Liebe Daffy,
heute erreicht dich mein Brief von meiner letzten Amerikareise. Vor Jahren war ich schon einmal in die Welt von Jamie McGuire eingetaucht und nun bin ich zurück, um mir im zweiten Teil der Reihe Bound to you die Geschichte rund um Nina und Jared weiter anzusehen. Dieser Teil der Trilogie erschien in einer Übersetzung von Frauke Meier unter dem Titel Requiem 2015 bei ivi, ein Imprint der Piper Verlagsgruppe. Das Original hatte die Autorin 2011 im Eigenverlag herausgebracht.
Zunächst möchte ich dich auf den neusten Stand bringen, wie ich an dieses Buch herangegangen bin. Die deutsche Ausgabe des ersten Teils Providence erschien 2014 und ich vermute, um den Zeitpunkt herum habe ich es auch gelesen. Dementsprechend groß ist nun der Abstand zum zweiten Teil. Das Buch hatte mich sehr stark an Twilight erinnert und ich war gespannt, ob sich der zweite Band nun in Richtung New Moon entwickelt oder ob die Autorin nur eine ähnliche Struktur in ihrer Geschichte zur Grundlage gemacht hat. Lass mich vorwegnehmen, dass es durchaus Parallelen gibt, die aber nicht das wohlige Bella und Edward Gefühl zurückgebracht haben, sondern mich mit einem Buch konfrontiert hat, das mich doch eher entsetzt hat. Um dir meine Meinung näher zu bringen, werde ich durchaus Spoiler verwenden, da es sonst nicht begründet wirken könnte, was ich bemängeln möchte. Außerdem werde ich meine Meinung in Unterpunkten aufteilen. Wenn du das Buch zuerst lesen möchtest, ohne von mir gespoilert zu werden, empfehle ich, nur noch den nächsten Absatz zu lesen, da ich hier eine kleine Zusammenfassung bringen werde. Danach gehe ich näher ins Detail und du kannst die Rezension beiseite legen und wir treffen uns wieder, wenn du dir eine eigene Meinung bilden konntest.
Jared ist Ninas Schutzengel. Eine Aufgabe, die ihm alles abfordert, da sich die Hölle darauf vorbereitet, Krieg gegen die Engel und ihre Schützlinge zu führen. Nina wird von Albträumen geplagt, die die beiden vor ein Rätsel stellen. Handelt es sich einfach nur um schreckliche Träume oder verbirgt sich hinter ihnen eine Botschaft aus der Vergangenheit, die die Zukunft betreffen könnte? Zwischen Alltag und Übersinnlichem hin- und hergerissen, versuchen Nina und Jared mehr zu erfahren, wobei ihnen Jareds Familie tatkräftig zur Seite steht. Doch es ist gar nicht so einfach, mit einem großen Geheimnis zu leben und Nina wird in ihrer Uni- und Arbeitswelt vor die Probe gestellt, alles unter einen Hut zu kriegen und die Grenze zwischen Himmel und Hölle und der Normalität zu wahren.
Die Zusammenfassung klingt für dich beim Lesen wahrscheinlich genauso verworren, wie es sich für mich gerade beim Schreiben anfühlt. Ich finde es sehr kompliziert, den Inhalt in passende Worte zu kleiden, um einen Überblick zu geben, dir den Spaß am Lesen aber nicht zu verderben, indem ich schon alles verrate.
Das wird nämlich schon jetzt passieren, da ich etwas näher auf die Geschichte eingehen möchte. Somit nochmals der Hinweis: Bitte leg den Brief in die Schublade und nimm ihn wieder zur Hand, wenn du das Buch erst selbst lesen möchtest.
Wir erleben Reqiuem aus der Ich-Perspektive von Nina. Dadurch soll sie natürlich unsere direkte Identifikationsfigur sein und diejenige, mit der wir mitleiden und uns bei schönen Momenten mit ihr freuen. Wäre es denn so. Leider ist Nina eine Romanfigur, die mir durch und durch unsympathisch ist und die auch ausgesprochen unlogisch, dramatisch und unverantwortlich handelt. Warum ich so empfinde, folgt in den Unterkategorien Charakter, Arbeitswelt, Beziehung, Dreiecksbeziehung, Freundinnen, Verhütung und einem Handlungsstrang, der die Geschichte wohl tragen sollte, in sich aber unlogisch ist.
Ich werde hierfür einige Zeilen zitieren und habe beim Abtippen bemerkt, wie viele Fehler sich in diesem Buch befinden. Die Rechtschreibung ist eins zu eins aus dem Buch übernommen. Um das Lesen zu erleichtern, werde ich nicht auf jeden einzelnen Fehler hinweisen, doch es sollte an dieser Stelle gesagt sein, dass ich mir dessen bewusst bin und es sich nicht um Fehler meinerseits innerhalb der Zitate handelt.
