Cover-Bild Die kranke Frau
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22,99
inkl. MwSt
  • Verlag: E-Books im Verlag Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Gesellschaftliche Gruppen
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Ersterscheinung: 18.08.2022
  • ISBN: 9783462301281
Elinor Cleghorn

Die kranke Frau

Wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute beeinflussen
Anne Emmert (Übersetzer), Judith Elze (Übersetzer)

Von den antiken Anfängen der Medizin bis in die Gegenwart, von der »wandernden Gebärmutter« bis zur Entdeckung von Autoimmunerkrankungen und Endometriose: Die englische Feministin Elinor Cleghorn präsentiert eine bahnbrechende und aufwühlende Kulturgeschichte über das Verhältnis von Frauen, Krankheit und Medizin.
Elinor Cleghorn, selbst an der Autoimmunerkrankung Lupus erkrankt, hat sich nach einer nervenaufreibenden Diagnose-Odyssee auf die Suche nach den Wurzeln der patriarchalen Mythen begeben, die unsere westliche Medizin bis heute prägen. Anhand einer Fülle von historischem Material rekonstruiert sie, wie stark die Medizin als Wissenschaft und Institution von kulturellen und gesellschaftspolitischen Umständen beeinflusst ist. Denn die Tatsache, dass Frauen als das schwächere Geschlecht galten und auf die soziale Aufgabe der Mutterschaft reduziert wurden, formte auch den medizinischen Blick auf Frauen und Weiblichkeit über die Jahrhunderte. Von der »wandernden Gebärmutter« über die »Hysterie« bis hin zum sich nur äußerst langsam wandelnden Verständnis für Menstruation und Menopause – all diese Diagnosen und Entwicklungen zeugen von einer männlich geprägten, nicht selten sexistischen Medizin.
Feminist:innen erheben seit Langem ihre Stimme gegen diesen patriarchalen Zugriff auf ihren Körper und kämpfen für eine bessere Aufklärung über weibliche Gesundheit. Wer verstehen will, warum dieser Kampf wichtig und notwendig ist, findet in Elinor Cleghorns augenöffnendem Buch die Antwort.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.08.2022

Unheimlich interessant

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Elinor Cleghorn ist promovierte Kulturhistorikerin. Außerdem ist sie Feministin und hat eine Autoimmunerkrankung. In Die kranke Frau vereint sie das alles einfach mal und Blick zurück auf Jahrhunderte, ...

Elinor Cleghorn ist promovierte Kulturhistorikerin. Außerdem ist sie Feministin und hat eine Autoimmunerkrankung. In Die kranke Frau vereint sie das alles einfach mal und Blick zurück auf Jahrhunderte, in denen Frauen weder ernst genommen, noch wirklich respektiert worden. Was sie zusammenträgt ist tragisch und tut weh. Aber es ist passiert und passiert immer noch.

Männer hatten schon immer die absurdesten Ideen, wenn es um den weiblichen Körper geht. Lange hielten sich Theorien über austrocknende Gebärmütter, wenn Frauen (und auch Mädchen) nicht genug Sex hatten. So wurden sich Periodenschmerzen zum Beispiel lange erklärt). Auch die Idee, dass die Eierstöcke sich entzünden, wenn Frauen ihren Kopf zu sehr anstrengen und zum Beispiel zu viel lesen, hielt sich hartnäckig.

„ Dabei gibt es nichts »Ungeklärtes« oder »Ungewisses« an dem Leid, das Millionen Frauen weltweit Tag für Tag erdulden. Und während die Medizin nach Antworten sucht, fluten weiterhin Krankheiten unsere Zellen, greifen auf unsere Organe zu und unsere Gelenke an und triggern unsere Schmerzen – und unsere Zahl steigt“

Aber all das ist kein Wunder, wenn Betroffenen nicht zugehört wird, sie nicht mit eingeschlossen werden. Im 14 Jahrhundert wurde in ganz Europa Ärztinnen das Praktizieren untersagt, sie hatten über Jahrhunderte kaum Chancen, sich einzubringen. Da es außerdem als Schande galt, über gynäkologische Erkrankungen zu sprechen, haben Frauen stillschweigend gelitten und brav weiter die Care-Arbeit übernommen.

Aber wir müssen gar nicht so weit zurück in die Vergangenheit. Bis in die 1990er Jahre wurden Frauen einfach ganz aus Beobachtungsstudien ausgeschlossen. (Auch in Deutschland zeigt sich in vielen Coronastudien, dass Frauen gern ignoriert werden, mal so nebenbei.)

