Alle wollen sich gut benehmen, doch niemand blickt mehr durch: Die Jogginghose ist im Arbeitsleben angekommen, Social Media sind fest in unserem Alltag verankert. Familien sind bunt, Geschlechter divers, und jemanden unbedacht zu diskriminieren ist schon lange ein No-Go. Unsere Gesellschaft ist offener geworden, und wir stehen vor neuen Fragen:
Warum ist es wichtig, die Paprikasauce in »Ungarische Art« umzubennen? Wie kann man Komplimente machen, ohne sexistisch zu sein? Und ist es noch zeitgemäß, Weihnachten im Konsumrausch zu feiern? Sarah Paulsen und
NZZ
-Stil-Kolumnistin Henriette Kuhrt beschreiben, wie wir diese Herausforderungen meistern können. Dabei geht es weniger um korrektes Benehmen als um das Verständnis für Menschen und Zeitgeschehen: Ob im Zoom-Meeting oder am Esstisch der Schwiegereltern, der Dschungel des menschlichen Miteinanders ist überall.
Unsere Gesellschaft und deren Umgang ändern sich jeden Tag. Wir bewegen uns in ganz anderen Räumen und Welten, welche ebenfalls einen gewissen Umgang voraussetzen. Was ist legitim und wo sollte man besser ...
Unsere Gesellschaft und deren Umgang ändern sich jeden Tag. Wir bewegen uns in ganz anderen Räumen und Welten, welche ebenfalls einen gewissen Umgang voraussetzen. Was ist legitim und wo sollte man besser ein bisschen aufpassen.
Ich habe mich sehr unterhalten gefühlt von dieser Lektüre und in vielen Situationen wiedergefunden.
Der Knigge ist uns sicher allen ein Begriff, und auch wenn das Original von 1788 zwar in weiten Teilen überholt, aber immer noch erhältlich ist, wenn auch in modernem Deutsch, so können die Regeln des ...
Der Knigge ist uns sicher allen ein Begriff, und auch wenn das Original von 1788 zwar in weiten Teilen überholt, aber immer noch erhältlich ist, wenn auch in modernem Deutsch, so können die Regeln des menschlichen Miteinanders doch hin und wieder ein wenig frischen Wind vertragen.
Es gibt auch einen modernen Knigge, in dem sich alle Fragen zum guten Benehmen, sei es beruflich oder privat, sehr ausführlich beantwortet finden.
Die beiden Autorinnen fragen im Vorwort: Brauchen wir noch gute Manieren? Ich würde sagen, auf jeden Fall! Meine Frage würde eher lauten, brauchen wir noch ein weiteres Regelwerk dafür? Hier würde ich sagen, wir brauchen es zwar nicht, aber es ist durchaus interessant und amüsant zu lesen. Vieles wird heutzutage unkomplizierter gehandhabt als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Manche Kapitelüberschriften ähneln denen des herkömmlichen Knigge, und die Fragen des guten Benehmens werden locker und doch korrekt beantwortet. Dass es ergänzende Abschnitte über Netiquette gibt, erachte ich als sinnvoll, denn wenn man sich in den sozialen Netzwerken umsieht, findet man da so manche Zeitgenossen, die eine gute Kinderstube vermissen lassen.
Es sind einige Kapitel dabei, die ich nicht unbedingt in einem Regelwerk über Fragen zum guten Benehmen suchen würde, so zum Beispiel „Wie höflich muss man im Bett sein?“ Meiner Meinung nach ist diese Frage zu privat und persönlich, um sie allgemein beantworten zu können. Wie man in den eigenen vier Wänden mit dem Partner spricht oder umgeht, ist eigentlich Privatsache. Wieder andere Fragen, die hier auftauchen, haben für mich nichts mit gutem Benehmen zu tun, sondern es ist eine Einstellungs- oder Glaubenssache, beispielsweise die Frage „Ich bin nicht christlich, darf ich trotzdem Weihnachten feiern?“oder „Sollen wir den (Weihnachts-)Baum selbst schlagen? Diese und weitere Fragen rund ums Weihnachtsfest oder auch Themen, wie ich mit Verwandten umgehe, die entweder rassistisch sind oder der „falschen“ Partei angehören, haben mich in diesem Buch doch ein wenig irritiert, denn auch das ist alles sehr individuell und kann entweder nicht so pauschal abgehandelt werden oder hat m. E. nichts mit gutem Benehmen zu tun. Ich habe im Bekanntenkreis einige Leute, die nicht christlich sind und doch mit Hingabe Weihnachten feiern, ja zelebrieren. Es sind Menschen, die auf jeden Fall gute Umgangsformen beherrschen und pflegen, aber nicht im Traum daran denken würden, sich das Feiern eines Festes untersagen zu lassen. Die christlichen Jahresfeste sind ja alle auch mit jahreszeitlichen Bräuchen gekoppelt, die aus unchristlicher Zeit stammen. Jeder feiert sie auf seine Weise, ob nun aus religiösem Grund oder einfach als Fest im Jahreslauf, das sollte man selbst entscheiden. Müssen wir solche Gepflogenheiten wirklich in Frage stellen? Ebenso geht es mir mit Rassismus oder gendergerechter Sprache und entsprechendem Verhalten. Das sind so komplexe Themen, die hier nur kurz angerissen werden und meines Erachtens viel tiefer gehen als irgendwelche Benimm-Regeln. Daher habe ich meine Zweifel, ob sie in einem „Knigge für das 21. Jahrhundert“ wirklich am rechten Platz sind.
Alles in allem betrachte ich das Buch als durchaus sinnvoll und in manchen Fällen auch hilfreich. Es lässt sich leicht und locker lesen und ist zum Teil auch recht amüsant.