Charakter
Durch die Ich-Erzählerin erleben wir die Geschichte natürlich exklusiv mit Ninas Gefühlen und Gedanken. Daher möchte ich mit einer kleinen Übersicht über ihren Charakter anfangen. Es sollen nur einige Punkte genannt werden, da die anderen Unterpunkte natürlich auch mit diesem Thema zusammenhängen. Vielleicht lernt man ihren Charakter in den anderen Kategorien noch besser kennen, da ich sie dort in Zusammenhängen vorstelle. Hier also einige Kritikpunkte, die mich beim Lesen gestört haben.
Nina ist eine schwierige Figur, die mir leider zu keinem Zeitpunkt sympathisch war. Sie wird mit einigen Problemen konfrontiert, bei denen ich aber nie das Gefühl hatte, mit ihr mitleiden zu wollen.
Wie ich im Laufe der Rezension noch erläutern und an Beispielen festmachen werde, zeigt sich Nina als eine Figur, die gern im Mittelpunkt steht und es gern sähe, wenn sich die anderen Charaktere um sie drehen wie die Planeten um die Sonne. Das wäre sie wohl auch gern; der wichtigste und strahlendste Teil des Ganzen. Über ihren verstorbenen Vater sagt sie ganz bescheiden: „Und du hast es selbst gesagt... er hat mich vergöttert.“ (S. 120)
Nina setzt sich selbst auf ein Podest und dirigiert von hier aus alles und jede/n. Hierbei ist sie auch nicht zimperlich, ausschließlich zu fordern und nicht zu geben: „Ich nickte nur, unfähig, ihm für die Worte zu danken, von denen ich nicht einmal geahnt hatte, dass ich sie hören musste.“ (S. 119)
Egal, was die anderen leisten, ihr geht es immer am allerschlechtesten. Ich habe oben in der Zusammenfassung schon gesagt, Nina wird von Albträumen heimgesucht. Das ist natürlich nicht sehr angenehm und sie schläft dadurch sehr schlecht. Doch nur, weil man eine Weile mal schlecht – es ist nicht mal so, dass sie gar keinen Schlaf bekommen würde – schläft, wird man nicht so dramatisch wie Nina es wird: „Ich drückte auf den Knopf [vom Fahrstuhl] und holte röchelnd Luft. Sogar das Atmen fiel mir schwer.“ (S. 71) Natürlich muss sie daraufhin nach Hause getragen werden. Zum Glück hat sie die Ritter in schimmernder Rüstung in ihrem Umfeld gut im Griff.
Ein kleiner Gedankensprung meinerseits, weil ich hier gern noch anführen würde, was für ein Naturtalent Nina sein muss. Es geht um das Erringen einer Sprachfähigkeit innerhalb weniger Seiten.
„Dieses Mal sprach er deutsch. Das Einzige, das ich verstehen konnte, war Landstuhl.“ (S. 88)
Nina bleibt das Gespräch also nicht zugänglich, was ja auch ein sehr interessanter narrativer Zug der Autorin war und in der gegebenen Situation vielleicht tolle Möglichkeiten eröffnet hätte, dass Nina uns nicht alles berichten kann. Doch dieses Problem löste sich auf Seite 92 wie durch Zauberhand:
„'Warum wollen Sie nach Landstuhl?', hörte ich den Fahrer auf Deutsch fragen.“ (S. 92) Auf diese simple Weise lösen sich alle Konflikte in diesem Buch.
Arbeitswelt
Wie wir im ersten Teil erfahren haben, hat Nina die erfolgreiche Firma ihres Vaters geerbt. Sie ist nun also Geschäftsführerin dieses Unternehmens und gleichzeitig noch Studentin. Klar, eine fundierte Ausbildung ist die Grundlage, um eine Firma zu leiten, von daher sehe ich hier keinerlei Kritikpunkte und finde es hervorragend gelöst, dass der Figur nicht ein weltweit erfolgreiches Unternehmen in die Hände gedrückt wurde, sondern man den Balanceakt zwischen Uni und Berufsleben miterleben kann, den Nina austragen muss. Sie ist als Praktikantin im eigenen Unternehmen angestellt und arbeitet unentgeltlich, um jede Abteilung kennen zu lernen. Finde ich toll, eine gute Idee, schöne Handlungsmöglichkeiten für die Figurenentwicklung. Leider scheitert es, meiner Meinung nach.