Im 18 Jahrhundert wurde es sich dann besonders leicht gemacht. Es wird zwar langsam ein bisschen weiter geforscht, viele Dinge werden aber auch einfach direkt auf die Psyche geschoben. Frauen sind einfach zu schwach und neigen zur Hysterie.

Elinor Cleghorn gibt natürlich noch mal viel tiefere Einblicke. Die kranke Frau ist wie ein langer Zeitstrahl, in dem ausführlich erzählt wird, was alles schief gelaufen ist. Aber auch, wie viel sich verbessert hat, wie sehr Menschen (hauptsächlich Frauen) für eine Veränderung gekämpft haben.

„Ob man es nun zugeben mag oder nicht: Wenn Frauen im Sprechzimmer ihre Symptome schildern, so hat ihr Gegenüber nicht selten jahrhundertealte Ansichten verinnerlicht, nach denen Schmerzen bei Frauen eher emotional als körperlich bedingt sind, und reagiert entsprechend.“

Nach dem ersten Teil verliert sich der rote Faden für mich leicht, es ging plötzlich lange ums Wahlrecht. Natürlich spielen politische Themen immer irgendwo eine Rolle, ich fand es nur ziemlich verwirrend und hätte es schön gefunden, wenn andere Themen dafür aufgekommen wären.

Elinor Cleghorn gibt ihr bestes intersektionell zu arbeiten und bezieht auch ein wenig über den Rassismus, der mindestens genauso stark in der Medizin zu finden ist, wie der Sexismus. Das Thema kommt hier ziemlich kurz und hätte in meinen Augen noch ausgeweitet werden können, um ein wirklich realistisches Bild zu zeichnen.

Allgemein liegt der Fokus sehr auf gynäkologischen Erkrankungen. Natürlich trotzdem sehr interessant, aber ich hatte nicht ganz damit gerechnet, vor allem, weil im Klappentext ja auch von der Autoimmunerkrankung der Autorin gesprochen wird.

Elinor Cleghorn lebt mit Lupus. Für die Diagnose musste sie kämpfen, lange wollte sie niemand ernst nehmen. Dass Frauen immer noch als schwaches Geschlecht wahrgenommen werden nach allem, mit dem wir uns unbehandelt rumschlagen müssen, bringt mich fast zum lachen.

Trotz der Erwähnung im Klappentext geht es nur am Ende einmal kurz um Autoimmunerkrankungen. Auch chronische Kranken finden kurz Erwähnung. Sehr interessante Kapitel, die für mich leider fast schon schnell abgearbeitet wirken.

Die Gynäkologie war wohl einfach wichtiger und auch das war zum Glück sehr interessant. Es überrascht mich zum Beispiel gar nicht, dass die Einführung des Spekulums Kontroversen ausgelöst hat. Auch das Geburtsschmerzen als natürlich und wichtig für die Bindung zum Kind angesehen wurden, und Frauen Schmerzmittel verwehrt blieben lässt mich nur noch müde Lächeln.

„Die Medizin hat im Lauf ihrer Geschichte das Frausein und den Frauenkörper so massiv pathologisiert, dass die Unpässlichkeit der Frau in Gesellschaft und Kultur zum Normalzustand wurde und ihr Recht über den eigenen Körper bis heute umstritten ist.“

Besonders interessant fand ich außerdem die Seiten zum Thema Verhütung und Hormone. Auch ihre Worte über Abtreibung treffen bei dem, was in Amerika gerade abgeht, genau ins Schwarze.

Ihr merkt also, hier werden einige Themen behandelt und ich kann hier natürlich nur auf einen Teil eingehen. Vielleicht findet ihr das alles ja auch so interessant wie ich.

Das einzige, was mich immer wieder ziemlich irritiert hat ist die Bezeichnung Jungfernhäutchen. Ich weiß natürlich nicht, wieviel die Übersetzung damit zutun hat, aber ne. Bitte lasst den Quatsch.

Die Sprache ist ansonsten teilweise etwas fachlich und ausschweifend. Ich selbst habe zwei Wochen an dem Buch gelesen, was sehr ungewöhnlich für mich ist bei nur etwa 350 Seiten (Ohne Anhang). Für mich hat es sich aber absolut gelohnt, mir die Zeit zu nehmen.

Trotz kleiner Kritik und Abbiegungen, die ich nicht ganz nachvollziehen konnte, ist Die kranke Frau ein absolutes Highlight für mich. Informativ, fesselnd und bewegend. Eine absolute Empfehlung, wenn ihr euch wirklich Zeit nehmen wollt und euch das Thema interessiert.

„Bis heute wird die Geschichte der Medizin dank des Widerstands, der Kraft, der Intelligenz und des unglaublichen Mutes von Frauen umgeschrieben.“

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