Wer die Fernsehserie mag, wird die Comics lieben
Dieser Sammelband enthält die Kapitel #1-9 der Vertigo-Originalserie: Im Himmel ist Genesis entkommen, ein Kind das ein Engel mit einem Dämon gezeugt hat und daher Gut und Böse in sich vereint und über ...
Dieser Sammelband enthält die Kapitel #1-9 der Vertigo-Originalserie: Im Himmel ist Genesis entkommen, ein Kind das ein Engel mit einem Dämon gezeugt hat und daher Gut und Böse in sich vereint und über ungeahnte Kräfte verfügt. Im Angesicht dieses neuen Konzepts hat sich Gott kurzerhand verabschiedet, während Genesis sich während einer Messe mit der Seele des texanischen Predigers Jesse Custer vereinigt, dabei die versammelte Gemeinde tötet und Jesse erstaunliche Fähigkeiten verleiht. Daraufhin macht sich der Preacher zusammen mit seiner Ex-Freundin Tulip, einer Auftragsmörderin, und dem irischen Vampir Cassidy auf die Suche nach Gott, um ihn zur Rede zu stellen.
Dies ist die Grundprämisse für eine wilde 66-teilige Serie (plus 5 einteilige Specials und einem 4-teiligen Spin off), welche Elemente aus Western, Roadmovie, Urban Fantasy, Gangsterkrimi, Splatter und Satire in bester Quentin-Tarantino-Tradition à la "From Dusk Till Dawn" in sich vereint. Brutale und perverse Rednecks spielen darin genauso eine Rolle wie gefallene Engel, der Saint of Killers, ein unglücklicher Junge mit dem Spitznamen Arseface, ein Serienmörder und diverse Gangster. Die dargestellte Gewalt ist teilweise so plakativ, dass sie selbst die Macher der "Saw"-Filme schockieren dürfte, und die lästernde Sprache Nils Ruf die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Die skurrilen Gestalten und Geschichten, die dem (Anti-)Helden auf seinem Weg begegnen und widerfahren sind höchst unterhaltsam und haben durchaus Tiefgang. Denn bei aller Brutalität, Sex und Gotteslästerung ist die Serie zutiefst moralisch. Sind doch Jesse Custer und seine Gefährten immer wieder aufs Neue überrascht, erzürnt und angewidert über die Tatsache, wie tief Menschen sinken können. Fast alles, was Jesse unternimmt, ist nobel und motiviert durch Gefühle wie Liebe, Freundschaft und Selbstlosigkeit. Das macht ihn zu einer zutiefst romantischen Figur. Und die physische Suche nach Gott ist auch eine spirituelle: Jesse packt die Wut über das erkannte Wesen Gottes und sieht letztlich in ihm einen eitlen Heuchler, der die Welt und die Menschen nur erschaffen hat, um sie leiden zu lassen, und trotzdem erwartet, dass sie seinen Namen preisen, ohne auch nur einen Finger zu rühren, um ihnen zu helfen. Darin stecken zynische Gesellschaftsanalyse und harsche Religionskritik.
Auch grafisch kann ich nichts aussetzen. Die Erzählung hat fast filmischen Charakter und verzichtet weitgehend auf erzählende Kästchen, sondern setzt vor allem auf Dialoge. Die düsteren Ideen des Autors werden zeichnerisch angemessen realistisch umgesetzt. Die Farben sind eher gedeckt. Die Hauptfiguren haben einen hohen Wiedererkennungscharakter: Jesse wirkt wie James Morrison in einer Sutane. Dadurch, dass ein einziger Zeichner die Serie realisiert hat, wurde das Konzept konsequent fortgeführt.
Die komplette Serie wird in den neun Bänden gesammelt, von denen dies der erste ist. Einer der besten Erwachsenen-Comics, die ich kenne.