Weit verzweigte Wurzeln
Kate hatte sich eigentlich damit abgefunden, nie zu erfahren, wer ihr Vater ist, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Kurz nach dem Kennenlernen verstirbt er und hinterlässt ihr nicht nur ein bedeutendes ...
Kate hatte sich eigentlich damit abgefunden, nie zu erfahren, wer ihr Vater ist, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Kurz nach dem Kennenlernen verstirbt er und hinterlässt ihr nicht nur ein bedeutendes Erbe, sondern auch eine Aufgabe. Kate soll die Mitglieder ihrer Familie, die von den Nazis entzweit wurde, ausfindig machen. Keine leichte Aufgabe, denn Kate muss feststellen, dass sich manche Menschen einfach nicht erinnern wollen...
Der Titel klingt schon ein wenig verträumt und erst der Klappentext lässt vermuten, dass es hier nicht um leichte Kost handelt. Die beiden Schreibenden lassen die dunkelste Zeit Deutschlands wieder lebendig werden und zeigen allzu deutlich, wie sich Hass, Häme und Hetze gegen die jüdische Bevölkerung immer mehr verdichten und das braune Gedankengut immer mehr in den Köpfen Einzug hält. Sie beleben aber auch wieder eine schillernd bunte Kunstszene, die in Hannover beheimatet ist. Diese beiden Kontraste könnten nicht stärker sein und es gelingt dem Autoren-Duo, die Leser:innen für eben jede Kunst zu begeistern.
Das Gemälde mit der Eisenbahn, die in den Wolken verschwindet, spielt dabei eine sehr große Rolle und wird federführend für den ganzen Roman. Es ist mehr als interessant zu erfahren, wie sich der braune Sumpf der Raubkunst bemächtigt und auf welch verschlungenen Pfaden diese bis zum heutigen Tag "gehütet" werden, ohne jemals den Weg zu ihren rechtmäßigen Besitzer:innen gehen zu dürfen..
Der Roman verbindet Historisches und Fiktion auf sehr lebendige Weise. Die Briefe, die Nora an ihren toten Bruder schreibt, sind sehr emotional und spiegeln die Entwicklung der 1920er Jahre bis in die Jahre 1934/1935 wieder. Es sind ergreifende und bewegende Worte, die Nora zum Ausdruck bringt.
Die Suche nach den eigenen Wurzeln ist mir manchmal ein wenig zu langatmig und mir erscheint Kate fast ein wenig zu sachlich. Die Suche nach ihren Wurzeln müsste doch eine echte Herzensangelegenheit sein und sie innerlich aufwühlen. Hier erweckt sie allerdings den Anschein, als würde sie die neu gewonnenen Erkenntnisse einfach so hinnehmen und das finde ich schade, denn es geht um so viel mehr. Sie wird Zeugin, wie Verrat eine Freundschaft entzweit, wie Gier sich wie Salzsäure immer weiter in die Eingeweide frisst und dass der Deckmantel des Schweigens über so manche Erinnerung gebreitet wird in der Hoffnung, dass dadurch alles in Vergessenheit gerät.
Trotz dieser Kritikpunkte meinerseits ein sehr lesenswertes Buch, das ich gerne weiterempfehle