„Das Einzige, was er ihr eingeimpft hat, war der Wille zu fliehen. Er hat ihr nie beigebracht bleiben zu wollen.“
Inhalt
Für Victoria Bergman ist ihr Lebensweg eine einzige Tortur, vom Vater schwer missbraucht, traumatisiert und allein versucht sie ihre schlimmen Ereignisse bei der Psychotherapeutin Sofia Zetterlund zu verarbeiten. In ellenlangen Monologen arbeitet sie die monströsen Ereignisse auf, ohne tatsächliche Hilfe zu erwartet, denn wer kann schon eine geschundene Seele heilen? Unterdessen versucht die Kommissarin Jeanette Kihlberg aktuelle Mordfälle aufzuklären, bei der junge Männer, fast noch Kinder verschwinden, misshandelt werden und erst eine Weile nach ihrem Tod wieder an der Oberfläche auftauchen. Einige von ihnen sind nicht einmal gemeldet, sondern höchstwahrscheinlich illegal im Land. Jeanette findet heraus, dass einer der Ermordeten ebenfalls Patient bei Frau Zetterlund war und erhofft sich von ihr, neue Erkenntnisse, um die Aufklärung der Mordfälle voranzutreiben. Schon bald werden aus Sofia und Jeanette Freundinnen, die sich gegenseitig in ihrem schwierigen Privatleben unterstützen, doch manchmal weiß Sofia Dinge, die ihr nie jemand erzählt hat, außer vielleicht Victoria in einer besonders schmerzhaften Phase …
Meinung
Das schwedische Autorenduo, unter dem Pseudonym Erik Axl Sund, greifen in ihrem Auftaktband zur Victoria-Bergman-Reihe, einen sehr interessanten Ansatzpunkt auf, welcher sich in erster Linie mit schweren psychischen Störungen beschäftigt, die sich auf Grund diverser Misshandlungen in der Kindheit manifestieren, um sich dann im Erwachsenenalter mit enormer Kraft ihren Weg zu bahnen.
Allerdings kann man diesen Prozess nur mäßig gut nachvollziehen, da die Handlung selbst sehr sporadisch und undurchsichtig verläuft. Immer wieder werden neue Aspekte aufgegriffen, die zunächst in keinerlei Kontext zu stehen scheinen. Mal taucht der Leser in Victorias Psyche ein, kurz darauf in die schwierige Beziehung zwischen Jeanette und ihrem Mann, dann wieder hin zu misshandelten Kindern im Krieg und neuen Erkenntnissen auf Grundlage der laufenden Autopsien. Dadurch ist es ein stetes Auf und Ab, dem es über weite Teile schlicht und einfach an Spannung mangelt.
Erst im zweiten Teil wird dieser Thriller deutlicher, weil sich plötzlich Parallelen zeigen, die im Vorfeld keinen Sinn ergaben. Doch auch nun, bezugnehmend auf die psychische Komponente, bleibt der Text hinter meinen Erwartungen zurück. Nicht zuletzt die Tatsache, dass dieses Buch ein offenes Ende hat, dessen Fortsetzung sich in den Folgebänden entfalten wird, stimmt mich eher frustriert.
Tatsächlich gelingt es den Autoren nicht, mich von den Charakteren, den Opfern und Tätern aber auch nicht von den Ermittlern zu überzeugen. Die guten Ansätze verlaufen zusehends im Sand. Am meisten störte mich die sprunghaft wechselnde Perspektive in Kombination mit unglaubwürdigen Ereignissen und unrelevanten Problemen, wie z.B. die kurz vor dem Aus stehende Ehe der Kommissarin – ein unschöner Lückenfüller, der aber nicht die beabsichtigte Nähe zum Charakter herstellt, sondern vollkommen zusammenhangslos erscheint.
Fazit
Ich vergebe 2 Lesesterne für diesen Thriller, der leider nicht das erhoffte Ergebnis erzielt, weil es ihm nicht gelingt mich für die Geschichte zu sensibilisieren. Die Schreibweise ist gar nicht mal so verkehrt, es hätte mir aber sehr geholfen, wenn ich Bilder vor Augen gehabt hätte, wie z.B. in einem Film, denn allein der Text war mir zu verworren und die schöne, grausame Victoria hat ebenso wenig Bestand, wie die unentschlossene Jeanette, die allzu schnell die Flinte ins Korn wirft. Ganz klar: diese Reihe werde ich mit gutem Gewissen nicht fortsetzen – mögen sich die Protagonisten auch weiterentwickeln, mir ist es einerlei in welche Richtung. Obwohl ich schwedische Kriminalromane sehr gerne lese, fällt mein Urteil hier sehr schlecht aus – schade, denn die Ansatzpunkte waren mal etwas ganz anderes, mit viel Potential für einen grausigen, psychologischen Thriller jenseits des Mainstream.