Cover-Bild Oreo
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 20.09.2019
  • ISBN: 9783423281973
Fran Ross

Oreo

Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse
Pieke Biermann (Übersetzer)

»Die Wiederentdeckung dieses Buches und die grandiose Übertragung von Pieke Biermann ist ein Glücksfall.« Max Czollek

Christine ist sechzehn, hat eine schwarze Mutter und einen jüdischen weißen Vater und wächst auf in Philadelphia, verspottet als »Oreo« (wie der Keks) – eine doppelte Außenseiterin. Der Vater hat sich früh aus dem Staub gemacht und ihr ein Geheimnis hinterlassen, für dessen Lösung sie ihn finden muss. Auf nach New York!

Unterwegs trifft sie unglaubliche Leute: einen schwulen »Reisehenker«, der anonym Manager feuert, einen Radio-Macher, der nicht spricht, einen grotesk tumben Zuhälter und endlich auch ihren Vater. Nicht jeder ist ihr wohlgesinnt. Aber Oreo überlebt alle und alles dank ihres selbsterdachten Kampfsports WITZ, getreu ihrem Motto: »Niemand reizt mich ungestraft.«

Oreo folgt der Theseus-Sage mit all ihren Volten bis zum letzten irrwitzigen Twist, dem Vatergeheimnis. Aber der antike Held ist heute jüdisch, schwarz und weiblich.

 

» Fran Ross führt ihre Leser in ein widersprüchliches Amerika. Wie Pieke Biermann diesen temperamentvollen Text voller jiddischer Anleihen und Südstaaten-Slang übersetzt hat, ist ein einziger Genuss. « Begründung der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse  2020 zur Preisträgerin Pieke Biermann für ihre Übersetzung von ›Oreo

 

Erstmals auf Deutsch in der Übersetzung von Pieke Biermann, mit einem Schlüssel für Schnellleser, Antikenferne etc., Anmerkungen, Glossar und einem Nachwort von Max Czollek.

ORF-Bestenliste Januar 2020

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.01.2020

Ein ziemlich zähes Luder

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Die Vereinigten Staaten in den 1970er-Jahren: Christine wächst mit ihrem kleinen Bruder Jimmie bei den Großeltern in Philadelphia auf. Sie ist das Kind einer schwarzen Mutter und eines weißen, jüdischen ...

Die Vereinigten Staaten in den 1970er-Jahren: Christine wächst mit ihrem kleinen Bruder Jimmie bei den Großeltern in Philadelphia auf. Sie ist das Kind einer schwarzen Mutter und eines weißen, jüdischen Vaters, der sich allerdings schon früh aus dem Staub gemacht hat. Sie erhält den Spitznamen Oreo nach dem Keks, der außen schwarz und innen weiß ist, und wird zur doppelten Außenseiterin. Doch auch von ihrer Mutter ist nicht viel Unterstützung zu erfahren, denn sie tingelt seit Jahren durch die Lande. Als Christine 16 Jahre alt ist, schickt Helen Clark ihre Tochter allerdings auf eine besondere Reise. Sie soll ihren Erzeuger, Samuel Schwartz, ausfindig machen. Und so begibt sich Oreo auf eine abenteuerliche Unternehmung nach New York…

„Oreo“ ist der erste und einzige Roman der inzwischen verstorbenen Fran Ross, der bereits 1974 erstmals erschienen ist und nun in deutscher Übersetzung vorliegt.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen („Troizen“ und „Mäandern“), die wiederum in insgesamt 15 Kapitel untergliedert sind. Erzählt wird – mit Ausnahme von Rückblenden – in chronologischer Reihenfolge und überwiegend aus der Sicht von Oreo.