Ninas Charakter ist sehr aufbrausend und einer Erwachsenen selten angemessen. Das wird in ihrem Arbeitsalltag noch deutlicher. Sie merkt auf einer Betriebsfeier sehr richtig an: „Ich muss mir den Respekt der Leute hier verdienen.“ (S. 223)
Das scheint ihr jedoch sehr schwer zu fallen. Nicht, weil ihre Mitarbeiter/innen so schrecklich wären, sondern weil Nina unfähig ist.
Hier komme ich zu der Figur Sasha. Diese ist ebenfalls Praktikantin im Unternehmen und wird als sehr geradeheraus, eifersüchtig und mit allen männlichen Mitarbeitern flirtend dargestellt. Es stört mich nicht, dass die Autorin hier eine Antagonistin schaffen wollte und Sasha ausschließlich negativ durch Ninas Ich-Erzählerstimme erlebt wird. Doch Nina verhält sich ihr gegenüber sehr kindisch und nicht professionell. Sie sucht nie das Einzelgespräch zwischen Vorgesetzter und Angestellter, um Meinungsverschiedenheiten zu klären, sondern zickt sie nur in einer Tour an. Dass Sasha da wenig Respekt aufbringt, ist doch nun wirklich nachvollziehbar. Wozu sollte sie sich auch bemühen, wenn ihr selbst keinerlei Anerkennung und respektvolles Verhalten entgegen gebracht wird? Sie bekommt keine klaren Verhaltensregeln mitgegeben, sondern nur Kindergartenverhalten von Ninas Seite aus.
Gleiches Verhalten übt Nina einem anderen Mitarbeiter gegenüber aus. Hierbei handelt es sich um Grant, einen engen Vertrauten von Ninas Vater und langjährigem Mitarbeiter der Firma: „Grant hatte zehn Jahre für meinen Vater gearbeitet“ (S. 23)
Wir lernen also, Grant ist seit zehn Jahren in dieser Firma tätig, somit ist anzunehmen, seine Berufserfahrung ist durchaus beachtlich und fundiert. Ninas Ansicht zu ihrer eigenen Leistung beschreibt sie auf Seite 33 wie folgt:
„Die Wahrheit war, dass ich alles was Grant konnte, lange vor meinem Praktikum bereits gemeistert hatte und es besser konnte als er. Ich hatte ein hervorragendes Verhältnis zu unseren Kunden, und dank meiner harten Arbeit im Laufe des Sommers wurde ich auch von den Angestellten akzeptiert. Wenn er mich nicht nach Übersee schicken wollte, gab es nichts, was ich noch nicht gesehen hatte.“
Sie muss eine wahre Wundertüte sein, wenn sie sich innerhalb der Semesterferien im Sommer mehr Wissen erarbeiten kann, als ein Mitarbeiter in einer Dekade an Arbeitsjahren. Ich bezweifle, dass man ihr als Praktikantin und davor schon Aufträge gegeben hat, die sie zu einem derartigen Stand gebracht haben. Nina scheint maßlos an Selbstüberschätzung zu leiden und leider gibt es niemanden in ihrem Bekannten- oder Kollegenkreis, der sie auf den Teppich holen könnte. Ihre ach so große Erfahrung spiegelt sich dann in folgendem Verhalten wider: „Wütend stapfte ich zur Tür hinaus und gab mir alle Mühe, auf dem Weg nichts kaputt zu treten.“ (S. 24)
Ich glaube, das ist genau das richtige Verhalten, das den Kundenstamm total beeindruckt und sie sagen lässt, dass diese Frau die geborene Geschäftsführerin sei – jemand, der wie ein Kleinkind auf Dinge eintreten möchte, wenn man ein Büro verlässt.
Die Autorin macht das Fass der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz auf und ihre Hauptfigur schafft es nicht, darauf zu reagieren oder überhaupt darauf hinzuweisen, dass derartiges Verhalten inakzeptabel ist. So kommen regelmäßig Sprüche von Grant, die alle in diese Richtung gehen: „Hübscher Rock, Peanut.“ (S. 24) Das wird einfach so im Raum stehen gelassen, die Geschäftsleitung weist ihren Mitarbeiter in keiner Form auf das unpassende Verhalten hin oder bedient sich wohl überlegter Worte, die auch ihrer Stellung einer höher Gesetzten angemessen wären:
„'Guten Tag, Peanut', rief Grant mir aus seinem Büro zu.
'Verpiss dich.' Sofort ging es mir besser.“ (S. 55)
Es freut mich, dass es genau ihre Art zu sein scheint, mit der sie sich Respekt verschaffen möchte. Es klappt nämlich original gar nicht.
