Unterwegs in den letzten Buchenurwäldern Europas
Ein bißchen Wandertagebuch, vor allem aber Naturschutzappell und Bestandsaufnahme - das können die Leser*innen von Gerald Klamers "Durchs wilde Herz der Karpaten" erwarten. Klamer ist studierter Forstwissenschaftler, ...
Ein bißchen Wandertagebuch, vor allem aber Naturschutzappell und Bestandsaufnahme - das können die Leser*innen von Gerald Klamers "Durchs wilde Herz der Karpaten" erwarten. Klamer ist studierter Forstwissenschaftler, aber auch stark im Naturschutz engagiert - das merkt man beim Lesen des Buches. Einmal daran, dass doch so manches mal Försterlatein im Text auftaucht, wobei der Autor sich bemüht, die Begriffe laienfreundlich zu erklären. Zum anderen ist die Leidenschaft Klamers für den Erhalt beziehungsweise die Wiederanlegung von Naturwäldern spürbar.
Der Autor kritisiert die Zerstörung der natürlichen Wildnissysteme, von denen in Deutschland und Europa kaum noch was zu sehen ist. Wirtschaftswälder sind fast überall an die Stelle der alten natürlichen Wälder getreten, was dort wächst, hat mehr mit den Bedürfnissen der Holzindustrie zu tun. Inzwischen wissen wir beim Blick auf die heimischen Wälder - Gerade angesichts des Klimawandels wurde den Wäldern und der Natur kein guter Dienst getan. Ich habe da beispielsweise die durch Stürme und Borkenkäfer entstandenen Kahlflächen im Taunus vor Augen, andere sicher die Waldgebiete vor der eigenen Haustür.
Klamer reist in die Slowakei, nach Polen, nach Rumänien, um die letzten Buchenurwälder Europas zu durchwandern. Die Ukraine wollte er wegen des Krieges lieber nicht besuchen. Auf seinen Wandertouren durch Nationalparks trifft er Naturschützer und Aktivisten, private Investoren, die einen naturnahen Tourismus aufbauen wollen und Dorfbewohner, die über die Veränderungen ihrer Umwelt berichten. Von Winterwanderungen im Schnee bis zum Frühsommer beobachtet er auf seinen Wanderungen die Natur, die Pflanzen und Tiere und schlägt meist sein Zelt irgendwo im Wald auf. Da bekommt man beim Lesen Lust auf Wildnis.
Gelegentlich kann der Autor einen leicht missionarischen Ton nicht vermeiden, und seine Weltsicht ist ein bißchen schwarz-weiß: gute Naturschützer, böse Holzindustrie. Die Frage nach Arbeitsplätzen und möglichen wirtschaftlichen Alternativen in einer armen und strukturschwachen Region bleibt ausgeklammert. Auch der Zeithorizont für Veränderungen bleibt unklar - ein Wald braucht schließlich Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um sich zu entwickeln. Faszinierend sind die Wander- und Naturbeschreibungen allemal.