Isländische Geschichte interesant, informativ und mal ganz anders erzählt
"Die Sturlungen" von Einar Kárason ist ein ungewöhnlicher und interessanter Roman.
Es geht um die isländische Geschichte Mitte des 13. Jahrhunderts, um die Zeit des einzigen Bürgerkrieges, den das Land ...
"Die Sturlungen" von Einar Kárason ist ein ungewöhnlicher und interessanter Roman.
Es geht um die isländische Geschichte Mitte des 13. Jahrhunderts, um die Zeit des einzigen Bürgerkrieges, den das Land bisher erlebt hat.
Der Autor, Einar Kárason hat sich 25 Jahre mit dem Original, der „Saga von den Sturlungen“ beschäftigt, das aus verschiedenen Büchern und Geschichten besteht. Geschrieben wurden sie im 13. Jahrhundert von einem Skalden (Geschichtenschreiber) aus Island, Sturla Thórdason (Skalden-Sturla), der auch selber in den Geschichten eine Rolle spielt. Kárason hat sich lange mit diesem schwer lesbaren, sehr ausführlichen Berichten und Aufzählungen, die aus einer sachlich beobachtenden Erzählebene heraus erzählt werden, befasst. Und daraus entstand dann dieser Roman.
Kárason hat diese Geschichten, die auch das Zeitgeschehen der damaligen Zeit in Island beschreiben, nacherzählt – aber ganz anders als die ursprüngliche Version. Er hat die Personen „zum Leben erweckt“, hat sie selber erzählen lassen. Und so kam dieser Roman zustande. Abwechselnd erzählen die Personen. Hauptfiguren und Nebenfiguren. In kurzen und mal längere Abschnitten. Jeder erzählt von den Ereignissen aus seiner ganz besonderen Sicht. Manchmal kommt man sich als Leser vor, als würden die erzählenden Personen auf einer Bühne stehen, vor einer Kamera. Sie erzählen dem Zuhörer/Leser. Man fühlt sich direkt angesprochen.
Es ist die Zeit des Bürgerkrieges, mit wechselnden Allianzen, Feind und Freund bleibt nicht immer derselbe. Es ist eine grausame Zeit, mit vielen Kämpfen und Toten. Zimperlich ist hier keiner. Durch die wechselnden Perspektiven ist die Schuldfrage nicht immer eindeutig, jeder der Akteure hat seine Gründe. Die Ereignisse wiederholen sich in dem Roman, werden immer wieder neu beleuchtet. An manchen Stellen ist es mir jedoch die eine oder andere Wiederholung zu viel, auch wenn der Autor immer neue Nuancen mit hinein bringt.
Allerdings muss dazu ergänzend gesagt werden, dass das vorliegende Buch gleich vier Bücher des Autors umfasst, die dieser in der Zeit zwischen 2001 und 2014 veröffentlicht hat. Bisher waren erst zwei Bücher ins Deutsche übertragen worden. Diese Ausgabe umfasst also erstmals alle vier Bücher und vorangestellt wurde extra für diese deutsche Ausgabe ein langes erklärendes Vorwort des Autors, das sehr gut seine Motivation und Herangehensweise erklärt und neugierig auf die Geschichte macht.
Das Buch ist mit 830 Seiten ein echter Wälzer, lest sich allerdings durch die schnell wechselnden Perspektiven gut lesen. Durch die Wiederholungen, die der Autor aber immer wieder von den verschiedensten Seiten beleuchtet, prägen sich die Ereignisse dem Leser sehr gut ein. Hinzu kommt – und hier passt auch ein Zitat aus dem Buch, dass zwar im anderen Zusammenhang steht, aber dennoch auch das Buch als Ganzes beschreiben könnte:
„….dass das, was er erzählte, die reine Wahrheit war und nicht bloß eine von vielen möglichen Sichtweisen auf ein Ereignis, das man auch ganz anders hätte darstellen können“.(Seite 804)
Kárason zeigt, dass die Menschen damals nicht viel anders waren, als wir heute. Andere Lebensbedingungen, aber auch sie schliefen, aßen, arbeiteten, liebten und hassten. Sie erzählten sich Geschichten, sie machten Geschichte. Der Autor zeigt, dass Ereignisse viele Facetten hat, nicht alles ist schwarz oder weiß. Der Erzählstil ist wie gesagt ungewöhnlich, es mutet so modern an, so theatralisch, man meint die Erzählenden säßen im Scheinwerferlicht á la „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“. Solche Fernsehformate sind nicht mein Ding, aber nachdem ich mich an diese Art der Erzählung hier im Buch gewöhnt hatte, gefiel es mir aber auch. Denn es macht die Erzählenden menschlicher, greifbarer, interessanter. Gibt ihnen Konturen und Meinungen.Zu den wechselnden Erzählern kommt allerdings hinzu, dass es keinen linearen Erzählstrang gibt, immer wieder gibt es Sprünge nach vorne und zurück. Manchmal verwirrt das, man muss beim Lesen mitdenken und einordnen können. Je weiter man liest, desto besser kann man dann aber auch die Figuren und Ereignisse zuordnen. Und dann hat man ein sehr gutes Verständnis für die Akteure und vor allem die Geschehnisse.
Erst am Ende, im vierten Teil, wechselt der Autor. Lässt hier auch einen sachlichen Erzähler berichten. Aber auch hier fließen die persönlichen Teile immer wieder mit ein.
Fazit:
Das Buch hat mir einen Teil der isländischen Geschichte näher gebracht. Und zwar auf eine interessante, ungewöhnliche Art. Ausgeprägte Charaktere, Figuren, denen Leben eingehaucht wurde und spannende Ereignisse machen das Buch zu einer sehr interessanten Lektüre.