Hörbuchempfehlung!
Heinz Strunk gehört zu den Autoren, von denen man sich das Werk am besten selbst vorlesen lassen muss - daher also eine unbedingte Hörbuchempfehlung für die Autorenlesung (es gibt wohl auch noch ein Hörspiel, ...
Heinz Strunk gehört zu den Autoren, von denen man sich das Werk am besten selbst vorlesen lassen muss - daher also eine unbedingte Hörbuchempfehlung für die Autorenlesung (es gibt wohl auch noch ein Hörspiel, aber das kann ich nicht beurteilen).
Strunk erzählt hier, grob umrissen, die Lebens- und Leidensgeschichte von Fritz "Fiete" Honka, einer sogenannten "gescheiterten Existenz", der in den späten siebziger Jahren als Frauenmörder zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Leidensgeschichte deshalb, weil Strunk (der für seine Recherche exklusive Akteneinsicht erhielt) Honka von innen nach außen krempelt, ihn von seiner schweren Jugend, seinen ständigen Abstürzen, seinen Süchten und seinem Wahn so echt und nahbar erzählen lässt, dass man fast mit ihm leidet. Und das trotz seiner Perversion, seinem Hang zur Gewalt und seiner offensichtlichen sonstigen Gestörtheit - der man ist alkoholkrank, gewissermaßen lebensmüde und einfach kaputt. Und er ist bei weitem nicht der Einzige, denn neben Honka tummeln sich im "Goldenen Handschuh", der titelgebenenden 24-Stunden-Reeperbahn-Klitsche, allerlei zerbrochene, verwahrloste, abgestürzte Menschen, die den letzten Rest (sofern vorhanden) von Glück, Stolz, Würde und Lebenswille mit Bier und Schnaps wegspülen.
Den Gegenpunkt setzen die Kapitel, die von einer fiktiven reichen Reederfamilie in drei Generationen berichten - feine Leute der Hamburger Oberschicht dem Anschein nach, aber innerlich genauso verrotet wie die Kneipendauergäste. Ein schöner Kontrast, der mehr und mehr verblasst.
Das klingt alles sehr traurig, unappetitlich und unangenehm, aber Strunk schafft es, sich allen diesen Charakteren mit Respekt zu nähern, und sie "echt" erscheinen zu lassen - hier ist niemand übermäßig karikiert oder eines Witzes wegen ins Lächerliche gezogen. Das Buch ist an vielen Stellen witzig, durchaus - aber nicht auf Kosten der kaputten Typen, sondern wegen ihnen und/oder aus der Situation heraus. Es sind die Lebensweisheiten, die nur so an einem verdreckten Tresen entstehen können, es sind die Sprüche und Spitznamen, die nur in so einer Kaschemme das Licht der Welt erblicken können. Kurzum: Es ist eine äußerst stimmige Milieustudie - fast schon zu stimmig, denn das leichte Unwohlsein und der leichte Ekel beim Hören verschwinden nie ganz.
Ich kann dieses Hörbuch nur empfehlen, aber nicht ohne Warnung: Einige Szenen sind wirklich hart, die Sprache grundsätzlich rau und derbe, die Gewalt und Perversionen teils sehr extrem. Mich persönlich hat das nicht allzu schlimm belastet oder geschockt (was auch immer das über mich aussagen mag...), aber ich kann verstehen, warum dieses Buch durchaus kontrovers behandelt wurde. Für mich überwog am Ende das Gefühl guter, wenn auch "harter" Unterhaltung. Mein Freund und ich haben es, nachdem er mich eingeholt hatte, gemeinsam zu Ende gehört - und schlagen uns jetzt immer mal wieder wechselseitig die Lebensweisheiten von Käpt'n Kuddel und Bruder Siggi um die Ohren.