Leseempfehlung!
Klappentext:
„Die Geschichte einer Kindheit als soziales Experiment: Anfang der 1990er Jahre wandert die fast sechsjährige Judith mit ihren Eltern von Deutschland nach Rumänien aus. Ihr Ziel ist ein abgelegenes ...
Klappentext:
„Die Geschichte einer Kindheit als soziales Experiment: Anfang der 1990er Jahre wandert die fast sechsjährige Judith mit ihren Eltern von Deutschland nach Rumänien aus. Ihr Ziel ist ein abgelegenes Dorf in Transsilvanien am Rande der Karpaten. Judith soll in einer ursprünglichen, vom Kapitalismus freien Gemeinschaft aufwachsen. Mit wachem Blick erkundet sie den Ort, seine Menschen, Geschichte und Sprache. Bald wird sie zur Wahlenkelin der alten Siebenbürger Sächsin Lizitanti. Und sie lernt Irina kennen, die mit ihrer Ziege im Milchauto mitfährt. Irina ist eine Romni. Judith möchte das auch sein, Irina aber lehnt das kategorisch ab. Bald stellt der Widerspruch zwischen mitgebrachter Utopie und vorgefundener Realität die Familie vor immer größere Probleme.“
Autorin Dorothee Riese erzählt uns hier Judiths ganz eigene Geschichte. Riese beschreibt ein sechsjähriges Mädchen die mit ihren Eltern nach Rumänien auswandert. Heutzutage würde man meinen, man hat hier einen Auswanderer-Roman vor sich, eine Geschichte über eine Familie die in einem völlig anderen Land nochmal von vorne anfangen will. In gewisser Weise stimmt das auch. Man sollte nur eben die Jahreszahl etwas genauer beachten. Das Projekt von Judiths Familie beginnt zu Anfang der 1990er Jahre. Die deutsche Geschichte beginnt sich seit kurzem gerade wieder neu zu formen. Eine Mauer ist gefallen, der Kapitalismus ist Vergangenheit, von der Planwirtschaft in der ehemaligen DDR wird jetzt, wie im restlichen Deutschland schon lange Usus, eine Marktwirtschaft. Die Menschen aus der ehemaligen DDR verspüren den Drang in den Westen. Sie wollen raus aus altem Mief, wollen alles Alte hinter sich lassen. Die Neugier auf das, was man sich immer erträumt hat, was andere deutsche Bürger schon lange als „normal“ ansahen, wird nun auch endlich für sie Normalität. Judiths Familie geht aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Sie geht in den Osten und hat sich Rumänien als neue Wahlheimat ganz bewusst ausgesucht. Das liegt nicht an Graf Draculea sondern eher an der dortigen Art des Lebens die nunmal ursprünglich scheint. Autorin Riese beschreibt diesen Weg äußerst genau und detailliert. Wie das möglich ist? Die Autorin ist selbst in Rumänien aufgewachsen und mit großer Wahrscheinlichkeit lassen sich hier biografische Fakten herauslesen. Judiths Eltern suchen für sich und eben für Judith etwas ganz besonderes: die Ursprünglichkeit. Aber warum Rumänien? Dem weltgewandten Leser wird schnell klar warum. Die damalige Zeit in diesem Land hat ebenfalls seine Spuren hinterlassen - selbst bis heute. Auch wenn diese eher an eine Zeitkapsel erinnert, so ist doch dieses Land durch ihre Menschen, seine Natur und seine politische Führung außergewöhnlich. Man darf dabei stets die Jahreszahl nie aus den Augen verlieren und muss sich auch als Leser frei machen von der eigenen Meinung. Interessant ist nämlich, wenn man Judiths Erzählungen von damals und die Zeit mit heute vergleicht, so zeigen sich so manche Parallelen. Es geht um verschiedene Ansichten der Menschen, der Bewohner; es geht um Kulturen; um Denkweisen und vor allem geht es um Träume. Judiths Eltern hatte bestimmte Vorstellungen von ihrem Auswanderer-Plan. Ob diese alle positiv eintreffen, müssen Sie schon selbst erlesen. Man muss bereit für so eine Reise sein, man muss nicht nur Mut haben sondetn auch offen sein für alles was diese neue „Welt“ mit sich bringt, man muss sich auf sie einlassen können. Wer das nicht kann, der hat dabei keine Chance.
Fest steht für mich jedenfalls, Rieses Schreibstil ist absolut einnehmend und man kann wunderbar zwischen den Zeilen lesen. Die Geschichte ist viel mehr als nur ein simpler Report! Es ist eine Art Spiegelbild aus vergangenen Zeiten aber dennoch ist es immer noch aktuell! Judith lernt mit ihrem zarten Alter die Welt in Rumänien anders kennen. Kinder nehmen solche Veränderungen anders auf, genau wie den Umgang mit neuen Menschen. Sie sind offener, freier und flexibler. Als Erwachsene können wir dabei noch viel von ihnen lernen da wir es bereits ganz großartig verlernt haben. Dennoch ist aber auch deutlich zu erlesen, wie die Träume von Judiths Eltern sich in Wohlgefallen auflösen. Die Suche nach der Ursprünglichkeit ist nicht einfach und es stellt sich immer wieder die Frage, wo man sie finden könnte. Wo sind die Wurzeln zu finden? Hat man sie bereits gefunden und nur noch erkannt? Muss man neue Wege gehen um Wurzeln zu schlagen? Haben Judiths Eltern zu naiv gedacht? Vielleicht? Aber was, wenn sie diesen Schritt nie gewagt hätten?
Riese behandelt hier auf sprachlich äußerst angenehme Weise verschiedene Themen ohne dabei abzudriften. Hier und da etwas philosophisch, da mal wieder nachdenklich bzw. anregend die eigenen Gehirnzellen zu aktivieren, andererseits aber auch erhellend durch eine gewisse kindliche Art. Die Geschichte ist definitiv zeitlos und enthält so einige Botschaften! Man muss sie nur erkennen können, egal wie still sie manchmal erscheinen! „Wir sind hier für die Stille“ erhält von mir 5 ausgezeichnete Sterne sowie eine klare Leseempfehlung!