Kein anderes Buch, hat jemals diese Reaktion in mir hervorrufen können, wie Hannah Harrington’s „Speechless“.
Chelsea liebt Klatsch und Tratsch, sie kann eigentlich kein Geheimnis für sich behalten. Und so ist es auch kaum verwunderlich, dass sie auf einer Party, nachdem sie unfreiwillig Zeuge einer intimen Situation zwischen zwei ihrer Mitschüler geworden ist, diese outet. Die Folgen könnten kaum schrecklicher sein, denn Noah wird zusammengeschlagen und fällt ins Koma. Chelsea, die ihr Herz am richtigen Fleck hat, wird von Gewissensgebissen geplagt, hat jedoch versprochen, nicht zu sagen, dass welcher ihrer Mitschüler als Täter in Frage kommt. Kaum packt Chelsea vor der Polizei aus, ist sie in der Schule bei allen durch und fällt in der imaginären Beliebtheitsliste wohl in den Minusbereich. Täglich muss sie sich mit den oftmals nicht nur verletzenden, sondern bösartigen Mobbing ihrer Mitschüler auseinandersetzen, kann sich aber nicht groß wehren, weil sie sich geschworen hat, niemals wieder in eine Situation zu kommen, in der sie besser den Mund gehalten hätte. Chelsea hat ein Schweigegelübde abgelegt, sie schweigt dreißig Tage, vor allem um sich selbst zu bestrafen für das, was sie Noah und dessen Freund angetan hat. Dass ihr von ganz besonders unerwarteter Seite verziehen wird und sie lernt, was wirklich wichtig im Leben ist, damit hätte sie wohl nie gerechnet.
Das Cover ist schlicht und hat mich nicht besonders angesprochen, aber dafür kann sich der Inhalt wirklich blicken lassen! Die Autorin schafft es perfekt, eine Situation zu konstruieren, die in unserer heutigen Welt nicht ganz undenkbar ist. Chelsea wählt einen ungewöhnlichen Weg, mit ihren Schuldgefühlen und den Zurückweisungen ihrer Mitschüler umzugehen, indem sie einen Monat lang schweigt. So ungewöhnlich diese Idee ist, sie ist offensichtlich effektiv und zeigt, wie viel man auch ohne Worte übermitteln kann. Dass das Leben auch ohne Worte funktionieren kann und wie mächtig Stille ist. Für mich als Leser war diese Wandlung von einer sehr lauten Chelsea, die nichts für sich behalten konnte, zu einer stillen, sprachlosen Chelsea extrem interessant. Mitfühlend kann der Leser verfolgen, wie Chelsea in der Schule dranglasiert wird, von ihren eigentlichen Freunden. Und wie sie sich dagegen behauptet, ohne ein Wort zu sagen. Jeder der selbst einmal in dieser Situation war – gemobbt, ausgeschlossen und gemieden zu werden – wird Chelsea besonders bewundern. Aber auch sehen können, wie sie mit ihrem Leben fertig wird und an Stärke dazu gewinnt. Dies ist eine Geschichte über die Macht der Worte, über die Kraft der Freundschaft und was vor allem wahre Freundschaft ausmacht. Diese Geschichte zeigt, was es bedeutet zu vergeben. Sich und anderen. Ich kann nicht wirklich in Worte fassen, was dieses Buch in mir auslöste, als ich es das erste Mal las (denn wie oft ich es bisher gelesen habe, kann ich nicht mehr sagen.. 10 mal? 20 mal? Öfter?). Als ich es das erste Mal zuende las, schlug ich es zu, legte mich einen Moment schweigend auf den Rücken, brachte das Buch nach unten, ging wieder hoch, kehrte um, nahm das Buch wieder und begann es, keine fünf Minuten nach Beendigung von vorne zu lesen. Wieder bis zum Ende durch. Ich kann nicht genau sagen, was mich nach wie vor so sehr in beschlag nimmt, fasziniert, aber dieses Buch ist ganz sicher lesenswert, denn es zeigt soviel auf, in einer dabei so normalen Welt, wie du und ich sie jeden Tag vor unserer Tür finden. Werte wie Toleranz werden durch dieses Buch perfekt übermittelt und machen einem Leser klar, dass es völlig okay ist, so zu sein, wie man ist.
Ich halte dieses Buch vor allem in der Pubertät für absolut lesenswert! Ich kann es nur aus vollem Herzen weiter empfehlen und jedem nahe legen, der neugierig ist zu sehen, wie ein Mädchen ohne Worte klar kommen kann und lernt, was Vergebung bedeutet.