Das Buch mit dem Paukenschlag – emotional, faszinierend und fesselnd
Das Buch:
Dieses Buch ist der 2. Teil der großartigen Allender Trilogie. Den ersten Teil sollte man unbedingt gelesen haben, da dieser Teil ohne viele Rückblicke auskommt und direkt an den ersten Teil ...
Das Buch:
Dieses Buch ist der 2. Teil der großartigen Allender Trilogie. Den ersten Teil sollte man unbedingt gelesen haben, da dieser Teil ohne viele Rückblicke auskommt und direkt an den ersten Teil anschließt.
Worum geht’s?
Amerika im Jahr 1861, der Bürgerkrieg beherrscht zunächst das Leben der Familie Allender. Die Männer sind im Krieg und viele von ihnen werden nicht nach Hause zurückkehren. In diesem Teil der Trilogie steht die nächste Generation und deren Leben im Mittelpunkt der Geschichte. Aus Stuart ist ein Mann mit eigener Familie geworden, der im Krieg seine Führungsqualitäten unter Beweis stellt und nach dem Krieg erfolgreich im Geschäft seines Vaters mitarbeitet. In seinem privaten Leben sind – teilweise erschreckende – Parallelen zu seiner eigenen Kindheit erkennbar und er muss – wie so viele andere auch – tiefgreifende Verluste ertragen…
Charaktere:
Während im ersten Teil der junge Stuart im Mittelpunkt stand, der seiner Mutter oftmals hilflos ausgeliefert war, ist es in diesem Teil der erwachsene Stuart, der nun selbst Vater und Ehemann ist. Er verändert sich, der Krieg verändert ihn – aber an Sympathie büßt er nichts ein. Manchmal möchte man ihn schütteln und fragen, „Wieso tust Du das?“, aber grundsätzlich ist und bleibt Stuart ein guter Mensch, den der Leser einfach lieben muss. Gerade deshalb ist es so schwer zu ertragen, wie viele Schläge das Schicksal für ihn bereit hält. Und jedes Mal ist wie ein Paukenschlag – großartig und mit der entsprechenden Wirkung geschrieben. Und wenn ein Paukenschlag verklingt, lässt die Autorin mal mehr mal weniger Zeit verstreichen, sodass sich der Leser auch wieder erholen kann.
Maurice, Stuarts älterer Bruder, hingegen bleibt unnahbar. Es gibt Strecken, da kann man ihn mögen und dann wieder kann man ihn nur verabscheuen. Mit dieser Figur ist der Autorin ein herrlich ambivalenter Charakter gelungen. Ein brillanter Kopf mit einem recht verkorksten Wesen – er ist wohl wirklich das Produkt seiner Mutter und kann sich bis zum Schluss kaum von ihr lösen. Gerade wegen seiner Ambivalenz ist Maurice für mich einer der wichtigsten Charaktere in der Geschichte – man weiß eigentlich nie, was als nächstes kommt.
Natalya und Graham rücken etwas in den Hintergrund, aber nicht zu sehr. Das gefällt mir sehr gut, denn ganz ohne sie hätte der Geschichte etwas gefehlt. Besonders auffällig ist, dass Natalya zwar nicht mehr den Stellenwert in der Geschichte hat, aber zumindest das Leben von Maurice und Dara extrem beeinflusst. Sie ist nach wie vor die Giftspritze in der Erzählung, aber wundersamer Weise scheint auch sie Gefühle zu haben. Grahams Entwicklung war nicht vorherzusehen und kam bei mir absolut positiv an.
Das Zusammenspiel zwischen Natalya, Maurice und Dara hat mir gut gefallen, wenn auch die Handlungen in mir immer wieder Wut auf Natalya und Unverständnis für Maurice zutage brachten, aber es ist spannend zu lesen, wie sie ihr Leben gegenseitig beeinflussen und welche Auswirkungen das hat. Dies ist beispielhaft für alle Figuren, die Heike Wolf zeichnet. Sie bewirken etwas im Leser – und sei es tiefe Abscheu. Dies gilt nicht nur für die Hauptfiguren, sondern vielmehr für alle Charaktere. Es gibt keine Figur, die einfach nur da ist. Jede hinterlässt mehr oder weniger tiefe Spuren beim Leser.
Ein besonderes Schmankerl für mich ist die Menschlichkeit der Charaktere. Keine Figur ist perfekt. Keine ist nur schlecht oder immer nur boshaft. Und genau deshalb kann die Autorin unvorhergesehen schreiben – genau wie auch das wahre Leben ist.
