Cover-Bild Patina
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5,00
inkl. MwSt
  • Verlag: HÖRCOMPANY
  • Genre: Kinder & Jugend / Jugendbücher
  • Ersterscheinung: 22.11.2018
  • ISBN: 9783945709825
  • Empfohlenes Alter: ab 12 Jahren
Jason Reynolds

Patina

Was ich liebe und was ich hasse. Gelesen von Anja Hansen-Schmidt. 4 CDs, ca. 5 Stunden und 08 Min.
Anja Hansen-Schmidt (Übersetzer)

Patina rennt wie ein Blitz. Sie rennt für ihre Ma, die aufgrund ihrer Diabetes beide Beine verloren hat, sie rennt für ihre kleine Schwester Maddy, und sie rennt, um endlich all die Verantwortung, die auf ihr lastet, abschütteln zu können. In der Schule gehört Patina zu einer der Besten, zu Hause kümmert sie sich liebevoll um Maddy und versucht, die komplizierte Familie zusammenzuhalten. Für Albernheiten und Kindsein bleibt wenig Spielraum. Nur selten kommt Patina überhaupt zum Träumen. Doch beim Rennen vergisst Patty alles. Dann ist sie nur noch Rhythmus und Geschwindigkeit.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.06.2020

Lauf für Deine Chance!

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Patina ist gerade überall die Neue. In der Chester Academy, der feinen Schule für fast nur weiße Schüler und in ihrem Laufteam den Defenders, gefühlt aber auch in ihrem eigenen Leben. Sie ist 15 Jahre ...

Patina ist gerade überall die Neue. In der Chester Academy, der feinen Schule für fast nur weiße Schüler und in ihrem Laufteam den Defenders, gefühlt aber auch in ihrem eigenen Leben. Sie ist 15 Jahre alt und vor fünf Jahren starb plötzlich ihr geliebter Vater, er wachte morgens einfach nicht auf! Dabei war er so voller Lebensmut, er war gerade dabei sich seinen Traum zu erfüllen und Konditor zu werden! Ihrer Mutter ging es schon vorher nicht ganz so gut, sie hatte Taubheitsgefühle in den Füßen. Aus Frust über den Verlust futterte sie jede Menge süßes Gebäck und erst mussten ihr wegen der Diabetes die Zehen amputiert werden, dann die Füße und schließlich die Unterschenkel. So konnte sie ihre zwei Töchter nicht mehr alleine versorgen und Patti und ihre kleine Schwester Maddy wurden liebevoll von ihren Paten, Onkel Toni, dem Bruder ihres Vaters und seiner weißen Frau genannt Marmie aufgenommen. Beide geben sich unglaublich viel Mühe mit den Mädchen, aber so ganz ohne ihre Freunde und in der Gewissheit, dass es ihrer Ma immer schlechter geht, ist es nicht einfach. Immerhin ist in ihrem Laufteam auch Sunny, der auch in ihrer alten Schule war. Im Team sticht sie farblich nicht heraus, aber wird sie es auch schaffen eine Teamplayerin für die 4 x 800 m – Staffel zu werden und sich unter ihren aufgetakelten Mitschülerinnen zu behaupten?

Ich bin mir meiner Hautfarbe meistens nicht bewusst. In ihrer Kindheit in ihrem „normalen“ Viertel und auf der staatlichen St. Barnabys Middle School mit überwiegend farbigen Schülern, war dies für Patina auch kein so großes Thema. Sie fühlte sich gut und vor allem normal. Sie waren nicht reich, nicht arm, das Leben hielt für sie Chancen und Hoffnungen bereit. Nun ist es ein ständiger Kampf. Ihr Kopf ist voll gestopft mit To-Do-Listen! Sie will ihre Ma nicht enttäuschen, Onkel Toni und Marmie, die sie so liebevoll aufnahmen, auch nicht, im Team will sie siegen und in der Schule den Anschluss nicht verlieren. Das letztere ist ganz schön schwierig, wenn alle sich schon seit dem Kindergarten kennen und strahlend weiß sind. Alle sind strahlend und geschminkt, was ihre Ma ihr verbietet. In der Cafeteria sitzt sie stets allein und nun sollen sie für Geschichte ein Gemeinschaftsprojekt bearbeiten zum Thema: Frauen, die die Welt veränderten. Die ganze Gruppe bekommt eine gemeinsame Note und sie braucht eine gute Note, damit alle auf sie stolz sind! Ausgerechnet sie ist mit den hohlköpfigen Taylors und der für sie nicht einschätzbaren Becca in einer Gruppe! Ihr Thema und das was sie dazu herausfinden, finde ich übrigens sehr interessant und auch mir war nicht alles bekannt, obwohl ich mich mit ihr bereits beschäftigt habe.

