Cover-Bild Am Rand
9,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Zsolnay, Paul
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 01.02.2016
  • ISBN: 9783552057890
Hans Platzgumer

Am Rand

Roman
Ein Mensch steigt früh am Morgen auf einen Berg. Sobald es dunkel ist, will er einen letzten Schritt tun. Schon immer lagen der Tod und das Glück für Gerold Ebner nah beieinander. Als Kind hat er seinen ersten Toten gesehen. Später hat er zwei Menschen eigenhändig den Tod gebracht: Er erlöste seine Mutter vom terrorisierenden Großvater und seinen besten Freund von dessen Leiden. Doch ist er damit zum Mörder geworden? Noch einmal entscheidet sich Gerold gegen das Gesetz und findet so sein eigenes Glück, das ihm der Tod wieder nimmt ... Fesselnd bis zum Schluss schildert der Ich-Erzähler die Ereignisse, die ihn an den Rand eines Felsens geführt haben.

Weitere Formate

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.09.2016

Angekommen im Dazwischen

0

„Irgendwann …[hat jeder] den Punkt erreicht, wo jedes Leben dem anderen zu gleichen beginnt, jedes ein ähnlich mickriges wird, aber keines mickrig genug, und jedes sowohl zu lang als auch zu kurz.“ S. ...

„Irgendwann …[hat jeder] den Punkt erreicht, wo jedes Leben dem anderen zu gleichen beginnt, jedes ein ähnlich mickriges wird, aber keines mickrig genug, und jedes sowohl zu lang als auch zu kurz.“ S. 7 So erzählt es der Ich-Erzähler dem Leser, spricht ihn häufig direkt an „Eigentlich wollte ich, bevor ich die Wohnung verließ, Sarahs Nachtlicht löschen,
wie ich es tagsüber immer tat, aber das habe ich in der Aufregung vergessen. Ich bitte Sie, schalten Sie das Lichtchen für mich ab. Ein kleiner Schiebeschalter an der rechten Seite, Sie werden ihn finden.“ S. 9f Der Mann, der hier mit mir spricht, heißt Gerold Ebner – das erfahren wir erst auf Seite 20, der Name wird selten wiederholt, er scheint nicht wichtig zu sein. Wir beobachten ihn bei einer Bergtour samt ihrer Vorbereitungen, zielgerichtet, geordnet, ohne Hast – fokussiert. Er besteigt den Bocksberg in Österreich, im Vinschgau – und dort, am Rand zum Abgrund, beginnt er, sein Manuskript zu schreiben. Das, was da stattfindet, ist eine Art schriftgewordener Meditation, ein Geständnis, eine Beichte.

Die Sprache ist bildhaft „Ab einer gewissen Höhe frisst das Weiß des Himmels das Grün von den Berghängen, enden Wiesen und Bäume, nur karge Schotterflächen ziehen sich noch weiter hinauf zu den der Sonne entgegengestreckten Gesteinsglatzen.“ S. 20 Die Geschichte zieht mich in ihren Sog, lässt mich hinterher atemlos zurück – begeistert von der Erzählweise, aber herausgefordert von der Geschichte Gerold Ebners.

Gerold – der Herrscher mit dem Speer, geboren 1969, Sohn einer ehemaligen Prostituierten, die sich für dieses Kind entschieden hatte, danach fromm im Kloster arbeitet. Sie ist Südtirolerin. Wir lesen über die ausgrenzende Siedlung der Landsleute, die es seit dem Pakt zwischen Hitler und Mussolini vielfach in Österreich gibt. Es gibt Bandenkriege unter den Jungs, wilde Mutproben, Freundschaften. Die Jobs, die es für die Jungs von dort gibt, sind selten gesund für sie. Wir lesen von Gerolds Tätigkeit als Schriftsteller, seinem Versagen dabei, den Aushilfsjobs. Wir lesen über den Tod.

Autor Hans Platzgumer platziert so einige Besonderheiten in diesem Roman, wie ein hineingemogeltes alter ego „Hansi Platzgummer“ (laut Wikipedia ist „Johann Platzgummer“ der Geburtsname des Autors), Musiker, in New York als Musiker tätig gewesen (beides wie der Autor). Ein bisschen „meta“, aber noch originell. Wir lesen von Schrödingers Katze und weitere Erörterungen über Physik, alle Kapitel beginnen mit „Hitotsu“, erstens, wie die Grundsätze des häufig bemühten Karate, bei denen alles gleich wichtig ist – aber da sind wir noch nicht im Ansatz am Kern der Geschichte.

Gerold Ebner sitzt auf dem Berg und legt eine Beichte ab. Er stellt zur Diskussion, wann es gerechtfertigt ist, einen anderen Menschen zu töten. Dabei ist Sterbehilfe, eingefordert vom Jugendfreund, nur eines – Ebners Darstellungen des Erstickens eines Menschen erinnern mich irgendwie an den Hitchcock-Film „Torn Curtain“ in ihrer Dauer und Vehemenz (auch wenn dort erwürgt wird). Der Leser bekommt Fragen aufgeworfen zu (unterstütztem) Selbstmord, zu Liebe, Ausbrechen aus Gewohnheiten, Familie. Ein Roman, den man erst einmal sacken lassen muss, wenn klar wird, welche verschiedenen Kulminationspunkte die Andeutungen im Verlauf der Geschichte finden.

Veröffentlicht am 05.11.2016

Mörderische Geschichte – mal anders

0

Das Buch liest sich sehr flüssig und wenn man erst einmal angefangen hat, kann man es nicht mehr aus der Hand legen.
Völlig ohne Emotionen oder Rechtfertigung erzählt hier Gerold Ebner seine Lebensgeschichte, ...

Das Buch liest sich sehr flüssig und wenn man erst einmal angefangen hat, kann man es nicht mehr aus der Hand legen.
Völlig ohne Emotionen oder Rechtfertigung erzählt hier Gerold Ebner seine Lebensgeschichte, wobei er gedanklich zwischen Vergangenheit und Gegenwart immer hin und her „wandert“. Einfach war sein Leben sicher nie. Wie es der Buchtitel treffend ausdrückt – er stand immer am Rand.
Mich hat das Buch stark beeindruckt. Ein derartiger Lesestoff, noch dazu fast als Geständnis geschrieben, ist mir bisher noch nicht unter die Finger gekommen.
Toll fand ich auch immer, wenn Ebner mich als Leser direkt ansprach und mir Aufträge erteilt hat – für den Fall wenn ich bei ihm zu Hause vorbeigehe.
Dass der Protagonist seine Schicksalsschläge, Handlungen und Taten so emotionslos schildert, fand ich nicht ganz nachvollziehbar. Am liebsten hätte ich mit ihm darüber diskutiert. Wenn man sich als Leser auf die Schilderungen einlässt, ist diese Lektüre durchaus eine sehr gute Unterhaltung.