Beziehung
Kommen wir vom Arbeitsumfeld zu den Themen, die Ninas Verhalten gegenüber ihrer engsten Vertrauten betreffen. Es liegt nahe, hier mit ihrem Verlobten Jared anzufangen.
Nina und Jared haben mich in ihrer Konstellation immer ein wenig an Bella und Edward erinnert. Er war das fantastische Wesen, sie der Mensch, der zwischen die Fronten gerät und beschützt werden muss. Das zeigt sich zum Beispiel sehr stark, wenn Nina sich verletzt. Während eines Albtraums bohrt sie sich die Fingernägel in die Handflächen, wodurch sie kleine blutende Stellen davonträgt. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass das unangenehm schmerzt, man kann es aber alles selbst desinfizieren und ein Pflaster drauf kleben. Nicht so bei diesem Paar. Jared flippt völlig aus, verarztet Nina umständlich und dann bleibt sie auch noch wie eine Schwerkranke liegen und schickt ihn Kaffee kochen. (S. 38)
Allgemein ist ihr Verhalten ihm gegenüber etwas seltsam. Wie oben schon erwähnt, stampft sie nicht nur klein-kindhaft mit den Füßen auf und will Dinge kaputt treten, sie wirft auch mit Sachen nach Jared, wenn ihr etwas nicht passt. (S. 74)
Ihre Ausdrucksweise ihm gegenüber lässt häufig zu Wünschen übrig. In einer Situation, die ein solches Verhalten keinesfalls rechtfertigt, verhält sie sich unmöglich:
„'Ich kann allein einsteigen', fauchte ich bissig.
'Nina...' Jared lächelte […].
'Lass mich in Ruhe.'“ (S. 25)
Jared tut das Ganze auch immer mit einem Lächeln ab – egal, ob sie ihn blöd anmacht oder ihn bewirft. Nie steht er für sich ein und fordert von seiner Verlobten etwas Respekt, was wirklich nicht zu viel verlangt wäre, unmöglich wie sie sich verhält.
Wenn es Nina dann gerade passt, ist sie das anhängliche Häschen, das auf ganz unschuldig macht. An New Moon erinnerte mich eine Szene, in der sich Jared und Nina trennen müssen. Nicht, weil er sie nun beschützen möchte und als Vampir eine Gefahr für sie darstellt. Nein, Jared hat nur einen Auftrag in einer anderen Stadt und kommt nach der Beendigung dessen auch zurück. Trotz allem macht Nina eine Szene wie Bella sie auch hätte machen können:
„Panik schürte mir die Kehle zu. Wir waren schon seit so langer Zeit nicht mehr voneinander getrennt gewesen, und der Gedanke, auch nur ein paar Tage ohne ihn verbringen zu müssen, machte mir Angst.“ (S. 42)
Es ist ein Wunder, dass Jared sich nicht länger eine Auszeit von Nina genommen hat – überhaupt eine Auszeit, bei der Trennung handelt es sich ja nur um eine berufliche Aufgabe. Er reißt sich die Beine für sie aus und sie thront über allem und verhält sich wie die Axt im Wald. Das darf sie offensichtlich auch, denn keiner ruft sie einmal zur Ordnung und verlangt von ihr, angemessen behandelt zu werden. Wie gut, dass sie sich so sicher ist: „Manchmal war es zum Verrücktwerden, wie verliebt er in mich war.“ (S.18)
So bescheiden geht es mit Ninas Verhalten nämlich auch in anderen Beziehungen weiter.
Dreiecksbeziehung
Das beliebte Thema der Dreiecksbeziehung wird auch in dieser Trilogie aufgegriffen. War es im ersten Teil noch präsenter, ist allerdings auch in diesem Buch noch aktuell. Ryan war in Nina verliebt, doch die Verlobung mit Jared macht es nun sehr deutlich, dass sie für ihn nicht mehr erreichbar ist. Er entschließt sich daraufhin, sich bei der Armee zu melden und in den Krieg zu ziehen. Dramatischer geht’s wohl kaum.
Doch halt, könnte es sein, dass Nina in Ryan verliebt ist? Die Autorin greift es nicht auf, als dass ich es mit Gewissheit sagen kann, dass Nina diese Gefühle wirklich fühlt. Es kann natürlich sein, dass es nur noch unterstreichen sollte, wie begehrenswert Nina doch ist.
