Roadmovie im Mittelalter
„...Da ist nur noch die Stille, diese unglaubliche Stille. Kein Mensch, kein Vieh, selbst die Schwalben am Himmel ohne Schrei. [...] Ein kleiner versprengter Haufen hatte Blumenstein niedergemacht. Alles ...
„...Da ist nur noch die Stille, diese unglaubliche Stille. Kein Mensch, kein Vieh, selbst die Schwalben am Himmel ohne Schrei. [...] Ein kleiner versprengter Haufen hatte Blumenstein niedergemacht. Alles war tot. Alles und alle...“
Mit diesen Worten beginnt ein spannender historischer Roman. Wir befinden uns im Dreißigjährigen Krieg. Nur einer hat das Gemetzel im Dorf überlebt: der Ziegenhirte Jost Bicker.
Ziegen gibt es auch nicht mehr. Jost will weg. Also macht er sich auf den Weg ins Ungewisse.
Der Autor lässt mich Josts Leben bis zu seinem Ende begleiten. Er führt mich durch durch fast ganz Europa, bis Jost wieder in seine Heimat zurückkehrt. Doch was ihn ein Leben lang nicht loslassen wird, sind die Ereignisse kurz nach seinem Aufbruch.
Der Schriftstil des Buches hat mich begeistert. Er ist abwechslungsreich und passt sich gekonnt den Gegebenheiten an. Gleichzeitig gibt es viele Stellen, die kurz, prägnant, mit treffenden Worten ein besondere Situation schildern. Dazu gehört übrigens auch das Eingangszitat.
Auf seinem Weg trifft Jost Stina. Als sich der Söldner Rik van Straten an ihr vergehen will, schlägt Jost ihn nieder. Bis zu seinem Tod zeigt sich ihm der Söldner in seinen Alpträumen.
Außerdem begegnet Jost zwei Männern, die nach Mineralien suchen. Mit ihnen reisen er und die als Junge verkleidet Stina nach Venedig.
Jost, der bisher nur sein Dorf kennt, lernt die Welt und ihre Gefahren kennen. Eine Alpenüberquerung ist kein Kinderspiel. Außerdem muss immer wieder mit Wegelagerern gerechnet werden. Der Autor malt ein spannendes Bild dieser Reise. Verletzungen und Krankheit sind an der Tagesordnung.
„...Der kalte Arm des Todes trifft sein Herz, lässt sein Blut gefrieren, hält ihn einen Augenblick über der schwarzen Tiefe und Jost schwinden wieder die Sinne...“
Das Zitat ist ein Beispiel dafür, wie gekonnt der Autor mit Worten spielen kann und wie geschickt er Metapher einsetzt.
Über Innsbruck und Bozen wird endlich Venedig erreicht. Die Geschichte der Stadt wird thematisiert. Ich darf Jost bei einer Führung durch Venedig begleiten und einen Blick auf den historischen Karneval werfen.
Seine Reisebegleiter bringen Jost auf der Glasmacherinsel Murano unter. Das bedeutet auch die Trennung von Stina. In den nächsten Jahren erlebt er dort ein Auf und Ab. Dann aber wechselt der Besitzer der Glashütte. Jost entscheidet sich, nach Paris zu gehen. Das Vorhaben ist lebensgefährlich. Auf den Verrat des Glasgeheimnisses und die Flucht von der Insel steht der Tod. Deshalb wird auch Paris nur eine kurze Episode. Es geht weiter gen Norden und zurück in die Heimat.
Es sind viele kleine Episoden, die dem Buch etwas Besonders geben.
„...Und es heißt wirklich Fußball?“ hakt Sabato nach. „Ein Turnier mit verschiedenen Mannschaften dauert oft bis zum Einbruch der Dunkelheit. […] Der Ball ist aus weißem Leder und mit Luft gefüllt. Ich denke mal, das Spiel wird sich nicht durchsetzen.“...“
Das Buch ist wie ein farbige Gemälde der Zeitverhältnisse im und nach dem Dreißigjährigen Krieg. Den Zerstörungen in Mitteleuropa stehen der Reichtum Venedigs und der Beginn des Absolutismus in Frankreich gegenüber.
Ergänzt wird die Geschichte durch einen Auszug aus Georgius Agricolas Buch über die Glasherstellung.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.