Frau ohne Erinnerung
Mit seinem Detective John Cardinal in der kanadischen Algonquin Bay hat Giles Blunt einen interessanten Protagonisten geschaffen: Ein Kleinstadtpolizist in der kanadischen Provinz, der sich mit vergangener ...
Mit seinem Detective John Cardinal in der kanadischen Algonquin Bay hat Giles Blunt einen interessanten Protagonisten geschaffen: Ein Kleinstadtpolizist in der kanadischen Provinz, der sich mit vergangener Schuld und der Sorge um seine bipolare Frau herumschlägt. Da kann das Privatleben schon mal gewaltig von der Arbeit ablenken. Spielte der letzte Fall von Cardinal und seiner frankokanadischen Kollegin Lise Delorme im eisigen Winter, ist nun Frühling an der Algonquin Bay - mit dazugehöriger Mückenplage. Wie schon in den vorangegangenen Bänden sorgt Blunt mit Landschafts- und Naturbeschreibungen dafür, dass auch die ferne Szenerie an den Großen Seen ihre Rolle im Buch spielt.
Cardinal und Delorme haben in "Kanadische Jagd" mit einem Verbrechensopfer zu tun, das zwar lebt, aber als Augenzeugin vorerst nicht zu gebrauchen ist: Die junge Frau, die mit einer Kugel im Kopf gefunden wurde, hat keine Erinnerung daran, wer sie ist und warum jemand sie umbringen wollte. Als obendrein eine Leiche auftaucht, ist diese in einem ausgesprochen üblen Zustand. Sadistischer Täter oder Ritualmord? Und wer ist der selbsternannte Schamane, der den Menschen in Algonquin Bay einerseits Karten legt, um das Schicksal zu erkunden, sich aber auch in den Drogenhandel einmischt und einen Konflikt mit der örtlichen Motorradgang heraufbeschwört?
Lange tappen Cardinal und Delorme im Dunkeln, denn auch als ihr Schützling das Gedächtnis allmählich zurückerlangt, verrät die junge Frau nicht alle ihre Geheimnisse. Schnell zeigt sich, dass blutsaugende Mücken nicht das einzige Problem dieses Frühjahrs sind - und obendrein scheint Cardinals Frau auf den nächsten manisch-depressiven Schub zuzusteuern, ausgerechnet auf einer Exkursion mit ihren Studenten in Toronto...
Blunt überzeugt mit einem sympathischen und menschlich glaubwürdigen Protagonisten, gerade weil der kein perfekter Mensch ist. Auch die übrigen Mitarbeiter seines Teams sind realistisch gezeichnet. Der Autor verrät den Leser*innen etwas mehr, als er zunächst seinen Ermittlern zugesteht, was die Spannung keineswegs trübt.