So schrieb Ryan noch Briefe an Nina, was er jedoch einstellt. Nina ist entsetzt: „'Er hat Josh geschrieben, nicht mir, das halte ich davon.' Ich schniefte.“ (S. 49)
Dass ihre Freundinnen ihr daraufhin sagen, dass sie dramatisiere, lässt Nina wütend werden. Sie leidet stark darunter, wenn ihr irgendjemand sagen möchte, dass sie sich unangemessen verhält, doch ich deute es auch so, als sei sie in Ryan verliebt. Dieser gesteht ihr irgendwann, dass er sie einmal geliebt habe, jetzt aber über sie hinweg sei. Nina reagiert Jared gegenüber daraufhin sehr bockig und als sei sie enttäuscht, nicht mehr der Grund für die schlaflosen Nächte sämtlicher Männer zu sein: „Er ist nicht mehr in mich verliebt. Eigentlich dachte ich, du wärest erleichtert.“ (S. 188)
Hätte sie nicht erleichtert sein müssen, weil sie ja mit einem anderen verlobt ist und den hoffentlich von Herzen liebt? Es wirkt nicht so.
Die Dreiecksbeziehung bekommt auch merkwürdige Züge, als Ryan im Krieg verletzt wird und in ein Krankenhaus nach Deutschland geflogen wird. Als Jared davon erfährt, fliegt er umgehend mit Nina von den USA nach Europa. Kaum sind sie angekommen, bekommen sie von den zuständigen Krankenschwestern die Info, dass Ryan über den Berg sei und Jared beschließt: „Jetzt, da Ryan aus dem Gröbsten raus ist, sollten wir zurückfliegen.“ (S. 109)
Natürlich, ganz klar, man fliegt mal eben von den Vereinigten Staaten nach Deutschland, wartet auf eine Aussage und fliegt dann postwendend zurück. Alles im Privatjet. Sie haben Ryan nicht einmal gesehen oder gesprochen, weil dieser nicht erfahren darf, dass sie da waren, um die Identität der Schutzengel zu schützen. Warum haben sie nicht Zuhause auf Nachricht gewartet? Was möchte uns die Autorin mit diesem Kapitel sagen? Welche Rolle räumt sie Ryan ein? Es ist völlig unverhältnismäßig und nicht nachvollziehbar. Genauso wie die Figuren, die mit der verletzten Person nicht verwandt sind, ohne Probleme an ärztliche Informationen kommen. Genau das Gleiche passiert zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal. (S. 299) Ich kann nicht über das amerikanische Gesetz sprechen, doch aus Filmen und anderer Literatur ist mir geläufig, dass auch dort eine Verwandtschaft bestehen muss, um an Informationen zu gelangen. Da Ryan einmal in einem deutschen Krankenhaus liegt, ist mein Wissen dahingehend wohl dem der Autorin voraus, dass sie sich hier eine Narration gebaut hat, die so nicht passieren kann.
Freundinnen
Ninas beste Freundinnen sind Beth und Kim.Vor der Uni treffen sie sich gern in einem Coffeeshop, gehen dann gemeinsam zu Vorlesungen und essen an einem bestimmten Tisch in der Mensa zu Mittag. Eine richtige Mädchenfreundschaft, von der Tatsache einmal abgesehen, dass Nina ihnen nichts von der übersinnlichen Welt erzählen darf, mit der sie Dank Jared konfrontiert wird. Sie hat also ein riesengroßes Geheimnis vor ihnen und kann nicht alles offen ansprechen, was sie belastet.
Das muss Nina so mitnehmen, dass sie ihren Freundinnen gegenüber ein wahres Biest ist. Nach einigen abgesagten Treffen ihrerseits, rufen die beiden Freundinnen sie an, um sie zu überreden, nun endlich wieder einen Kaffee mit ihnen trinken zu gehen. Nina sieht es als Affront gegen sich, dass ihre besten Freundinnen Zeit mit ihr verbringen möchten: „Wahrscheinlich wollen sie mich sowieso nur anschreien und mit Fragen löchern.“ (S. 68)
Warum sollten die Mädchen sie anschreien? Es gibt überhaupt keinen Grund und es tritt auch gar nicht ein, dass sie sie anschreien würden, als sie sich dann treffen. Nina nimmt sich und ihre Probleme gern wichtig. So passiert zum Beispiel ein Unglück, bei dem Nina einen Großteil ihres Hab und Guts verliert. Das ist grausam, keine Frage. Was ich mich allerdings frage, ist, warum sie ihre beste Freundin wie eine Königin herumkommandiert und sich bedienen lässt. So schickt sie Beth einkaufen, obwohl diese selbst arbeiten müsste: „'Geh für mich einkaufen. Ich brauche vor allem arbeitstaugliche Kleidung und Unterwäsche. Und eine neue Aktentasche. Make-up. […] Ich will ein Paar von denen.', sagte ich und deutete mit einem Nicken auf ihre pinkfarbenen Satinpumps. […] 'Wenn du irgendetwas findest, womit ich den Rauchgestank aus dem Haar bekommen kann... kauf es. Ganz egal, wie viel es kostet.'“ (S. 145)
Auf Seite 147 macht Nina dann aber pünktlich um siebzehn Uhr Feierabend und geht nach Hause. Haben die Geschäfte da schon geschlossen, als dass sie nicht selbst Unterhosen kaufen könnte? Offenbar ist sie sich zu fein dafür. Auf Seite 151 bringt Beth ihr die Einkäufe nämlich auch noch nach Hause und räumt es sogar in die jeweiligen Schränke. Nina rührt keinen Finger.
