Erzähltechnisch wow, aber doch ziemlich kompliziert und eher für Ältere
Klappentext
„Geschieht alles aus einem bestimmten Grund?
Diese Frage quält Azalea Lewis, deren Leben von unfassbar vielen Zufällen bestimmt scheint. Da sie befürchtet, dass ihr Lebensweg vorgegeben ist ...
Klappentext
„Geschieht alles aus einem bestimmten Grund?
Diese Frage quält Azalea Lewis, deren Leben von unfassbar vielen Zufällen bestimmt scheint. Da sie befürchtet, dass ihr Lebensweg vorgegeben ist und sie ihr Schicksal nicht ändern kann, vertraut sie sich einem Experten für Zufälle an: Dr. Thomas Post. Als dieser beginnt, die Rätsel ihrer Vergangenheit zu entwirren, werden seine Überzeugungen von der Liebe, dem Leben und seine Statistiken völlig auf den Kopf gestellt.“
Gestaltung
Quirlig bunt sticht das Cover von „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ direkt ins Auge. Die Farben sind knallig, aber nicht zu knallig und ich finde, sie passen perfekt zu einem der Handlungsorte: Afrika. Die Drehscheibe, auf die der Titel angeordnet ist, gefällt mir auch sehr, da sie sehr schön den Zufall widerspiegelt (oder eben die Wahrscheinlichkeit von bestimmten Dingen, je nachdem wie man es sieht). Ich mag die Gestaltung jedenfalls sehr gerne, da sie fröhlich wirkt, die Farben super miteinander wirken und es einfach mal was anderes ist.
Meine Meinung
Als ich begann „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ zu lesen, hatte ich ganz andere Erwartungen. Demnach habe ich schon nach wenigen Seiten eine richtige Überraschung erlebt, als ich merkte, dass das Buch ganz anders war, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte erwartet, dass ich auf eine Geschichte voller Lebensweisheiten, welche man auch auf seinen eigenen Alltag anwenden könnte, treffen würde. In gewisser Weise findet man dies auch in diesem Roman, aber eigentlich ist „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ so viel mehr und etwas ganz eigenes, für sich stehendes. Etwas, das mir so in dieser Weise noch nie begegnet ist.
Zunächst sticht vor allem der besondere Erzählstil ins Auge. Wirklich, dieser Roman ist ein erzähltechnisches Meisterwerk! Protagonistin ist Azalea. Aber ihre Lebensgeschichte, die vom Schicksal und von Zufällen bestimmt zu sein scheint, wird nicht von ihr selber erzählt, sondern von Thomas Post. Er ist Azaleas Geliebter und gleichzeitig ist er ein Doktor der Philosophie, welcher sich auf Zufälle spezialisiert hat. Thomas braucht den Rat einer guten Freundin und erzählt ihr daher Azaleas Geschichte (welche irgendwann auch zu einem Teil seiner Geschichte gehört). So ergibt es sich, dass ihr Leben teils chronologisch, teils mit kleinen Sprüngen erzählt wird und immer wieder auch Einschübe eingestreut werden, in denen Thomas mit seiner Freundin redet. Irgendwann gelangt er auch zu dem Punkt, an dem Azaleas und zu dem Zeitpunkt dann auch seine Geschichte endet. Dann wechselt die Zeit zum Präsens, Thomas wird der Handelnde, da er selber in Aktion tritt, und nicht mehr Azalea. Zudem werden aber auch Einblicke in das Leben von Figuren gewährt, mit denen Azalea in Berührung gekommen ist. So erfährt der Leser auch stellenweise etwas über ihre Mutter oder andere Familienmitglieder.
Man muss aber auch sagen, dass es nicht einfach ist, diesen Roman zu lesen. Er behandelt schwierige Themen, die sich auf sehr viele Fakten beziehen, welche auch alle immer sehr ausführlich dargelegt werden. So kommt es einerseits dazu, dass es streckenweise lange Beschreibungen gibt, die etwas trocken und langweilig wirken. Andererseits führt dies auch dazu, dass man sich sehr konzentrieren muss, um alles bis ins kleinste Detail zu verstehen und vor allem auch dem Handlungsstrang zu folgen.
