Voller Akzeptanz und Liebe
Ich muss ehrlich sein, nach etwa 20 % des Buches war ich kurz davor es abzubrechen. Im Nachhinein bin ich froh es nicht getan zu haben, da mir sonst eine wunderbare und süße Geschichte entgangen wäre. ...
Ich muss ehrlich sein, nach etwa 20 % des Buches war ich kurz davor es abzubrechen. Im Nachhinein bin ich froh es nicht getan zu haben, da mir sonst eine wunderbare und süße Geschichte entgangen wäre. Aber mal der Reihe nach.
Das Vorwort hat mich sehr berührt, weil sich meiner Meinung nach jede:r sofort willkommen fühlen kann. Es wird von Anfang an gegendert, was ich das erste Mal bei einem Roman gesehen habe, und ausführlich und dennoch unkompliziert die nicht-binäre Genderidentität mitsamt der Pronomen, die verwendet werden können, erklärt. Es wird klar, dass es dem Autor selbst sehr am Herzen liegt, Intoleranzen aus dem Weg zu räumen, ebenso wie das verbreitete Bild der Heteronormativität. Dass Elias Finley das Wohl der Leser:innen am Herzen liegt, sieht man auch in der gut ausgearbeiteten Trigger-Liste, auf die er explizit ebenfalls im Vorwort hinweist.
Doch so wohl ich mich in den ersten Seiten auch gefühlt habe, so enttäuscht war ich dann erst einmal bei der Geschichte. Der Schreibstil ist sehr kindlich gehalten und gerade bei einem Liebesroman, bei dem meist früher oder später sexuelle Handlungen zum Thema werden, finde ich es sehr unangenehm das Gefühl zu haben, aus der Sicht eines jungen pubertierenden Menschen zu lesen. Davon abgesehen ist der Protagonist 19 Jahre alt, was eine gewisse Reife und Selbständigkeit vermuten lässt, die ich im ersten Viertel des Buches viel zu selten erkannt habe. Er wird schon am Anfang als sehr emotional beschrieben und ging mir damit manchmal sehr auf die Nerven. Wenn in jedem Kapitel der Protagonist in Tränen ausbricht, so dass er auf mich teilweise fast wie ein bockiges Kind wirkt, kommt mir das für einen 19-jährigen schon sehr komisch vor. Die anbahnende Liebe erinnerte mich anfangs auch eher an die ersten Versuche von 13-Jährigen, was es insgesamt sehr unangenehm und anstrengend gemacht hat, sich auf die Geschichte einzulassen.
Im Laufe des Buches hat sich das etwas gewandelt. Meine Vermutung ist, dass der Autor mit Absicht im ersten Viertel einen unsicheren, kindlicheren Schreibstil gewählt hat, um die Entwicklung der Charaktere und der gesamten Geschichte zu verdeutlichen, was meiner Meinung nach etwas nach hinten los gegangen ist, weil es bei mir fast zu einem Abbruch des Buches geführt hat.
Doch als die Geschichte dann etwas ins Rollen gekommen ist und ich mich ab etwa der Hälfte auch langsam mit den Charakteren identifizieren konnte, hatte ich Spaß am Lesen. Es war zwar alles sehr vorhersehbar und manchmal konnte ich über Streitigkeiten, die im Buch entstanden sind, nur schmunzeln, da sie mit der eigentlichen Handlung wenig zu tun haben und dementsprechend auf mich sehr unnötig gewirkt haben, aber dennoch mochte ich die Entwicklung einiger Charaktere und auch den Zusammenhalt der Protagonist*innen fand ich sehr schön zu lesen.
Ich fand es außerdem dann doch überraschend, dass einige verschiedene Labels aus der Pride-Community aufgetaucht sind und nicht, wie so oft, nur die bekanntesten. Das macht das Buch für mich zu einer Art Wohlfühlort und Menschen, die sich mit der Thematik nie wirklich befasst haben, können bestimmt daraus lernen.
Insgesamt kann ich das Buch jeden ans Herz legen, wenn man über die ersten 25 % hinwegsehen kann. Die Geschichte an sich ist nicht übermäßig besonders, aber diese queere Umgebung und die Akzeptanz, die dort herrscht, haben mir oft ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.