Dieses Verhalten ist schon unfassbar, noch unglaublicher verhält Nina sich gegenüber Kim. Nina selbst hat ein großes Geheimnis, das sie ihren besten Freundinnen nicht erzählt. Sie flippt aber völlig aus, als sie erfährt, Kim hätte ein eigenes übersinnliches Geheimnis in der Familie und Nina nicht ins Vertrauen gezogen. Das empfindet sie folgendermaßen: „Kim hatte mich hintergangen.“ (S. 111)
Das kann man durchaus so sehen, ja, wäre Nina denn immer ehrlich und offen gewesen und Kim hätte partout geschwiegen, sie vielleicht sogar belogen. Nina möchte es aber bitte so, wie sie eben eben gern hätte: „Sie hätte ein Teil meiner Normalität sein sollen, und die hatte sie mir unter den Füßen weggezogen.“ (S. 111)
Das klappt nicht, junge Dame. Weder sie, noch Kim haben sich die familiären Zusammenhänge, in denen sie jeweils stecken, ausgesucht. Es ist also absolut untragbar, wie Nina sich daraufhin Kim gegenüber verhält. Kim möchte ihr die Situation erklären, wird daraufhin aber nur blöd angemacht: „'Halt die Klappe', knurrte ich.“ (S. 103)
Spätestens da wäre ja wohl jeglicher Respekt Nina gegenüber verloren gewesen. Kim ist aber eine herzensgute Figur:
„'Sie waren meine Freunde, Jared.'
'Das sind wir immer noch', warf Kim ein.
Ich ging nicht auf sie ein.“ (S. 110)
Eine Freundin wie Kim ist doch Goldwert. Das ist der zickigen, verwöhnten Nina aber egal: „'Kim?', wiederholte ich höhnisch. 'Selbst wenn ich sie immer noch als Freundin ansehen würde […].'“ (S. 139)
An Stelle von Kim und Beth würde ich Nina nicht mehr als Freundin ansehen und sie links liegen lassen. Es kann nicht sein, dass man sich so behandeln lassen muss, wie Nina ihre beiden Vertrauten behandelt.
Verhütung
Nun haben wir schon einiges über Nina erfahren, doch nun kommt ein Punkt, der mir sehr wichtig dahingehend ist, dass junge Frauen und Männer dieses Buch lesen und die Autorin sich hier einen absoluten Fauxpas erlaubt hat, der im 21. Jahrhundert nicht tragbar ist. Es geht um das Thema Verhütung. Es sollte wirklich kein Tabu mehr sein, über dieses Thema in Romanen zu schreiben und es vielleicht auch als Chance zu nutzen, junge Leserinnen und Leser aufzuklären.
Ohne den ganzen Handlungsstrang zu spoilern, muss ich so viel sagen, dass es irgendwann herauskommt, dass Nina zum Wohle des Friedens unter keinen Umständen schwanger werden sollte.
Jetzt kommt das Problem des Buches. Es sollte Allgemeinwissen sein, welche Verhütungsmethoden es gibt,welche Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Schwangerschaft noch besteht und daraufhin hätte es, da das Thema ja schon aufgemacht wurde, ein guter Moment sein können, dieses Wissen der Leserschaft zu vermitteln.