Dadurch, dass immer wieder Hintergrundinformationen eingestreut werden (was grundsätzlich super ist und dafür sorgt, dass der Leser viel mehr Wissen aus der Geschichte ziehen kann), kann es schnell passieren, dass man den roten Faden der Geschehnisse rund um die Figuren aus dem Blick verliert. Man muss stark aufpassen, dass man sich merkt, an welcher Stelle man sich gerade in der Geschichte befindet und um welche Figur es gerade geht. Verliert man einmal seinen Fokus, kann es passieren, dass man Schwierigkeiten hat, sich wieder in die Geschichte einzufinden. Daher würde ich „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ auf jeden Fall älteren Lesern empfehlen, da es eine sehr anspruchsvolle Geschichte ist. Nicht nur von der Erzählweise her, sondern auch von der Thematik.
Dieser Roman dreht sich nämlich nicht nur um Zufälle, Wahrscheinlichkeiten, das Schicksal und verschiedene Meinungen dazu, sondern auch die politische Situation in Afrika sowie die dortigen Bürgerkriege spielen eine große Rolle. Man erfährt vieles darüber, dass Kinder als Soldaten ausgebildet werden oder misshandelt werden, wenn sie sich weigern. Ich muss sagen, dass ich zu Beginn nicht erwartet hatte, dass dieser Roman solch ernste Themen aufgreift und so ausführlich schildert. Ich hatte den Eindruck, dass es dem Autor wichtig war einen aktuellen Zustandsbericht darzulegen und daher seine Figuren um dies herum gewebt hat. Nichtsdestotrotz merkt man einfach auch, wie sehr J.J. Ironmonger die Thematik am Herzen liegt.
Ich fand „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ jedenfalls immer dann am spannendsten, wenn Geschehnisse oder Ereignisse in Afrika erzählt wurden. Von Überfällen durch Rebellen, Autos, welche in die Luft fliegen und dem Leben in diesem Land war alles dabei! Jedes Mal, wenn der Erzähler über dieses Land berichtete, fühlte ich mich selber in die Hitze und Trockenheit Afrikas versetzt. So waren diese Erzählabschnitte nicht nur deswegen meine Liebsten, weil sie für mich die spannendsten waren, sondern auch deswegen, weil man von einem komplett anderen Leben erfährt und durch die Worte des Erzählers direkt in die Welt Afrikas hineinversetzt wird.
Schwierig fiel es mir oftmals, die Sichtweise von Dr. Thomas Post nachzuvollziehen. Ich habe es so verstanden, dass er der Ansicht ist, dass man jeden Zufall berechnen kann. Manchmal jedoch konnte ich seinen Sichtweisen einfach nicht folgen, da sie sehr komplex sind. Zudem hat er die ein oder andere (Wahrscheinlichkeits-)Rechnung angestellt, von denen ich mir sicher bin, dass sie nicht sonderlich mathematisch sind (er kann nicht einfach nach Gutdünken aufrunden und mit gerundeten Zahlen rechnen, um ein exaktes Ergebnis zu erhalten!).
Generell fand ich es jedoch sehr interessant, dass sich „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ mit der Grundfrage auseinandersetzt, ob Schicksal und Zufälle existieren. Diese Grundlage wurde wirklich sehr schön dargestellt, da der Konflikt der Antwort durch zwei Figuren (Azalea und Thomas) verkörpert wurde. Auch eine zarte Liebesgeschichte zwischen diesen beiden Figuren blieb natürlich nicht aus, sodass sich in diesem Roman Romantik mit philosophischen Grundsätzen sowie Abenteuern in der afrikanischen Wüste vereint.
Fazit
„Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ ist ein Roman, der nicht das ist, was er auf den ersten Blick zu sein scheint. Erwartet man viele Lebensweisheiten und poetische Bezüge, so wird man wahrlich überrascht. Es ist ein Roman, der sich verschiedenen Thematiken wie Liebe, Schicksal oder Zufall widmet und dabei nicht vor bedrückenden, schwierigen Themen halt macht. Beim Lesen muss man sich wirklich konzentrieren, da es sonst schwer ist, dem roten Faden zu folgen. Auch die sehr langen Beschreibungen oder Hintergrundinformationen können den Leser schnell überfordern. Daher und aufgrund der philosophisch anhauchenden Grundzüge empfehle ich diesen Roman eher älteren Lesern. Wer dabei allerdings auf mathematische Korrektheit aus ist, dem sei hiermit schon gesagt, dass es in diesem Roman eher um die Frage des Schicksals an sich geht und nicht darum, richtig zu rechnen. „Das zufällige Leben der Azalea Lewis“ ist ein schwieriger Roman für den man sich Zeit nehmen sollte und den man eindeutig im richtigen Moment lesen muss, damit er einem gefällt.
4 von 5 Sternen!
Reihen-Infos
Einzelband