einem perfekten Ganzen und treibt die Handlung voran, sodass man regelrecht davon gefangen genommen wird, obwohl die Ereignisse alles andere als erfreulich sind und man häufig am liebsten eingreifen würde.
Ein besonderes Highlight ist, dass jedes Kapitel einem Monat des Jahres gewidmet ist, in dem die Story sich abspielt. Dabei nimmt Donal Ryan zu Anfang immer einen kurzen Bezug darauf, was Johnsey mit dem jeweiligen Monat verbindet.
Fazit
Die Sache mit dem Dezember von Donal Ryan hat mich positiv überrascht: Obwohl ich eine wesentlich lustigere Handlung erwartet hatte, war ich tief berührt von dem Roman. Der ungewöhnliche Held konnte mich sofort für sich einnehmen und trägt trotz seines fehlenden Selbstbewusstseins die Story ganz alleine. Wie er nach dem Tod seiner Eltern ab und zu über sich hinauswächst und dabei seine Umwelt so herrlich philosophisch betrachtet, ohne abzuheben, hat mir richtig gut gefallen.
Allerdings muss man mit dem Schreibstil zuerst etwas warm werden, aber man gewöhnt sich schnell daran.
Wer tiefgründige Figuren liebt, die keinem Schema F entsprechen, gerne über traurige und trotzdem wahre Begebenheiten liest und für den Irland eine perfekte Kulisse für solche Geschichten ist, der sollte mal einen genaueren Blick auf dieses Buch werfen.