Davon abgesehen, dass ich nicht gesehen habe, wie Nina hätte schwanger werden sollen, da man es bekanntlich vom Küssen nicht wird. Mehr tun Jared und Nina aber in diesem Teil der Reihe nicht, obwohl sie verlobt sind. In Band eins haben sie schon mit einander geschlafen, doch der zeitliche Abstand war so groß, dass von da keine Schwangerschaft bestehen konnte. Dann kam ein Satz von Nina, der mich wirklich wütend gemacht hat:
„Du musst nur bestimmen, wann ich meinen Eisprung habe, und dann bleiben wir einfach ein paar Tage abstinent. Voilà! Mission Verhütung geglückt.“ (S. 174)
Nein! Diese Aussage ist in so vielerlei Hinsicht einfach nur zum Haare raufen. Wie gesagt, von dem Faktor der Abstinenz mal abgesehen, die ja eh gegeben ist und ich es deshalb nicht verstehe, warum Nina es sagt. Wieso schafft es diese Frau nicht, ihren Eisprung selbst zu bestimmen? Das sollte – nein nicht Konjunktiv – soll jede Frau gelernt haben, um ihren eigenen Körper und die Natur des weiblichen Körpers Bescheid wissen und damit umgehen können. Wer es nicht kann, ist im 21. Jahrhundert herzlich eingeladen, das Internet zu nutzen und/ oder einen Gynäkologen zu konsultieren.
Davon abgesehen, dass es ja vollkommen in Ordnung ist, wenn sich ein Paar entscheidet, die fruchtbaren Tage der Frau zu bestimmen und dieses Wissen als Verhütung zu nutzen. Die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft ist nur verdammt hoch. Sollte man vielleicht wissen, wenn die Hölle einem den Krieg erklärt, sollte Nina schwanger werden.
Damit ist das Thema Verhütung in diesem Buch nämlich abgeschlossen und junge Leserinnen werden wieder einmal mit der Fantasievorstellung konfrontiert, dass ihr übersinnlicher Freund diesen Bereich ihres Lebens schon im Griff hat und für die Verhütung zuständig sei. Jede und jeder weiß, dass es in der Verantwortung beider liegt, für eine Verhütung zu sorgen, die nicht nur vor einer Schwangerschaft, aber auch Geschlechtskrankheiten schützt. Das hat sich die Autorin wohl sehr einfach machen wollen. Schade.
Es ist dann nämlich der Knaller schlechthin, als das Paar tatsächlich im Bett landet:
„Zum ersten Mal seit Monaten gaben wir uns einander hin, und ich empfand nicht für einen Moment Bedauern oder Besorgnis – und Jared auch nicht – bis es vorbei war.“ (S. 212)
So wird die ganze Szene beschrieben, wir haben also alle Informationen in einem Satz. Wo ist die Verhütung? Genau, Nina und Jared sind ohne „Bedauern und Besorgnis“ und ja, ohne Kondom, Pille, Spirale, o.ä. unterwegs.
Bei dieser sagenhaften Dummheit fällt mir absolut nichts ein und ich finde es untragbar, dass es als vollkommen in Ordnung dargestellt wird. Wenn die Protagonistin etwas sorglos sein soll, bleiben Autoren und Autorinnen trotz Ich-Erzähler Möglichkeiten, aufzuklären, dass ihre Figur gerade eine Dummheit begangen hat und nun Konsequenzen zu tragen hat, die sie auch überdenkt und einsieht. Passiert nicht. Es ist alles Friede-Freude-Eierkuchen und ganz toll. Diese Unterkategorie meiner Rezension hat also nicht einmal den einen Stern verdient, den ich dem Buch allgemein gegeben habe.
Ein wichtiger Handlungsstrang, der leider unlogisch ist
Kommen wir zu dem Punkt, bei dem du dich oben sicher schon gefragt hast, was sich dahinter verbergen könnte (oje, das klingt jetzt hoch dramatisch und wie ein Kinotrailer). In der Zusammenfassung war ja schon die Rede davon, dass Nina unter Albträumen leidet und Jared und sie herausfinden müssen, was es damit auf sich hat. Die Auflösung des Letzteren ist eine schöne Idee und darauf möchte ich nicht weiter eingehen; das darfst du beim Lesen selbst entdecken. Doch die Ursache für die Albträume ist ein unnötig Spannung aufbauender Handlungsstrang, den die Autorin – entschuldige meine Wortwahl – verhauen hat.
Nina und Jared sind im ersten Buch zusammengezogen. Somit ist klar, sie schlafen auch in einem Bett. Das einmal zur Ausgangssituation. Jede Nacht wacht Nina schweißgebadet auf, weil sie wieder einmal einen Albtraum hatte. In einer Nacht hat Jared jedoch einen Auftrag und ist nicht da, Nina schläft prompt wie ein Stein und hat keinerlei schlechte Träume. Man könnte meinen, die Leser/innen sollten das erfahren und die Figuren blieben noch im Ungewissen. Doch nein, Nina und Jared haben das Problem nicht nur erkannt, Nina spricht es sogar aus: „Ja. Jared hat die Stadt verlassen, und ich falle prompt ins Koma oder so was in der Art.“ (S. 49)
Das Rätsel ist also gelöst. Jareds Anwesenheit ist der Auslöser der Träume. Die Autorin könnte es als gegeben hinnehmen und einen neuen Spannungsbogen aufbauen. Doch leider steckt sie dermaßen in einer Sackgasse, dass es mich schier wahnsinnig gemacht hat.
