Ich bin doch keine Maschine (Tim Bendzko)
Der Verlust seines Jobs reißt Edin den Boden unter den Füßen weg und er fällt in ein schwarzes Loch. Gegenüber seiner Freundin Vanessa fühlt er sich völlig deplatziert und minderwertig. Wie soll ihre Beziehung ...
Der Verlust seines Jobs reißt Edin den Boden unter den Füßen weg und er fällt in ein schwarzes Loch. Gegenüber seiner Freundin Vanessa fühlt er sich völlig deplatziert und minderwertig. Wie soll ihre Beziehung noch funktionieren, wenn Edin arbeitslos ist, während Vanessa die Karriereleiter emporsteigt ? Die einzige Möglichkeit, wieder echte Erfolge zu verzeichnen, findet Edin in der virtuellen Welt. In Computerspielen erreicht er spielend das nächste Level, während er im Alltag von immer mehr Problemen überrollt wird....
Wow, was für ein außergewöhnliches Lese- & Klangerlebnis, das Iris Blauensteiner in Zusammenarbeit mit der Klangkünstlerin Rojin Sharafi hier für die Leser:innen bereit hält.
Feinfühlig und mit dem Gespür für leise Zwischentöne erzählt die Autorin von Edin und lässt dabei das Gefühl entstehen, dass dieser sich selbst als Außenstehender beobachtet und somit seine Gedanken und Gefühle laut ausspricht. Die Handlung wird in der "Du"-Form erzählt und spricht somit die Lesenden direkt an, stellt eine starke Verbindung mit ihnen her und leitet sie durch die Odyssee, die Edin hier durchleben muss.
Es kommt die Frage auf, wie viel Wert ein Mensch besitzt, wenn er seine Arbeit verliert, die durch einen Automatisierungsprozess von Maschinen übernommen wird. Mehrwert oder mehr Wert - dieses Wortspiel drängt sich geradezu auf und lässt den eigenen Gedanken zu diesem Thema freien Lauf.
Edins Flucht in die virtuelle Welt ist auch eine Verschiebung seiner Wahrnehmung, denn was einst vertraut und sicher, verliert immer mehr den Bezug und sorgt dafür, dass eine Veränderung in Edin vorgeht. Eine gewisse Nutzlosigkeit und Bedauern überkommt Edin und er fühlt sich in seiner Würde angegriffen und verletzt.
Nur wenn er zusammen mit Vanessa in der virtuellen Welt Zombies auslöschen kann, scheint seine Welt perfekt und er merkt, wie er mit seiner Freundin eins wird.
Ansonsten hilft ihm nur der automatisierte Prozess des Atmens - er fühlt, dass er lebt, dass er in das gemeinsame Leben mit Vanessa doch noch integriert ist und er durch das Atmen den nächsten Level seines realen Lebens erreicht.
Dank der im Buch befindlichen QR-Codes ist "Atemhaut" nicht nur ein Lesegenuss, sondern die außergewöhnlichen Klänge von Rojin Sharafi bewirken, dass die Lesenden - Synästheriker:innen gleich - im Verlauf der Geschichte die vertonten Worte in sich aufnehmen bzw. einatmen können.
Dieses Buch ist so herrlich anders als der Mainstream - es hebt sich deutlich aus der breiten Masse ab, nicht nur aufgrund seines psychedelischen Covers, und verdient, von einem breiten Publikum gelesen zu werden.