Humoriger Schreibstil mit einer Prise Gesellschaftskritik
Fangen wir beim Augenscheinlichen an. Dem Milena Verlag ist hier ein originelles Cover gelungen, das mich neugierig gemacht hat. Aber auch das nackte Buch muss sich nicht verstecken, denn es kann mit Ankern ...
Fangen wir beim Augenscheinlichen an. Dem Milena Verlag ist hier ein originelles Cover gelungen, das mich neugierig gemacht hat. Aber auch das nackte Buch muss sich nicht verstecken, denn es kann mit Ankern bedruckten Vorsatzpapieren und einem standesgemäß güldenen Lesebändchen aufwarten. Standesgemäß? Ja, denn es geht um nichts Geringeres als die Wahl eines Monarchen auf österreichischem Mittelstadtboden. Die Kaiser-Tradition in dem Alpenländchen ist ja eher unbedeutend, daher hat der Autor sich wohl gedacht, sie nur von einer bestimmten Gesellschaftsschicht weiterführen zu lassen. Und zwar nicht irgendeiner, der ohnehin Macht und Einfluss zuzuschreiben ist, sondern den Obdachlosen.
Nachdem wir die mehr oder weniger stereotypischen Grüppchen kennengelernt und einigen Bewerbern gelauscht haben, kann sich ausgerechnet ein ehemaliger Käpt’n zu See bei der Wahl durchsetzen. Ich sag nur: Augen auf bei der Berufswahl, in einem Binnenstaat kann man dabei schnell auf der Straße landen. Gerhard, besagter »Schiffsbruchsepp«, verspricht dem bunten Haufen ein Dach über dem Kopf – genauer gesagt Kirchenasyl.
»… wir werden diese Steinpaläste mit Leben füllen, wir werden uns ein Dach über dem Kopf holen! Wir werden uns ein Haus machen, ein Haus für uns! In dem es keine Polizei gibt! Wo es keine Alktests gibt. Wo einem nichts geklaut wird. Wo man sich für ein paar Minuten niederlegen kann. … Wir werden uns nehmen, was wir verdienen! … Was uns gehören MUSS!« S. 22
Damit gewinnt man also in Österreich die Wahl zum Kaiser der Sandler. Das bleibt natürlich von der Polizei nicht unbeobachtet. Allen voran Leopold, der reichlich desillusioniert seinen Dienst versieht, aber letztlich in die ganze Sache reingezogen wird.
Die skurrile Story gipfelt in der Olympiade der Obdachlosen, die nicht nur den eigentlichen Höhepunkt darstellt, sondern augenöffnende Begleiterscheinungen hat. Und danach? Mhm, sind ihm die Ideen zu den Figuren ausgegangen? Das Ende war mir etwas zu schnell runtererzählt.
Alles in allem kein schlechtes Buch, denn es wird trotz des humorigen Stils mit einer scharfen Prise Gesellschaftskritik gewürzt, die dazu angeregt, uns mal wieder an die eigene Nase zu fassen, unseren Blick zu korrigieren auf die, die am Straßenrand die Hand aufhalten.
Allerdings scheint der Erzähler hier über der Geschichte zu thronen und die ganze Szenerie mit einem selbstherrlichen Blick zu betrachten. Muss man mögen, war nicht immer mein Gusto. Hätte er sich an mancher Stelle nicht zu sehr aufgeblasen (der Erzähler, nicht der Autor, denn als Leser weiß man ja, dass das nicht dasselbe ist), wäre die Geschichte wohl auch auf weniger als 115 Seiten erzählt gewesen. Jener Erzähler wendet sich also immer wieder an seine Leserschaft, um den Fortgang der Geschichte plausibel zu erklären, wortschwallartig Thesen zu untermauern und sicherzustellen, dass wir auch verstehen, was er von uns will. Klingt dann so:
»Und jetzt bitte nicht damit kommen, dass ich den Lesern nicht zutraue, aus den verfügbaren Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ich respektiere auch die Schlüsse, die nicht mit meiner Intension übereinstimmen.« S. 42
Danke, Herr Wakolbinger.
Und wer bis zum Ende meiner Rezension gelesen hat, danke an der Stelle, kann einen Blick auf den Instagram-Account des Autors werfen. Denn er macht es sich zur Angewohnheit, Rezensent*innen »nicht mit allem durchkommen zu lassen«, was sie so verzapfen. Sei es nun die Ausdrucksweise, die Kritik oder Form und Länge.
Dabei möchte ich zu bedenken geben, dass ich nur meinen persönlichen Geschmack wiedergebe, obs ihm nun gefällt oder nicht. Immerhin muss ich mir mit meinem Geschreibsel kein Geld verdienen.
In dem Sinne »Pfiat di.«