Ein kaum beachtetes dunkles Kapitel in der amerikanischen Geschichte
Diese Graphic Novel beschäftigt sich mit einem dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte, das leider immer noch viel zu wenig bekannt bez. aufgearbeitet wurde: die Internierung japanischstämmiger Amerikaner ...
Diese Graphic Novel beschäftigt sich mit einem dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte, das leider immer noch viel zu wenig bekannt bez. aufgearbeitet wurde: die Internierung japanischstämmiger Amerikaner während des Zweiten Weltkrieges. Ich hatte mich mit diesem Thema in der Vergangenheit schon maFolge mir ;)
Diese und andere Rezensionen (mit zusätzlichem Coververgleich Deutsch/Original) findet ihr auch auf meinem Blog Miss PageTurner grob auseinandergesetzt, aber dies ist meine erste literarische Adaption davon, daher war ich sehr gespannt auf die Umsetzung.
They Called Us Enemys
Am 19. Februar 1942, zwei Monate nach Pearl Harbor, unterzeichnete Präsident Roosevelt die Executive Order 9066. Diese erklärte große Teile der Pazifik-Anrainerstaaten wie z.B. Kalifornien zum Sperrgebiet. Alle Bewohner Kaliforniens, des westlichen Oregons und Washingtons sowie eines kleinen Streifens im Süden Arizonas und Alaskas mit japanischen Vorfahren wurden durch die War Relocation Authority in Internierungslager, genannt War Relocation Centers östlich der Pazifik-Region eingewiesen, wo sie bis zum Kriegsende bewacht von bewaffneten Soldaten in umzäunten Baracken leben mussten. 62 Prozent von ihnen waren offizielle Bürger/innen der Vereinigten Staaten, doch das nütze ihnen nichts. Schätzungsweise 110.000 Männer, Frauen und Kinder verbrachten die Kriegsjahre hinter Stacheldraht, einzig und allein aus dem Grund, dass sie dieselbe Ethnie hatten, wie der Feind.
Autor George Takei, bekannt als Aktivist für demokratische Werte und die Rechte von Homosexuellen und als Schauspieler in der Rolle des Hikaru Sulu aus Star Trek, schildert in dieser Graphic Novel autobiografisch, wie er als Kind diese Internierung erlebt hat. Zusammen mit seinen Eltern, seinem kleinen Bruder und seiner Schwester im Säuglingsalter wurde der vierjährige George zunächst nach Sanita Anita gebracht, wo die Familie in Pferdeställen untergebracht wurden. Eine Pferdebox pro Familie, egal wie viele Mitglieder. Später kamen sie ins Camp Rohwer und danach ins berüchtigte Tule Lake Lager.
Kindheit hinter Stacheldraht
In der Graphic Novel verarbeitet der Autor vor allem seine kindlichen Eindrücke aus dieser Zeit. Zwar streut er zum besseren Verständnis hin und wieder historischen Kontext ein, trotzdem bleibt es vor allem ein Bericht der Kindheitserinnerungen. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Der Vorteil liegt in der Zugänglichkeit des Geschilderten. Die Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Erniedrigungen werden deutlich und wühlen den/die Leser/in auf, dabei geht der Autor aber weder optisch, noch erzählerisch zu sehr ins Detail, sodass diese Graphic Novel auch für jüngere Leser/innen geeignet ist, wenngleich bei Kindern aufgrund von Verständnisfragen es lieber mit Erwachsenen zusammen gelesen werden sollte.
Sehr schön fand ich, dass zwar die Ungerechtigkeit des Ganzen allgegenwärtig ist, der Autor aber trotzdem auch schöne Kindheitserinnerungen mit uns teilt. Denn man muss im Hinterkopf behalten, Takei war vier, als er ins erste Lager kam und Kinderaugen sehen nun mal vieles anders. Was aus unserer erwachsenen Perspektive eine schreiende Ungerechtigkeit ist, war für den kleinen George oft ein Abenteuer. Die Dimension dahinter verstand er erst viel später, wie er in dem Comic als Erzähler aus dem Off selbst zugibt und sich so dem verfälschenden Charakter von Kindheitserinnerungen bewusst ist.
Doch gerade dadurch gibt es in diesem Comic auch einige recht lichte Momente in all der Trübnis, was in meinen Augen ein weiterer Grund ist, warum diese Graphic Novel sehr gut für Jugendliche bez. ältere Kinder geeignet ist und die für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 mehr als verdient hat.
Lang lebe Amerika
Nun sprach ich gerade eben ja auch von einem Nachteil dieser Erzählweise, wobei es eigentlich auch nichts wirklich Schlechtes ist, es kommt eben drauf an, mit welcher Erwartung man an diesen Comic geht. Als Einstieg in die Thematik ist er super, möchte man das Thema vertiefen, eignen sich vielleicht andere Bearbeitungen mehr, den Takei schildert zwar das Unrecht und geht zum Ende hin auch auf einige grundsätzliche Hinterfragungen ein, allzu sehr in die Tiefe geht er aber nicht, vor allem wenn es darum geht welche Traumata diese 4 Jahre Haft für viele bedeuteten. Das ist natürlich verständlich, da Takei ja selbst noch ein Kind war und der Comic seine Erfahrung schildert, aber es sei eben mal kurz genannt, damit jene, denen es vor allem um die Aufarbeitung des Themas geht, nicht grundlos enttäuscht sind.
Was mir zum Ende hin missfallen hat, war die immer stärker werdende amerikanisch-patriotische Note. Ich freue mich, dass George Takei seinen Frieden mit seiner Vergangenheit gefunden hat und nun wieder gerne in den USA lebt, trotzdem finde ich, dass die Art, wie hier die Aufarbeitung geschildert wird, nicht dem Unrecht das begangen wurde gerecht wird. Das ist meine ganz persönliche Meinung. Als Nichtbetroffene maß ich mir nicht an, zu sagen, dass die Art wie Takei sein Erlebtes ausklingen lässt falsch wäre, es gefällt nur eben mir persönlich nicht und da Rezensionen nun mal subjektiv sind, ziehe ich dafür einen Punkt ab.
Loben hingegen möchte ich zum Ende hingegen, wie der Autor Bezug auf aktuelle Ereignisse nimmt und Parallelen zur heutigen Einwanderungspolitik der USA, die sich vor allem gegen Mexikaner/innen und Muslime richtet, zieht und dabei auch namentlich Trump erwähnt und dessen Einwanderungs-Stopp und Behandlung der Menschen an der mexikanischen Grenze heftig kritisiert.
Fazit:
Diese Graphic Novel eignet sich hervorragend für den Einstieg in die Thematik der Internierung japanischstämmiger Amerikaner während des Zweiten Weltkrieges und ist auch sehr gut für ein jüngeres Publikum geeignet. Einen leicht faden Nachgeschmack hat lediglich der für mich zu starke Patriotismus am Ende.