Porträt eines Lebens
Das ist meine kleine Welt,
Sie ist frei und ohne Sorgen,
Denn in meiner kleinen Welt
Freu' ich mich auf jeden Morgen.
(Waterloo & Robinson)
Heiner träumt davon, nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule ...
Das ist meine kleine Welt,
Sie ist frei und ohne Sorgen,
Denn in meiner kleinen Welt
Freu' ich mich auf jeden Morgen.
(Waterloo & Robinson)
Heiner träumt davon, nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule nach Afrika zu reisen, um dort sein Wissen an die Menschen weiterzugeben und ihnen beim Aufbau ihrer Landwirtschaft hilfreich unter die Arme zu greifen. Doch das Schulgeld ist teuer und sein Lohn als einfacher Knecht ist verschwindend gering. Von den Goldenen Zwanzigern merkt Heiner auf dem Land herzlich wenig und so scheint es, dass die Verwirklichung seiner Träume immer mehr in weite Ferne rückt.Um sich zumindest den Traum vom eigenen Hof zu erfüllen, muss Heiner einen hohen Preis zahlen....
Fritz Stiegler erzählt mit leisen Worten die Stationen eines Lebens, das von Kargheit, Entbehrung, Armut und Träumen geprägt ist und in eine längst vergessene Welt entführt, die sich in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts harter bäuerlicher Alltag nennt.
Selten habe ich einen so geradlinigen Menschen erlebt, wie es Heiner ist und der Autor schafft es, diese genügsame Persönlichkeit für den Leser wieder lebendig werden zu lassen und gemeinsam mit ihm die Stationen seines bewegten Lebens mitzuerleben.
Heiners kleine Welt ist im ländlichen Franken fest verankert und das erste Jahr als Knecht ist schwer zu ertragen, denn die Hussnätterin gönnt ihm nicht mal das Schwarze unterm Fingernagel. Zwar hat sie selbst nicht viel auf der hohen Kante, aber Heiner für seinen schwere Arbeit zu entlohnen, liegt ihr fern. Selbst als der Ertrag dank seines Eifers mehr wird, vergällt sie ihm den Erfolg.
Für die Leser:innen wird mit dem Wechsel der Jahreszeiten die Arbeit und das Leben auf dem Hof zugänglich gemacht und durch den sehr bildlichen Schreibstil des Autors hat man das Gefühl, es könne man einen Blick durch das halb blinde Stall- oder zugige Stubenfenster werfen, um ein Teil dieser Szenerie zu werden.
Obwohl unaufgeregt und manchmal schon mit stoischer Gelassenheit erzählt, fesselt der Lebensweg von Heiner die Leser:innen an die Seiten, denn im Verlauf der Jahrzehnte spiegelt sich die Zeitgeschichte des letzten Jahrhundterts wieder. Der politische Wandel macht auch vor der Landbevölkerung nicht halt und hier wird deutlich, wie einfach es gewesen sich, sich der Verantwortung zu entziehen, in dem man einfach wegschaut. Denn was nicht sein darf, kann nicht sein, wenn man es einfach ignoriert.
Dabei wird der Bogen zum aktuellen Zeitgeschehen gespannt und Stiegler braucht nicht einmal mahnend den Zeigefinger zu heben- seine Botschaft kommt ohne große Worte und Gesten aus und erreicht die Leser:innen klar und unmissverständlich.
Für mich einer der schönsten Momente im Buch - das WM-Finale 1954. Die Beschreibung der jubelnden Menschen vor dem Fernseher und Heiners kleiner, ganz persönlicher Glücksmoment lassen mir das Herz aufgehen.
Mit fortschreitendem Alter muss Heiner erkennen, dass er einen hohen Preis für sein Lebensglück bezahlt hat. Seine mehr als gottesfürchtige Ehefrau macht ihm das Leben an ihrer Seite nicht gerade leicht, aber Heiner erfreut sich täglich an seinen Tieren und seiner Arbeit auf dem Hof.
Bis zum Lebensabend dürfen die Leser:innen hier an Heiners Seite sein und ihm in die Seele schauen, seine Gefühle und Gedanken kennenlernen. Ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Lebensgeschichte eine wundervolle Botschaft enthält - das Glück liegt oft in den kleinen Dingen des Lebens.
Ein wundervoller Roman mit vielen berührenden Momenten und ab und zu einem kleinen Augenzwinkern.
Absolute Leseempfehlung für diese kleine Kostbarkeit