Hervorragend recherchiert, detailliert und gekonnt umgesetzt!
Benedikt reist Ende der 1990ger Jahre aus Wien in die alte Heimat, Herzach am See, wo er bei den Großeltern die Sommerferien als Kind verbrachte. Jetzt wird alles das, was der Großvater errichtet hat, ...
Benedikt reist Ende der 1990ger Jahre aus Wien in die alte Heimat, Herzach am See, wo er bei den Großeltern die Sommerferien als Kind verbrachte. Jetzt wird alles das, was der Großvater errichtet hat, versteigert. Benedikt kommt, um die Situation zu klären zwischen Mutter und Tante, Erben des Fischereibetriebs und einer Badeanstalt.
Der Großvater, 1868 geboren, ein Verehrer von Ludwig II, konnte 1907 einen Pachtvertrag abschließen mit einer Fischereilizenz, wovon die Familie.Maurer über drei Generationen vollauf beschäftigt war. „Zeitlang“ ist eine Familienchronik über einen Abschnitt von 1880 bis zum Anfang der 2020ger Jahre. Ein turbulentes Geschehen, vollgepackt mit Ereignissen. Das Wort Zeitlang heißt im urbayerischen: Sehnsucht.
Der Roman beginnt mit dem Großvater, dem Fischer, der seine Möglichkeiten erweitern konnte, bis hin zu dem Enkel Benedikt, der, anfänglich Student des Journalismus wurde, dann, 2008, seinen Weg finden soll. Zuerst ohne richtige Perspektive. Seine Fähigkeit ist die Sprache, mit der er lenken und verführen kann. Er soll ein Profil für einen rechten Politiker aufbauen. Seine journalistischen Entscheidungen führen ihn auf einen Weg, den seine Freundin Marianne und sein Umfeld nicht gutheißt. Doch gibt es Parallelen zu den Entscheidungen und Wünschen der Vorfahren?
Ein Buch, das die Zeitspanne 1. Weltkrieg, Weimarer Republik, 2. Weltkrieg und später mit den Vorstellungen, Ängsten und Nöten und Hoffnungen anhand der Familie Maurer sehr präzise verdeutlicht und in Erinnerung ruft. Und Fragen aufwirft: Wie entstehen Prägungen, was davon wird vererbt? Was zeigt sich im Rückblick auf die vergangene Zeit. Wie gehen wir damit um?
Detailliert und hervorragend recherchiert haben Donata Rigg und Claudia Klischat diesen Roman konzipiert. Der Text ist fließend und eingänglich. Ganz besonders hat mich beeindruckt, wie präzise das jeweilige Zeitgeschehen der einzelnen Jahrzehnte umgesetzt wurde in typischer Sprache, Kleidung, Musik, Moralvorstellungen und Manieren, auch typische Gegenstände wie der erste Kühlschrank, die Schreibmaschine, vermitteln ein lebendiges Bild. Als Leser ist man sofort im Geschehen oder/und erinnert sich. Mir hat auch gefallen, dass schon in einzelnen Satzteilen eine ganze „Farbpalette“ steckt: „...die Mühen der Dauerwelle waren von ihr abgefallen...“ - sofort spürt man die Stimmung. Donata Rigg und Claudia Klischat beherrschen ihr Handwerk!
18 Stunden Hörbuch war nicht einfach, doch dieser politische Gesellschaftsroman bringt eine Zeitgeschichte in Erinnerung, die uns bis heute geprägt hat und nicht vergessen werden soll, ein wichtiges Buch!
Das Hörbuch ist sehr gut und einfühlsam vorgelesen von Thomas Loibl.