Die Hebammen von London
Edith Beleites habe ich durch ihre Romane um Clara, die Hebamme von Glückstadt, kennengelernt. Ich habe alle fünf Bände verschlungen und war begeistert von diesen historischen Romanen, die im 17. Jahrhundert ...
Edith Beleites habe ich durch ihre Romane um Clara, die Hebamme von Glückstadt, kennengelernt. Ich habe alle fünf Bände verschlungen und war begeistert von diesen historischen Romanen, die im 17. Jahrhundert spielen und in denen es sehr ausführlich um den Beruf der Hebammen geht.
Auch in ihrem Jugendroman „Die Hebammen von London“ ist die Protagonistin eine angehende Hebamme. Lilly geht bei Mrs. Mansfield in Wickham in die Lehre. Als Tochter des Stallmeisters von Lady Fenton wird sie von der Gräfin gefördert und unterstützt, denn die Lady hat großes Interesse an einer guten Versorgung der schwangeren Frauen in ihrer Grafschaft. Aus London kommen bedenkliche Nachrichten, denn dort scheint ein Dr. Smollett die Geburtshilfe als Männerdomäne anzusehen. Auch wenn er fachlich einerseits kompetent ist, so scheut er nicht davor zurück, Schwangere aus ärmsten Verhältnissen für seine brutalen Experimente auszunutzen. Ihr letztes Lehrjahr möchte Lilly in London verbringen, um sich bei der bekannten Hebamme Mrs. Hill weiteres Wissen anzueignen und ihre bestehenden Kenntnisse zu erweitern. In London gerät sie schnell zwischen die verhärteten Fronten zwischen Hebammen und Ärzten. Beide Berufsgruppen beanspruchen das alleinige Recht auf die „richtige“ Geburtshilfe für sich.
In ihrem Bestreben, dem Problem auf den Grund zu gehen und herauszufinden, ob Dr. Smollett wirklich so schlimm ist wie sein Ruf bei den Hebammen, bringt sich Lilly bald in Gefahr.
Grundsätzlich finde ich es sehr interessant, etwas über die damalige Geburtshilfe zu erfahren, und in diesem Roman zeigt sich wieder, dass die Autorin sich sehr intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat. Manchmal war es für mein Empfinden dann doch etwas zu gründlich, wie man hier in die Wissenschaft der Geburtshilfe eingeweiht wird.
Lilly, die Hauptperson der Geschichte, ist sehr sympathisch dargestellt, wirkte auf mich aber manchmal zu abgeklärt und altklug für ihr Alter. In so mancher Szene ist beschrieben, wie sie selbst ihrer Lehrmeisterin Mrs. Hill überlegen zu sein scheint und für jedes Problem, an dem andere zu knabbern haben, sofort die bestmögliche Lösung präsentiert.
Inwieweit es unter den Ärzten damals wirklich solche „Schlächter“ gegeben hat und ob die Kluft zwischen Ärzten und Hebammen wirklich so tief war, kann ich nicht beurteilen. Manches erschien mir beim Lesen doch etwas sehr extrem, und wieder andere Passagen empfand ich als zu modern für das 18. Jahrhundert, so dass ich meine Zweifel hege, ob sich damals wirklich alles so abgespielt haben könnte.
So ganz nebenbei erlebt man die Entwicklung einer zarten Liebe mit, die sehr schön beschrieben ist und wiederum perfekt in die damalige Zeit passt. Das Ende ist überraschend, und man erfährt noch ein interessantes Familiengeheimnis.
Abgesehen von ein paar Längen und einigen Punkten, die für mein Empfinden nicht völlig glaubwürdig sind, habe ich den Roman gerne gelesen, auch wenn er nicht ganz an die erfolgreiche Serie um die Hebamme von Glückstadt heran reicht.