Cover-Bild Suite française
14,00
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 512
  • Ersterscheinung: 02.04.2007
  • ISBN: 9783442736447
Irène Némirovsky

Suite française

Roman
Eva Moldenhauer (Übersetzer)

Eine der größten literarischen Wiederentdeckungen der letzten Jahre

Sommer 1940: Die deutsche Armee steht vor Paris. Voller Panik packen die Menschen ihre letzten Habseligkeiten zusammen und fliehen. Angesichts der existentiellen Bedrohung zeigen sie ihren wahren Charakter …

Der wiederentdeckte Roman „Suite française“ von Irène Némirovsky wurde 2005 zur literarischen Sensation. Über 60 Jahre lag das Vermächtnis der französischen Starautorin der 30er Jahre unerkannt in einem Koffer – bis der Zufall dieses eindrucksvolle Sittengemälde aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ans Licht brachte.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2019

Sehr lesenswert!

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Die Autorin Irene Nemirovsky war mir bisher kein Begriff. Tatsächlich hat sie ein sehr spannendes Leben geführt und ein tragisches Ende gefunden.

1903 wurde sie als Tochter eines jüdischen Bankiers in ...

Die Autorin Irene Nemirovsky war mir bisher kein Begriff. Tatsächlich hat sie ein sehr spannendes Leben geführt und ein tragisches Ende gefunden.

1903 wurde sie als Tochter eines jüdischen Bankiers in Kiew geboren und wuchs unter der Obhut einer französischen Gouvernante auf. Im Verlauf der Russischen Revolution floh die Familie und kam über Finnland und Schweden 1919 nach Paris. In den 1920er Jahren gelangte sie wieder zu Reichtum, so dass Irène ein behütetes und luxuriöses Leben führen konnte. Das Studium der Literaturwissenschaft an der Sorbonne schloss Irène mit Auszeichnung ab. Mit 18 Jahren begann sie zu schreiben und erfuhr große Anerkennung. Trotzdem wurde erhielt sie nie die französische Staatsbürgerschaft. Am 13. Juli 1942 wurde die Mutter zweier kleiner Töchter verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo sie am 17. August völlig geschwächt starb. (Quelle: wikipedia)

Zu ihrem Buch “Suite francaise”:
“Sommer 1940: Die deutsche Armee steht vor Paris. Voller Panik packen die Menschen ihre letzten Habseligkeiten zusammen und fliehen. Angesichts der existentiellen Bedrohung zeigen sie ihren wahren Charakter …” (Klappentext Amazon)

Die Autorin beschreibt die Flucht verschiedener Personen: den katholischen Péricands, einer Bankiersfamilie; dem Schlitzohr Langelet und der rechtschaffenen kleinbürgerlichen Familie Michaud.
Nach dem Einmarsch der Deutschen erzählt sie vom Zusammenleben in einem fiktiven Dorf im Burgund. Sie schildert die Angst, den Kampf untereinander, aber auch die Kollaboration sowie die Faszination der jungen Frauen für die schneidigen, feindlichen Soldaten; die Eifersucht der Männer; die Wut der Mütter.

Ich fand das Buch sehr spannend und interessant zu lesen. Die Charaktere waren glaubhaft dargestellt. Die Sprache war sehr poetisch und bildhaft.
Irritierend empfand ich die positive Darstellung der deutschen Soldaten - attraktiv, diszipliniert, höflich. Ich weiß nicht ganz, wie ich das einordnen soll. Hat die Autorin wirklich so empfunden? Schrieb sie es, weil die Franzosen sich ihr gegenüber abscheulich verhalten haben? Hoffte sie, einen guten Eindruck bei den Deutschen zu hinterlassen? (Während des Schreibens sah noch alles danach aus, als würden die Deutschen gewinnen.)

Zum Ende des Buches folgt ein Nachwort und etwa 50 Seiten Korrespondenz, z.B. von Nemirovskys Ehemann. Irene war deportiert worden und man versuchte verzweifelt ihren Aufenthaltsort herauszufinden und sie frei zu bekommen. Bald wurde auch der Ehemann deportiert. Die zwei kleinen Töchter wurden von einer Bekannten versteckt.

Ein sehr lesenswertes Zeitdokument, das das Leben der französischen Bevölkerung während der Flucht und der Besatzung in fiktiver Form schildert. Meist kennt man ja die Ereignisse nur aus Kriegsfilmen wie “Der Soldat James Ryan”, die sich auf die Kampfhandlungen konzentrieren.

2014 wurde das Buch “Suite francaise” mit Michelle Williams und Kristin Scott Thomas verfilmt.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Facettenreiches und berührendes Panorama

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Suite Francaise umfaßt die ersten zwei von fünf Teilen, die Irène Némirovsky als auf 1000 Seiten angelegtes Werk über Frankreich im Zweiten Weltkrieg schreiben wollte. Sie wußte während des Schreibens, ...

