Janne Teller. glänzt erneut mit einer kritischen Gechichte
"Irgendwie ist das Leben ganz anders geworden, als es hätte werden sollen. Jemand kam und stahl dein Leben und machte es zu etwas anderem. Zu etwas, was weder hier noch dort ist."
Inhalt:
Stell dir vor, ...
"Irgendwie ist das Leben ganz anders geworden, als es hätte werden sollen. Jemand kam und stahl dein Leben und machte es zu etwas anderem. Zu etwas, was weder hier noch dort ist."
Inhalt:
Stell dir vor, wir hätten Krieg. Heute, jetzt hier. Das Deutschland, das du kennst, existiert nicht mehr, ist dem Erdboden gleich. Dein Tagesziel ist: überleben, deine Familie versorgen. Deine Mutter ist krank, deine Schwester zu klein und dein Bruder arbeitet hart. Der einzige Ausweg, bleibt ein Leben als Flüchtling. Du erkämpfst so gerade das Asyl in Ägypten für dich und deine Familie, nur um dem Geräusch der Bomben zu entfliehen. Doch egal wo du jetzt auch sein wirst, dein Leben wird nie wieder das sein, was es mal war. Du wirst dich nie wieder irgendwo fühlen, wie zu hause. Du wirst immer ein Fremder sein. Stell dir all dies vor und sag mir dann, wie es sich anfühlt [...]
Meinung:
Ich bin regelrecht begeistert. Ich hatte ja bereits "Nichts" von Janne Teller gelesen und empfand es als sehr kritisches Werk, dass beim Leser nachpocht. Es war eher schockierend als lustig oder aber auch spannend, doch es hat zum Nachdenken angeregt und zu einem Meinungsbild gezwungen. Jetzt, nach "Krieg" bin ich wieder mitgenommen und in meinem Kopf schwirren die Gedanken. Meiner Meinung nach, hat Janne Teller sich erneut mit einem kritischen Thema auseinandergesetzt, auf ihre ganz eigene Weise. Dabei ist der Gedanke ganz nahe, dass die geschriebenen Worte, Wirklichkeit werden können. Denn so fern sind ihre Ansätze nicht. Auf ca. 64 Seiten beschreibt die Autorin, wie es wäre, wenn in Deutschlang Krieg herrschen würde. Dabei setzt sie ganz gewollt und geschickt die Anrede "Du" ein. Damit fühlt sich der Leser direkt angesprochen und kann augenblicklich in das Geschehen eintauchen.
Wie auch in ihren vorherigen Werken, schreibt sie sehr kurze und knappe Sätze, die alles direkt auf den Punkt bringen. Dabei lässt sie überflüssige Beschreibungen weit hinter sich. Ich für meinen Teil, habe diese Beschreibungen nicht gebraucht, denn duch die Ansprache per "du" habe ich auch so gut in die Geschichte gefunden. Trotzdem weiß ich, dass viele besonders damit Probleme haben. Besonders die Tatsache, dass die Handlung relativ schnell voran schreitet und das Buch wenige Seiten hat, wird es vielen bestimmt erschweren, sich einzufühlen. Ich bin jedoch damit gut zurecht gekommen und fand, dass der Schreibstil auch zur Handlung passt.
Beschrieben wird aus der Sicht eines Jungen, der zu Anfang um die 16 Jahre alt ist. Zusammen mit seiner Familie muss er aus dem Krieg in Deutschland flüchten. Dabei hat er als persönlichen Gegenstand sein Tagebuch im Gepäck. Einige Male, habe ich mir beim Lesen gedacht, dass das Buch, einem Tagebuch ähnelt, weil die Sätze knackig und kurz sind und wirklich nur wesentliche Züge beschreiben. Dies ist jedoch nur mein empfinden gewesen, ich weiß nicht, ob dieser Eindruck von der Autorin gewollt war.
Was ich besonders schön fand, war vorallem die Aufmachung des Buches. Die Autorin selbst, beschreibt es als "Essay". Aufgemacht ist das Cover wie ein Pass, was genau zum Inhalt passt. Schließlich ist die beschriebene Familie auf der Flucht in ein anderes Land und dafür mussten sie sich u.a. einen neuen Pass zulegen und ihr ganzes Erspartes verbrauchen. Des weiteren, sind die Seiten mit Bildern geschmückt, die sehr gut an den Inhalt angelehnt sind.
Abschließend kann man sagen, dass dieses Werk wohl nicht jedem gefallen wird, meiner Meinung nach jedoch genug kritisches Material liefert, dass nach dem Lesen im Kopf nachpocht und einen kritisch werden lässt. Schließlich sind wir alle ein Teil dieser Welt, dieses Landes und demnach ist es auch unser Handeln, was später zu bestimmten Situationen und Entscheidungen beiträg. Besonders die Frage nach dem "zu hause" schwirrt mir, selbst gerade noch im Kopf umher. Dazu sind ein paar Zeilen beschrieben, die mir wirklich unter die Haut gegangen sind:
"Für die Deutschen, die während des Krieges im Land blieben, giltst du als Verräter. Für die neuen, französisch eingestellten Behörden stehst du wegen der Rolle deines Bruders bei der Milizia auf der Liste der Feinde [...] Trotzdem bist du ein Fremder. Trotzdem denkst du jeden Tag daran, wann du nach Hause zurückkehren kannst. Nach Hause. Nach Hause?"
Ein Flüchtling ist weder in seiner ehemaligen Heimat zu hause, noch in dem Land, in dem er Zuflucht bekommt. Man wird innerhalb weniger Tage heimatlos, deshalb ist das Einzige, an das man sich klammern kann, seine Familie.
Janne Teller. glänzt erneut mit einer kritischen Gechichte, in welche sie den Leser gekonnt verwebt. Man fühlt mit, hat angst, ist traurig und kämpft um sein Leben - ein besseres Leben. In einer Heimat, die nie heimisch sein wird. Die Worte in "Krieg: Stell die vor, er wäre hier", schmecken bitter nach und hinterlassen mehr Fragen als Antworten, doch schließlich muss man manchmal eine Frage in den Raum werfen, damit Andere anfangen zu denken. Ich werde Janne Teller auf jedenfall im Auge behalten, denn ich glaube und weiß, dass von ihr noch weitaus mehr zu erwarten ist - ich bin gespannt und hoffe, dass sie weitere Werke verfasst, die nicht im Schatten von "Krieg" und "Nichts" verweilen werden.