Es folgt eine merkwürdige Aussage auf Seite 66: „Er [Jared] hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass der Albtraum stets in der Sekunde begann, in der er die Augen schloss.“
Ich darf verraten, dass es überhaupt nichts damit zu tun hat, ob Jared die Augen offen oder geschlossen hat. Doch es bleibt der Umstand, dass die Leserschaft keinen Wissensvorsprung hat und die Figuren nicht darum wüssten, was die Träume auslöst. Es wurde nun zwei Mal benannt.
Ich las einige Seiten weiter, da kam dann die folgende Szene: Jared hat wieder einmal die Stadt verlassen, um einer Aufgabe nachzugehen. Jareds kleiner Bruder Bex passt auf Nina auf und am nächsten Morgen bemerkt er:
„Das ist das dritte Mal, dass du tief und fest geschlafen hast, wenn er die ganze Nacht nicht da war. Das kann kein Zufall sein.“ (S. 72)
Nein! Richtig! Es kann kein Zufall sein. Das wisst ihr doch aber nun schon längst?! Wozu also Ninas Befürchtung, Bex könnte es Jared erzählen? Sie möchte nicht, dass sich Jared nach Bex' Erzählung von ihr fernhalt, also droht sie ihm: „Weil du es ihm nicht erzählen wirst.“ (S. 72)
Jared weiß es doch längst. Wir wissen es alle längst. Was? Wozu? Häh?
Doch der dicke Hund kommt erst noch. Jared erfährt es nun doch brühwarm – er leidet an Gedächtnisschwund oder was? – und nun üben er und Nina jede Nacht, ob Nina Albträume bekommt, wenn er sich an verschieden weit entfernten Orten aufhält bzw. ab welcher Distanz die Albträume anfangen. (S. 77)
Ich würde brüllen, wenn ich es in einem Brief denn für angemessen hielte. Es war eine unnötige Handlung, die unfassbar aufgeplustert wurde und mich wirklich am Verstand der Figuren hat zweifeln lassen. Ein Umstand, der auf Seite 49 gelöst wird, hat auf Seite 77 nicht noch das große, mysteriöse Problem zu sein.
Fazit
Das war wohl mein bisher längster Brief und ich habe sehr viel angesprochen, was mich während und nach dem Lesen beschäftigt hat. Was ist wohl mein größtes Problem mit dem Buch, weshalb ich in meiner Wertung nur einen Stern gegeben habe?
Es ist eindeutig die Protagonistin Nina: „Also das ist beleidigend. Hältst du mich wirklich für so hilflos?“ (S. 176)
Ja, ich halte diese Figur für hilflos. Doch wäre es nur das. Nina ist eine Figur, die keinerlei Identifikationspotenzial bietet, die ihr Umfeld unpassend und respektlos behandelt. Sie nimmt sich selbst zu wichtig und verhält sich kindisch und unverantwortlich. Teilweise möchte ich sogar von purer Dummheit sprechen. Ihr Charakter, aber auch die Handlung des Buches sind unlogisch aufgebaut und weisen Fehler auf, die das Lesen nicht angenehm gemacht haben.
Ich habe ausgeführt, welche Ausbrüche sie hat und wie unflätig sie sich ausdrückt, meint aber von sich selbst: „Mein einziger Vorteil war die monatelange Übung darin, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten.“ (S. 105)
Das Buch wirkt unüberlegt und in seinen Handlungssträngen nicht schlüssig. Ich würde gern die anderen Figuren besser beurteilen, doch durch die Ich-Erzählerstimme Ninas weiß ich ja nur, was Nina von ihnen hält und wie sie über sie denkt. Ob Jared, Bex, Ryan, die Freundinnen, alle wirken sehr viel sympathischer als Nina, die sich über alle hinwegsetzt. Doch auch Jared, den wir noch ganz gut kennen lernen, wirkt stellenweise handlungsunfähig und gleichgültig. Wer nicht für sich einsteht, die Partnerin so über einen herrschen und bestimmen lässt, dann aber das Thema Verhütung genauso locker angeht, ist für mich keine ernstzunehmende Figur.
Ich kann dieses Buch nicht empfehlen und bereue, dass ich auch den dritten Teil schon gekauft habe, weil ich die Trilogie abschließen wollte. Vielleicht werde ich einmal rein lesen, doch große Lust habe ich nicht.
Deine Daisy