Suite Francaise umfaßt die ersten zwei von fünf Teilen, die Irène Némirovsky als auf 1000 Seiten angelegtes Werk über Frankreich im Zweiten Weltkrieg schreiben wollte. Sie wußte während des Schreibens, daß sie als konvertierte Jüdin im besetzten Frankreich in großer Lebensgefahr war und so erlitt sie 1942 auch das grausame Schicksal von Deportation und Tod. Ihr Manuskript überstand die Kriegswirren und so blieb ihr wundervolles Panorama für heutige Leser zum Glück erhalten. Diese ersten zwei Teile sind in sich abgeschlossen genug, um nicht wie ein Fragment, sondern wie ein vollendetes Werk zu wirken.

Im ersten Teil wird die Panik beim Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich im Sommer 1940 beschrieben. In kurzen lebhaften Kapiteln wird berichtet, wie verschiedene Einwohner von Paris auf die Gefahr reagieren, wie sie flüchten und was ihnen widerfährt. Die Charaktere sind unterschiedlich und bieten somit einen interessanten Überblick über verschiedene Menschen und Situationen - die wohlhabende elitäre Familie, der alternde hedonistische Schriftsteller, der weltfremde Porzellansammler, der opportunistische Bankdirektor und seine Geliebte, das anständige und oft übervorteilte Paar der Mittelschicht. All diese Menschen werden hervorragend dargestellt und es ist faszinierend, wie sie im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten das gleiche Ziel - die Flucht aus Paris - völlig verschieden angehen. Irène Némirovsky berichtet über diese Menschen in einem wunderschön zu lesenden Stil, mit herrlichen Details, die so viel über die Charaktere aussagen. Sie mischt leisen Humor mit tiefer Melancholie, stellt deutlich dar, wie der Überlebensinstinkt oft die Menschlichkeit vertreibt. Ich habe es genossen, von einem Charakter zum nächsten zu reisen, die Wechsel zwischen den Schicksalen waren gut gestaltet, hielten die Geschichte abwechslungsreich und lebendig.

Ein Charakter schlägt die Brücke zu Teil 2, der währen der deutschen Besetzung in einem kleinen französischen Dorf spielt. Die Charaktere des ersten Teils kommen hier nur noch in vereinzelten Randbemerkungen vor - geplant war, sie im dritten Teil wieder zusammenzuführen. So lernt man also hier ganz neue Charaktere kennen und wieder schafft es Irène Némirovsky, die Atmosphäre wundervoll zu gestalten. Man sieht die einfachen Bauernhöfe genau so deutlich vor sich, wie das elegantere Haus einer der reichsten Familien des Dorfes, spürt die Natur, die Stimmung in den kleinen Läden. Es ist ganz meisterhaft geschrieben (um so beeindruckender, da dies ein erster Entwurf war, den Irène Némirovsky noch überarbeiten wollte). Auch hier sind die Charaktere echt und lebendig. Mit wenigen Worten werden ihre Gedanken, Sorgen, Wünsche bemerkenswert dargestellt. Ausgesprochen interessant ist auch die Entwicklung zwischen Dorfbewohnern und den deutschen Besatzungssoldaten über drei Monate hinweg. Die anfängliche Feindseligkeit gegenüber den "Boches" läßt bei vielen Dorfbewohnern recht schnell nach, als sie sehen, daß diese deutschen Soldaten sich angemessen, durchaus höflich verhalten, daß sie ebenso Individuen mit eigenen Wünschen und Sorgen sind. Häufig wird erwähnt, wie jung diese Männer sind, gerade mal um die Anfang 20, daß sie Heimat, Eltern, Ehefrau, Kinder vermissen. Dieser seltsame Zwiespalt zwischen dem Menschen, der einem gar nicht unsympathisch ist und dem Feind, der Teil der Besatzungstruppen und einer grausamen Macht ist, wird hier feinfühlig und vielfältig aufgezeigt. Es ist fazinierend zu sehen, daß die Deutschen manchmal gar nicht verstehen, warum ihnen keine echte Freundschaft entgegengebracht wird, also ob sie selbst vergessen, in welcher Rolle sie in diesem Dorf, diesem Land sind. Manchen ist es wohl bewußt und so wird von einem Deutschen darauf hingewiesen, daß es nach dem ersten Weltkrieg genau umgekehrt war und die Franzosen da nicht verstehen konnten, daß das besiegte Deutschland Groll gegen die Sieger hegte. So wird gut gezeigt, daß es meistens nicht die Menschen sind, die Feindschaft hegen, sondern es ihnen von ihren jeweiligen Ländern aufdiktiert wird. Berührend hier auch der Abzug der Besatzungssoldaten, die nach Russland abkommandiert werden - man weiß, was ihnen dort widerfahren wird, und sie ahnen es auch schon. Die einzelnen Schicksale zeigen auch gut, wie der Krieg Leute zusammenbringen kann, sie in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen aber dennoch oft an Krieg und Politik scheitern müssen.

Es hat Spaß gemacht, die verschiedenen Schicksale zu verfolgen, mit einigen Leuten mitzufiebern, die Situationen auf beiden Seiten zu sehen, dies in einer wundervollen, leichten Sprache, die gerade dadurch oft sehr eindringlich wirkt. Ein bemerkenswertes Buch, daß mich tief berührt hat.