Sehr sensibel und eindringlich!
Endlich Sommerferien denken die norwegischen Schüler, die Norweger mit Hütten im Wald, am See oder den Schären! Nicht so für den 15 jährigen Mahmoud, dessen Vater aus Pakistan floh, um in Norwegen ein ...
Endlich Sommerferien denken die norwegischen Schüler, die Norweger mit Hütten im Wald, am See oder den Schären! Nicht so für den 15 jährigen Mahmoud, dessen Vater aus Pakistan floh, um in Norwegen ein besseres Leben zu finden. Zum Missfallen seiner Familie in Pakistan hat er dann dort auch noch ein Pakistani aus einer niederen Kaste geheiratet, aus Liebe! Und, was hat es gebracht? Erst mal nix, und nach langem Warten nur 2 Söhne, Mahmoud und seinen kleinen 10 jährigen Bruder Ali, der ein großer Fan von Disney Prinzessinnen ist. Mahmoud hat ja oft das Gefühl, seine Eltern hätten ihn nur bekommen, um ihn aus dem 11 Stock des Plattenbaus nach unten in den Supermarkt zum Einkaufen zu schicken: Chili, Weißbrot, Sprite, Zwiebeln, Knoblauch... kein Wunder dass sein Vater Verdauungsprobleme hat! Und nun kommt über den Sommer auch noch Papas Bruder Ji aus Pakistan für 2 Monate zu Besuch, dann darf er noch mehr einkaufen und hat noch weniger Zeit mit seinem einäugigen somalischen Kumpel vor den Plattenbauten abzuhängen und über das Leben zu philosophieren. Onkel Ji mit seinem Prachtschnäuzer ist ein ganzer Kerl und erwartet das auch von seinen Neffen. Doch als sie gemeinsam eine Tour durch Oslo machen, kommen Ji und Ali ins Staunen, so viel Glitzer beim Christopher Street Day und jeder darf so sein wie er will! Dass öffnet ihnen die Augen und es gibt kein Zurück mehr!
Mahmoud und Ali wachsen sehr pakistanisch tradiert im ultraliberalen Norwegen auf. Seinem Vater ist das nicht ganz geheuer. Es geht um Disziplin, Gehorsam, Respekt gegenüber den Eltern und darum ein echter Kerl zu sein, der mal ein richtiger Mann wird. Daher wird mit Maschinenpistolen gespielt, der Mutter die Einkäufe vom Supermarkt geholt und die Treppen hochgeschleppt und wenn es mal nicht rund läuft, setzt es ein Paar mit den mütterlichen Schlappen, die zu diesem Zweck überall in der Wohnung verteilt sind. Abends darf Mahmoud dann noch seinen erschöpften Vater massieren. Diese Lebensweise sollte auch nicht in Frage gestellt werden und Zeit zum Nachdenken oder sich selbst finden ist Quatsch! Wer braucht denn so was!? Mit der Ankunft von Vaters älterem Bruder werden dann noch mal ganz andere Saiten aufgezogen und es scheint noch strenger zu werden. Diese neue fremde, liberale Welt lässt den Onkel nicht kalt, er staunt, wie im Wunderland und er will einfach nur noch bleiben, in diesem Land der Toleranz und Freiheit. Doch nicht nur bei Ji löst das bunte Treiben etwas aus, Ali traut sich nach Mahmouds Erklärungen endlich seiner Familie zu erzählen, was ihn schon lange bedrückt: er liebt die Disney Prinzessinnen nicht, weil er in sie verliebt ist und sie Beschützerinstinkte in ihm wecken, er wäre selbst gerne so eine schöne Prinzessin. Die ganze Familie wird in ihren Grundfesten erschüttert, alles was bisher als Gott gegeben schien, wird nun in Frage gestellt, nur nicht von Mahmoud, denn seine Bruderliebe ist unerschütterlich. Was gibt es da also schon groß zu überlegen? Die Reaktionen seiner Eltern und der Nachbarn, ist dann aber noch eine andere Nummer...
Sehr einfühlsam wir hier die Geschichte einer pakistanischen Auswandererfamilie mit allem, was dazu gehört, aus Sicht des 15 jährigen Mahmoud erzählt. Von der Freiheit der norwegischen (deutschen, niederländischen, französischen....) Teenagern kann er nur träumen und das liegt nicht nur am Geld. Dennoch liebt er seine Familie, trotz aller Schlappenschläge und der hohen Erwartungen, die auf ihm ruhen. Wenn man seine jungendliche Ghettosprache jedoch hört -vortrefflich getroffen von Hartmud El Kurdi - kann man sich noch nicht so recht vorstellen, dass er mal eines Tages studieren wird... Doch die Offenbarung und das Vertrauen von Ali spornen ihn richtig an und er ist bereit Ali gegen die ganze Welt zu verteidigen. So viel Sensibilität traut man dem sonst so den harten Typen markierenden Mahmoud gar nich zu, daher wirkt Harmut El Kurdis sonst so jugendlich-lockere Erzählweise umso eindrücklicher und lässt einen spüren, wie sehr ihm Alis Schicksal am Herzen liegt. Für ihn will er den Spagat zwischen den Kulturen erst recht schaffen!
Sehr sensibel und eindinglich, aber auch witzig und traurig für Ohren ab 14 Jahren.