Historische Fakten:
In einer sehr interessanten Leserunde zu diesem Buch hat die Autorin viel zu den Hintergründen ihrer Geschichte erzählt. Einerseits steckt eine Menge eigener Geschichte darin, andererseits die wirklich interessante Geschichte eines riesigen Landes. Darüber hinaus stellt Heike Wolf auf ihrem eigenen Blog zusätzliche Informationen und Bilder zur Geschichte des damaligen Amerika zur Verfügung, die das Verständnis für das Erzählte vertiefen.
Ich mag es, wenn historische Geschichten auf Fakten basieren, die nachvollziehbar und recherchierbar sind. Einen tollen Roman zu lesen und nebenher etwas zu lernen ist eine wundervolle Mischung. Diese Mischung serviert die Autorin mit diesem Buch auf jeden Fall. Wer Interesse an amerikanischer Geschichte hat, nach „Fackeln im Sturm“ oder „Vom Winde verweht“ nicht genug vom Bürgerkrieg hat, der sollte hier auf jeden Fall zugreifen. Allerdings sollte er auch mit der Grausamkeit rechnen, die ein Krieg mit sich bringt.
Schreibstil:
Die Autorin hat einmal mehr ihre unverkennbare Fähigkeit unter Beweis gestellt, den Leser mitzureißen. Dabei ist sie keineswegs zimperlich – ganz im Gegenteil! Sie kreiert großartige Figuren, an die der Leser sein Herz verliert oder sie auch zutiefst verabscheut und dann lässt sie das Schicksal zuschlagen – erbarmungslos. Keine noch so sympathische Figur bleibt davon verschont. Sie sagte dazu einmal: „So ist das Leben!“ – Recht hat sie! Dennoch ist es schwer, sich von lieb gewonnen Figuren zu verabschieden, wenn sie aus dem Roman gerissen werden.
In diesem Teil der Allenders hat Heike Wolf diese Fähigkeit wohl zur Perfektion und mir damit mehr als einmal die Tränen die Augen getrieben. Und dabei ist kein Schicksalsschlag wie der andere, manchmal sind sie kurz und schnell vorbei, manchmal leidet der Leser unsagbar lange mit. Aber immer wecken sie Emotionen – oftmals sehr intensive.
Ich mag die bildgewaltige Art zu schreiben der Autorin sehr. So entsteht beim Lesen ein stimmiges Bild vor dem inneren Auge, in das sich der Leser hineinfallen lassen kann. Die Autorin bedient sich vieler Adjektive, die dieses homogene Bild entstehen lassen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich könnte sogar die Geräusche hören. Ihre Figuren schreibt sie individuell, jede hat ihre ganz eigenen Eigenschaften. Das bedeutet auf keinen Fall, dass die Figuren geradlinig bleiben; vielmehr entwickeln sie sich stetig weiter. Eher selten sind ihre Handlungen vorhersehbar – manchmal schon, aber viel öfter kommt der oben erwähnte Paukenschlag.
Sehr spannend finde ich, dass die Autorin bisweilen Worte benutzt, die nicht so ganz alltäglich sind. Wenn man diese dann im Internet nachliest, lernt man sogar etwas dazu. Das gefällt mir und hebt den Roman von anderen ab. Generell sind die Formulierungen geprägt von einem riesigen Wortschatz; auch damit hebt sich die Autorin von anderen ab.
Es kommt zu keiner Zeit zu Längen oder gar Langeweile, ganz im Gegenteil. Es passiert immer wieder etwas Neues. Und das obwohl sich die Autorin in diesem Teil nicht mehr ganz so breit gefächert über das Territorium der USA bewegt, sondern die Handlungsorte etwas näher beieinander liegen. Und wie schon im ersten Teil hat der Leser nie einen Zweifel daran, in welchem Jahr er sich gerade befindet oder wie alt die Figuren sind.
Wer sich also auf Heike Wolf einlässt, sollte gewappnet sein für das Schicksal und jede Menge Taschentücher dabei haben. Sie erzählt dem Leser schonungslos über die Grausamkeiten des Krieges, über Liebe, Hass und den Tod – und sie schubst den Leser in ein Meer aus Emotionen.
Fazit:
Dieses Buch ist das 4. Buch der Autorin, welches ich gelesen habe. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Großartig – ein must read für Fans historischer Romane! Eine große Geschichte über einen langen Zeitraum, ohne Längen in der Erzählung. Sie packt den Leser und lässt ihn erst auf der letzten Seite wieder los – oder selbst dann noch nicht! Diese Geschichte wirkt länger nach! 5 von 5 Sternen.