Ibiza. Wenn die Träume laufen lernen
Die schottische Schriftstellerin Caroline Montrose öffnet an einem Frühlingstag im Jahr 2018 einen alten verstaubten Karton und beginnt eine gedankliche Zeitreise in die Achtzigerjahre. Damals lebt sie ...
Die schottische Schriftstellerin Caroline Montrose öffnet an einem Frühlingstag im Jahr 2018 einen alten verstaubten Karton und beginnt eine gedankliche Zeitreise in die Achtzigerjahre. Damals lebt sie endlich ihren Traum, nachdem sie erst ihr auf Drängen des Vaters begonnenes Studium und danach den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hat. Als Animateurin baut sich Cara, wie sie genannt wird, zunächst auf Teneriffa, später auf Ibiza ihr Leben und immer mehr Selbstbewusstsein auf und genießt die Mischung aus Freiheit, Zufriedenheit und Glück. Dabei hilft die Clubgemeinschaft, die ihr die Familie ersetzt und ihr neben Schutz und Freundschaft auch Unterstützung und Rat bietet, die immer für sie da ist, wenn sie gebraucht wird. Vor allem mit dem Animateur Carlos verbindet die junge Frau eine innige Freundschaft¿
Gabriele Ketterl kann schreiben, macht es aber dem Leser nicht leicht, ihrem Gedankengefüge zu folgen. Denn der Verlauf von "Ibiza. Wenn die Träume laufen lernen" entspricht sogar nicht der Erwartungshaltung und enttäuscht insbesondere hinsichtlich des Endes, weil sich das Gefühl aufdrängt, dass die eigentliche Geschichte erst beginnt. Das liegt ein wenig auch daran, dass die Autorin zunächst oft die Zeitebenen wechselt, ohne dass sich der Sinn dafür erklärt. Es sei jedoch erwähnt, dass sich die diesbezügliche Verwirrung wegen der vorhandenen Kennzeichnung in Grenzen hält. Die eigentlichen Ereignisse finden dann im Jahr 1988 statt, und damit ist letztlich ein Ankommen im Geschehen möglich.
Die Geschichte lebt primär von der Interaktion der Beteiligten, die als Clubanimateure eine enge, füreinander eintretende Gemeinschaft bilden. Der Autorin gelingt es gut, die in einem Ferienclub herrschende Atmosphäre zu vermitteln, allerdings liegen hierin gleichzeitig die Schwächen. Insgesamt nehmen nämlich jene Aktionen sehr viel Raum ein und werden ausführlich und wiederholend beschrieben, was zu gewissen Längen in der Handlung führt und die Geduld des Lesers ausreizt. Es entsteht der Eindruck, dass nichts wesentlich Wichtiges passiert. Leider werden Probleme, wie die eines kleinen englischen Mädchens, die durchaus die Chance, für etwas mehr Aufregung zu sorgen, gehabt hätten, zwar angerissen und wieder aufgegriffen, indes relativ zügig abgeschlossen. So können schwache Emotionen aufgebaut werden oder versinken in der Bedeutungslosigkeit. Hingegen bekommt der Fall einer durch Lüge zerstörten Liebe mehr Raum, ist wahrlich nichts Neues, sondern klischeehaft und überzeugt nicht.
Bei allem Verständnis für die teilweise wahre Geschichte, die die Autorin darstellt, hätte ihr schriftstellerische Freiheit in der Auswahl der Erlebnisse mehr Esprit gegeben.
Die Beziehung von Cara und Carlos ist in den Mittelpunkt gerückt. Deren Kern erschließt sich aber nicht völlig, weil die beiden eher wie ein Liebespaar wirken.
Dadurch, dass Cara aus der Ich-Position heraus erzählt, kann ein ansprechendes und akzeptables Bild ihrer Überlegungen und Ansichten vermittelt und somit ihre Entwicklung nachvollzogen werden.
Carlos ist ein Casanova allererster Güte. Während er sich als selbstverliebten, egozentrischen Weiberheld betrachtet, der es einfach nicht lassen kann, zu beweisen, dass er jede Frau haben kann, die er will, sieht Cara in ihm einen gut aussehenden, sicherlich von sich selbst überzeugten Mann, der einfühlsam, liebevoll, geduldig und tief in seinem Herzen schrecklich einsam ist. Trotz dieser äußerlichen (und geringfügig inneren) Beschreibung verharrt er ohne die Schilderung seines Hintergrundes in einer seltsamen Farblosigkeit, zumal für seine von Cara betonte innere Zerrissenheit eine Begründung fehlt. Schade, so bleibt zu vermuten, dass in Carlos mehr steckt, als zum Vorschein kommt und die Hoffnung, dass er im Folgeband nicht nur als der Fels in der Brandung eine Randfigur ist...