Pageturner, trotz kleiner Schwächen.
Sara fällt aus allen Wolken, als ihr mitgeteilt wird, dass ihr Schwager Paul ermordet wurde und ausgerechnet ihre Schwester Christina als dringend tatverdächtig gilt. Es stellt sich jedoch heraus, dass ...
Sara fällt aus allen Wolken, als ihr mitgeteilt wird, dass ihr Schwager Paul ermordet wurde und ausgerechnet ihre Schwester Christina als dringend tatverdächtig gilt. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Ehe zwischen „Tina“ und Paul schon längst nicht mehr glücklich war und Tina außerdem von ihrem Mann misshandelt wurde.
Dennoch kann Sara, deren Ehe ebenfalls nicht mehr glücklich ist, nicht glauben, dass ihre Schwester eine kaltblütige Mörderin ist. Da die Polizei sich scheinbar schon auf Tina als Täterin „eingeschossen“ hat, will Sara Licht ins Dunkel bringen und ermittelt auf eigene Faust. Ihre erste Spur führt sie zu einer Frauenselbsthilfegruppe, die sich durch ein Internetforum kennen gelernt hat und an die sich Tina in ihrer Not gewandt hatte.
Alle diese Frauen wurden von ihren Ehemännern misshandelt und unterdrückt. Die Leiterin der Gruppe, Valeska, bringt Sara dazu, sich der Gruppe anzuvertrauen und Sara begreift zum ersten Mal, dass auch sie in Bezug auf ihre Eheprobleme langsam aktiv werden muss.
Als allerdings noch zwei weitere Männer getötet werden deren Frauen ebenfalls zur Selbsthilfegruppe gehören, wobei eine der Frauen zur Tatzeit im Krankenhaus lag, scheint sich Saras Verdacht zu verdichten, dass jemand anderes hinter den Morden steckt, als die unglücklichen Ehefrauen. Doch ihre Ermittlungen bringen Sara in Teufels Küche- sie schreckt nicht nur den wahren Täter auf, sondern manövrieren sie zudem auch noch in eine echte Ehekrise, da Ronny, Saras Ehemann keinerlei Verständnis für ihre Nachforschungen hat. Einzig Tinas Rechtsanwalt Michael steht Sara zur Seite…
„Ich sehe Dich“ ist ein Psycho-Thriller aus deutschen Landen, der zugleich der Debütroman der Autorin Janet Clark ist. Für ein Debüt fand ich diesen Krimi allerdings bemerkenswert gut geschrieben und atmosphärisch dicht- ein wenig vergleichbar mit den Romanen von Petra Hammesfahr.
Das Hauptthema des Romans ; Gewalt gegen Frauen innerhalb der Ehe, ist sehr realistisch dargestellt worden und wird sehr sensibel von der Autorin behandelt- will sagen, man kommt hier ganz ohne Effekthascherei aus, es werden lediglich die nüchternen, traurigen Fakten geschildert, die betroffen machen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht Sara, deren Schwester unter Mordverdacht gerät. Sara ist verheiratet mit Ronny und hat einen Sohn mit ihm. Zwar wird Sara von ihrem Mann nicht geschlagen doch er unterdrückt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit und lässt kein gutes Haar an ihr. Natürlich leidet darunter auch Saras Selbstbewusstsein- als sie sich jedoch in ihre Ermittlungsarbeit stürzt, damit Tina entlastet werden kann, ist es für sie auch eine Art Befreiungsschlag, um wieder mehr Abstand zu gewinnen und endlich aktiv zu werden.
Während sich die ersten 150 Seiten jedoch trotz des sehr guten Schreibstils etwas schleppend anlassen, nimmt der Roman etwa ab der Mitte immer mehr an Fahrt auf und wird von einem Selbstfindungsroman plötzlich zu einem waschechten Psycho-Thriller; als auch der Mörder aus dem Off immer wieder zu Wort kommt und dem Leser Einblicke in seine „kranke“ Gedankenwelt gibt.
Eine weitere Heldin und Schlüsselfigur des Romans ist Lydia, die auch zur Frauengruppe gehört und die ebenfalls eine traurige Vergangenheit bewältigen muss, um endlich wieder angstfrei leben zu können.
Obwohl ich von „Ich sehe Dich“ sehr angetan war, habe ich dennoch ein paar Punkte daran zu bemängeln. Während die sich anbahnende Ehekrise zwischen Sara und Ronny recht ausführlich geschildert wird, lässt das ab dem Zeitpunkt der Eskalation abrupt nach und man wartet als Leser vergeblich auf eine letzte, klärende Aussprache zwischen dem Ehepaar. Auch Saras zärtliche Annäherung zu einem anderen Mann war in meinen Augen völlig überflüssig für die Story, zudem sie auch sehr stiefmütterlich behandelt wurde und so eher schmückendes aber unnötiges Beiwerk war.
Außerdem hätte ich mir mehr tiefgründige Gespräche zwischen Sara und Tina gewünscht- es mutet ein wenig befremdlich an, dass die Heldin fest an die Unschuld ihrer Schwester glaubt, obwohl diese ihr verschwiegen hat, dass sie von ihrem Mann geschlagen wurde und sogar ihre Mordphantasien an Paul in einem Forum kundtat. Sara beginnt mit ihren Ermittlungen, versäumt es aber im Laufe der kompletten Story sich mit Tina ernsthaft über deren Probleme zu unterhalten.
Wären diese angesprochenen Kritikpunkte nicht gewesen, hätte ich dem Roman eine Höchstbewertung gegeben. Dennoch ist dieser Psycho-Thriller empfehlenswert, sehr spannend gemacht und ein echter Pageturner, den man nicht so schnell zur Seite legen kann!