Sprachlich ist der Roman sehr besonders. Er ist geprägt von teils recht kreativen Wortneuschöpfungen, Metaphern, ungewöhnlichen Vergleichen und Onomatopoesie. Zudem ist er gespickt mit jiddischen Wörtern. Das macht es nötig, immer wieder zum beigefügten Glossar und den im Anhang ebenfalls befindlichen Erklärungen zu blättern, was den Lesefluss erheblich stört. Darüber hinaus ist negativ anzumerken, dass dort nicht alle Begriffe erläutert werden, was das Verständnis des Textes erschwert. Auch nichtig erscheinende Details und etliche Ausschweifungen machen es anstrengend, den Roman zu lesen. Dennoch ist es eindrucksvoll, wie es der Autorin gelingt, mit der Sprache zu spielen.

Mit Oreo steht eine für ihre Zeit sehr moderne, mutige und unerschrockene Protagonistin im Vordergrund, die sowohl dem Leser Respekt abnötigt als auch immer wieder Sympathiepunkte einfährt. Ihr Einsatz für die sozial schwächeren Mitglieder der Gesellschaft und ihre direkte, freche und unverschämte Art machen sie zu einer reizvollen Figur. Gleichwohl ist zu bedenken, dass keiner der Charaktere im Roman lebensnah dargestellt wird. Der Leser begegnet samt und sonders skurrilen, stark überzeichneten Personen, was wahrscheinlich aber so beabsichtigt ist.

Bei dem Roman handelt es sich um eine Neuerzählung der Thesus-Sage – eine schöne Idee. Anstatt eines antiken Helden haben wir es mit einer jüdischen, schwarzen und weiblichen Protagonistin zu tun. Im Abschnitt „Schlüssel für Schnellleser, Antikenferne etc.“ werden die ursprüngliche Sage kurz zusammengefasst und die Entsprechungen aufgelistet. Weiteren Aufschluss gibt das interessante Nachwort von Max Czollek („Von der Kunst, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen“), das ich mir als Vorwort gewünscht hätte, da ohne diesen Hintergrund der Einstieg in den Roman und das Verständnis der Geschichte schwerfallen.

Der Autorin geht es aber nicht nur darum, eine alte Heldensage wieder ins Gedächtnis zu rufen. Sie will der Gesellschaft mit ihren Vorurteilen, ihrem Antisemitismus, ihrem Rassismus, ihrem Sexismus und ihren Diskriminierungen von Juden, Afroamerikanern und Frauen einen Spiegel vorhalten. Diesen Ansatz finde ich äußerst bemerkenswert, zumal die Thematiken nur wenig an Aktualität eingebüßt haben. Im Roman stecken daher auf nur 260 Seiten viele Referenzen und Denkansätze, von denen mir sicherlich aufgrund des fehlenden historischen Kontextes nicht alle aufgefallen sind. Allerdings wirkt das Buch dadurch auch ziemlich überfrachtet.

Der erste Teil des Romans zieht sich in die Länge. Die Geschichte macht einen unzusammenhängenden Eindruck, die Handlung kommt nicht in Gang. Erst im zweiten Teil, der mir wesentlich besser gefallen hat, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Leider trifft die zumeist absurde Handlung nicht meinen Geschmack und ist nur an wenigen Stellen amüsant. Der beworbene Humor und Witz des Werkes sind bisweilen etwas geschmacklos und vulgär. Die Satire ist meiner Ansicht nach oft einfach nur albern und übertrieben.

Sowohl die reduzierte, aber passende Gestaltung als auch der knackige Titel orientieren sich erfreulicherweise stark an der amerikanischen Ausgabe.

Mein Fazit:
„Oreo“ von Fran Ross ist ein außergewöhnlicher Roman, der mit seiner experimentellen Art heraussticht. Das sprachliche Talent der Autorin und die Komplexität des Werkes sind beeindruckend. Ich musste mich jedoch durch einen Großteil der Lektüre kämpfen, ohne am Ende einen echten Erkenntnisgewinn zu erhalten oder ein Lesevergnügen zu erleben. Deshalb halte ich das Buch nur für eingeschränkt empfehlenswert.