Cover-Bild Nichtwissen ist tödlich
24,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Econ
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Politik und Staat
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 11.11.2024
  • ISBN: 9783430211260
Gerhard Conrad

Nichtwissen ist tödlich

Der Nahe Osten und die Rolle der Geheimdienste | Sicherheitspolitik, Nachrichtendienste, Expertise und der Faktor Mensch

Der Mann, der mit Hamas und Hisbollah verhandelt hat

Der Nahost-Konflikt hat erneut tiefe Gräben aufgerissen und drängende Fragen aufgeworfen. Wie konnte passieren, was am 7. Oktober in Israel geschah? Wie haben die Geheimdienste die nahende Katastrophe nicht erkennen können, auf welchen Ebenen sind sie oder auch Entscheidungsträger gescheitert?  Wie kommt es, dass Nachrichtendinste in ihrer Kernaufgabe »Speaking truth to power« immer wieder scheitern?

Es ist schwieriger denn je, in Zeiten von Fake News und hybrider Kriegsführung belastbare Informationen zu beschaffen, sie zu einem Lagebild zu integrieren, dieses zu beurteilen und verwertbare  Hinweise zur weiteren Entwicklung zu geben. Das weiß kaum jemand besser als Dr. Gerhard Conrad. Der Islamwissenschaftler, der auch Chef des Leitungsstabes des BND sowie bis zu seiner Pensionierung Leiter des Intelligence Analysis Center (EU INTCEN) in Brüssel war, hat in diesen Funktionen vielfältige Einblicke gewonnen. Und er hat zuvor auch, unter anderem im persönlichen Auftrag von zwei UN-Generalsekretären, in humanitären Angelegenheiten diskret »face to face« zwischen Hamas, Hisbollah, Israel, Ägypten, Qatar, Türkei und Iran vermittelt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.11.2024

Information warfare und Versagen der Sicherheitsdienste

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Der Titel des Buches "Nichtwissen ist tödlich" nimmt die bittere Erfahrung Israels am 7. Oktober 2023 vorweg: Das Land wurde trotz seiner angeblich besten Sicherheitsdienste der Welt vom Terrorangriff ...

Der Titel des Buches "Nichtwissen ist tödlich" nimmt die bittere Erfahrung Israels am 7. Oktober 2023 vorweg: Das Land wurde trotz seiner angeblich besten Sicherheitsdienste der Welt vom Terrorangriff der Hamas kalt überrascht. Den Preis zahlten die Toten der Massaker und die mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln und ihre Angehörigen und Freunde. Hätte der Angriff und damit auch der folgende Krieg mit seinem Leid für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und mittlerweile auch im Libanon vermieden werden können?

Inzwischen ist bekannt, wie akribisch sich die Hamas-Kämpfer vorbereitet haben, aber auch, dass Berichte und Analysen der Beobachterinnen nicht weitergeleitet und ausreichend ernst genommen wurden. Ganz abgesehen von den Fehlern der Regierung Netanjahu, die lieber Truppen zum Schutz der - oft militanten und nationalistisch-extremen - Siedler im Westjordanland abstellte, statt die Kibbutzniks im Süden Israels zu schützen.

Insofern berichtet auch Ex-Nachrichtendienstler Gerhard Conrad in seinem neuen Buch nichts Überraschendes und Neues über die Informationslücken und das Versagen der Sicherheitsdienste am und vor dem 7. Oktober. Hinzu kommt, dass Conrad Nachrichtendienstler im Ruhestand ist. In aktiven Zeiten hat er zwar mit Hizbollah und Hamas verrhandelt, doch seit fünf Jahren ist er Pensionär. In den Lagebesprechungen ist er vermutlich schon lange nicht mehr dabei.

Interessant ist sei Buch dennoch. Conrad ist Islamwissenschaftler und geht ausführlich auf historische Hinteregründe, Geschichte und Ideologie der Hamas, aber auch auf islamistische Bewegungen sowohl in der Region als auch in Europa und Deutschland ein. Was er zu "information warfare", zu Manipulationen und fake news schreibt, gilt nicht nur für die innergesellschaftlichen Diskussionen über den Nahostkonflikt, sondern auch über Russland und Ukraine-Krieg.

Auch das Problem der Verifizierung von Fakten und Angaben etwa über Opferzahlen beschreibt Conrad, wobei seine Medienschelte teilweise ungerecht ist. In Breaking News Situationen können Journalisten nun einmal nicht tage- oder wochenlang auf Datenauswertungen warten wie ein BND-Abteilungsleiter. Da muss dann die etwa vom Hamas veröffentlichte Zahl herhalten mit dem Hinweis, dass die Zahlen nicht unabhängig überprüft werden konnten.

"Nichtwissen ist tödlich" bietet zwar keine grundlegend neuen Erkenntnisse über die Vorgeschichte des 7. Oktober und die Entwicklung seit Beginn des Gaza-Kriegs, ist aber gerade wegen des Hintergrunds zu verschiedenen Protagonisten wie dem mittlerweile getöteten Yahya Sinwar und dem historisch-religionsgeschichtlichen Kontext ein interessantes Buch für alle, die über das tagesaktuelle Geschehen hinaus mehr über den Nahostkonflikt wissen wollen.