Faszinierend und düster
Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ...
Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ihren beiden Raben verändert.
Die Geschwister freunden sich beide mit ihr an, Josua verliebt sich sogar in sie. Margarete, die hochsensibel ist und deshalb auf viel Spott und Ablehnung stößt, wünscht sich schon lange eine beste Freundin. So teilt sich Sarah ihre Zeit mit den beiden auf und Eifersüchteleien und Unverständnis bleiben nicht aus. Doch es wird nie richtig darüber gesprochen, obwohl sich die Geschwister nahestehen. Auch mit den Eltern haben die beiden Geschwister wenig innigen Kontakt, sind eher auf Abstand. Dass Sarah anders ist als andere Menschen erspüren, die beiden schon von Anfang an - sie treffen sie immer nur im Wald und oft in der Nacht - können diese Andersartigkeit aber nicht recht fassen. Erst als Sarah Margarete sagt, warum sie gekommen ist, wird noch einmal alles anders.
Der Autor schafft mit seinem Schreibstil eine beklemmende Atmosphäre, die noch durch die dunklen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin am Anfang jeden Kapitels verstärkt wird. Diese ist teilweise nur schwer auszuhalten, zumal die Dinge im Buch zwischen den Protagonisten oft nicht angesprochen, sondern weggelächelt oder verschwiegen werden. Beim Lesen entsteht eine Ahnung davon, was es mit Sarah auf sich haben könnte. Hierbei wird eine wachsende Spannung durch immer wieder neue Wendungen um ihre Person herum erzeugt, z. B. durch das Auftauchen ihrer Geschwister, die Erwähnungen ihres Vaters, die stets nebulös bleiben, und die Raben. Auch der Wechsel der Geschwister von ihrer „normalen“ Welt, wie sie jeder Teenager kennt (Schule, Freunde, Handy, etc.), in die „märchenhafte“ Welt ihres Zuhauses dort am Wald, in dem sie auch vor Sarahs Besuch alleine umherstreifen, und deren Atmosphäre durch Sarah noch verstärkt wird, erzeugen beim Lesen eine eigene Spannung zu wissen, um was es geht und was geschehen wird.
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Josua aus erzählt, so dass die Lesenden auch hauptsächlich seine Sicht der Abläufe wahrnehmen und Margaretes Gefühle und Gedanken nur erahnen können. Josua liest heimlich in Margaretes Tagebüchern, um zu erfahren, was sie beschäftigt und was sie mit Sarah unternimmt. So erfahren auch die Lesenden mehr von ihr.
Wie schon erwähnt, verstärken und unterstreichen die Zeichnungen der Künstlerin die düstere Stimmung des Buches, das der Autor aus seiner Lebenssituation heraus geschrieben hat (s. Danksagung S. 237). Treffsicher nimmt sie den Kapitelinhalt in ihren teils verwaschenen stets in Schwarz und Weiß gehaltenen Zeichnungen auf. Dabei wirken manche wie Collagen, manche auch, als ob noch andere Materialien (z. B. zerknittertes Papier für den Untergrund) verwendet wurden oder wie Aquarellzeichnungen. Die Kapitelzahlen sind stets von einer anderen kleinen Vignette umrahmt.
Durch die Bilder und die von außen rot gefärbten Seiten wirkt das Werk edel, fast wie ein Künstlerbuch. Man möchte es in die Hand nehmen und lesen. Allerdings fehlt vorne auf der ersten Seite meiner Meinung nach eine Triggerwarnung für psychisch beeinträchtige Menschen.
Ein sehr schönes Jugendbuch mit einer interessanten, mal ganz anderen Geschichte, für das die Leser*innen aber in guter Stimmung sein müssen.