Absurdität und Tragik
In „Der schwarze Obelisk“ führt Remarque uns in eine Epoche, die so gut wie nie literarisch behandelt wird - das Hyperinflationsjahr 1923. Vom Frühling 1923 an begleiten wir den Ich-Erzähler Ludwig (sehr ...
In „Der schwarze Obelisk“ führt Remarque uns in eine Epoche, die so gut wie nie literarisch behandelt wird - das Hyperinflationsjahr 1923. Vom Frühling 1923 an begleiten wir den Ich-Erzähler Ludwig (sehr stark an Remarque selbst angelehnt) durch das restliche Jahr, in dem die Inflation aus Tausenden zuerst Millionen, dann Milliarden und Billionen macht. Eine Zeit, in der Tragik und Absurdität nah beieinanderliegen, was sich im Buch hervorragend widerspiegelt.
Remarque schrieb seinem Verleger, er könne den Inhalt nicht beschreiben, und das ist nachvollziehbar, denn es ist weniger eine klassische Romanhandlung als eher eine Ansammlung von Facetten, die uns verschiedene Schicksale im Laufe dieses Jahres kaleidoskopartig berichten. Wir folgen Ludwig und seiner Umgebung in ihrem Alltag in der Stadt Werdenbrück (Osnabrück nachempfunden). Über allem liegt der Wahnsinn der Hyperinflation, der Dollarkurs ist Leitmotiv und wir lesen von allerhand aberwitzigen Manövern, die wohl nur in einer solchen Zeit möglich sind. Da wird ein Grabstein auch mal mit zwei Wochen Brötchenlieferungen abgegolten, es wird um den Zahlungszeitpunkt gefeilscht, denn ein paar Stunden reichen, um eine hohe Summe wertlos zu machen. Wir begegnen den Hoffnungslosen, den sich Durchwurschtelnden, den Spekulanten. Es wird gelebt, als ob es kein Morgen gäbe, was in gewisser, tragischer Hinsicht auch fast stimmt. In dieser absurden Zeit kann Remarque auch seinem sonst spärlich eingesetzten Humor freien Lauf lassen, was zu herrlich komischen Sätzen und Szenen führt, leider aber auch zu vielen albernen Episoden, die das Buch schwächen.
Auch auf die sehr dick aufgetragene Schicht Philosophie und Lebensbetrachtungen hätte ich gut verzichten können. Ludwigs Beziehung mit der jungen psychisch kranken Isabelle besteht aus zahlreichen recht sinnbefreiten Dialogen, in denen man sicher viel Philosophisches herauslesen kann, die ich aber zu haltlos und sehr wiederholend fand. Auch sonst wird viel wiederholt, gerade in der Mitte des Buches fühlt man sich wie in einem etwas zähen Kreislauf aus Bekanntem.
Hervorragend ist das vielfältige, gut gezeichnete Bild jener Zeit, in der die Resignierten, denen durch den Krieg Jugend und Hoffnung gestohlen wurde, jenen Unverbesserlichen gegenüberstehen, die bald der nächsten Generation Jugend und Hoffnung nehmen werden. Die Bedrohung von rechts wird im Laufe des Buches immer deutlicher, immer düsterer und kulminiert im letzten Kapitel, in dem Remarque kurz die Schicksale der Charaktere nach 1923 schildert. Auch Remarques Sprache ist wieder ein einzige Freude - virtuos spielt er mit den Worten, Bildern, Stimmungen. Und so ist „Der schwarze Obelisk“ trotz einiger Schwächen ein phantastisches Buch, das jene Zeit auf ganz eigene gekonnte Weise einfängt.