Für Patina ist das Leben nach einer glücklichen Kindheit zu einem einzigen Kampf geworden. Dabei bekommt sie eine gute Ausbildung, hat ein liebevolles Dach über dem Kopf, es fehlt ihr scheinbar an nichts, außer an innerer Ruhe! Der Verlust hat sie stark geprägt und gezeichnet. Für mich unvorstellbar. Patti bezeichnet ihr früheres Leben, als normal, sie waren nicht arm und nicht reich. Scheinbar aber nicht gut medizinisch versorgt, ein ganz typisches Problem der schwarzen Bevölkerung, nicht nur in Amerika, auch im Vereinigten Königreich sind sie von den schweren Folgen von Corona ganz besonders betroffen, wegen der schlechten medizinischen Grundversorgung. Dass die Mutter wegen Diabetes schon in jungen Jahren die Beine verliert, für mich hier unvorstellbar. Dann muss sie auch noch zweimal die Woche ins Krankenhaus zur Dialyse!Ein Albtraum! Das Thema Diabetes in der schwarzen Bevölkerung geht derzeit oft durch die Medien, keine ausreichende Versicherung, Obama Care soll abgeschafft werden... Aber hier kam ich ins Grübeln. Wenn sie sich kein Insulin leisten kann, wer bezahlt dann die teure Dialyse und die Amputationen? Das wird leider überhaupt nicht angesprochen. Vielleicht war dies für den Autor so selbstverständlich und normal, dass er es nicht der Erwähnung wert fand, vielleicht fiel dies den geringen Kürzungen zum Opfer, vielleicht wurde es für die Zielgruppe als zu langweilig eingestuft? Mich würde es brennend interessieren, das Gesundheitssystem finde ich spannend.

Patina wächst völlig anders auf als Ghost, viel behüteter und doch auch voller Elend. Ihre Normalität, ist sicherlich nicht die meiner blonden Töchter. Für Patina ist Leben ein Kampf und jetzt kämpft sie gerade mit sich. Sie ist das Kämpfen so gewohnt, dass das Spielerische fehlt, sie ist kein Teamplayer, ein Versorger ihrer Schwester ja, aber wenn sie verliert, kennt sie keine Verwandten mehr! Selbst der zweite Platz ist kein Sieg, sondern eine Niederlage. Ihr Trainer erkennt es und nimmt sie hart heran. Dabei greift das Trainerteam zu ungewöhnlichen und für die Jugendlichen peinliche Maßnahmen. Doch sie wirken!

Pattis Leben ist für mich unvorstellbar. Wenn was ist, geht man zum Arzt. Medikamente, die man benötigt, sind bezahlbar. Elite-Schulen nur für einen Teil der Bevölkerung, haben wir hier fast gar nicht. Für mich ist es wohl ebenso fremd, wie Ghosts täglicher Kampf ums Überleben. Patti kämpft darum jung zu sein. Apropos Ghost, seine Geschichte endete vor seinem großen Lauf, was ich ziemlich frustrierend fand, hier erfährt man, wie er endete. Ich war sehr froh, dass dieser Erzählstrang wieder aufgegriffen wurde. Allerdings endet Patinas Geschichte ähnlich abrupt und man muss Sunnys Story folgen, um zu erfahren, wie es mit ihr weiter geht.

Patinas Leben ist nicht so, wie wir uns das Leben der schwarzen Comunity in den USA vorstellen. Daher hätte ich mir z.T. mehr Erklärungen gewünscht. Wie wird die teure Privatschule für Patti und Maddy bezahlt? Nur weil ihre Tante weiß ist und einen weißen Krankenhauskittel trägt, ist sie nicht automatisch reich. Heißt die Farbe des Kittels, dass sie Ärztin ist? Woher nimmt sie die Zeit, sich auch noch um die Schwägerin zu kümmern und warum schritt sie dann nicht früher ein? Klar, Patina wird fürs Studium ein Stipendium benötigen und da ist das Laufleistungsteam der beste Weg. Aber das wird leider nicht angesprochen. Es wird immer nur betont, dass sie bessere Noten braucht, aber warum? Das fehlt mir, da fand ich Ghost einfach schlüssiger, dabei hat mich der Einstieg mit dem Eintauchen in Pattis Leben echt erschüttert und die Einblicke in die ihrer Mitschülerinnen ließen mich bisweilen schadenfroh grinsen.

Jodie Leslie Ahlborn mag ich als Sprecherin sehr gerne. Sie hat mich auch diesmal nicht enttäuscht, sie klingt jung, bisweilen etwas zickig, bockig, teeniehaft eben und dann wieder wild entschlossen oder desillusioniert. Doch habe ich beim Hören nie vergessen, dass sie weiß ist. Dafür ist sie mir einfach zu bekannt. Die Illusion, farbig zu sein, konnte sie mir nicht vermitteln. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Sprechergenre in Deutschland noch viel blassgesichtiger ist, als die Schauspielerriege. Warum? Keine Ahnung! Klar, Stimmen haben keine Hautfarbe, aber wenn ein Sprecher so bekannt ist, wie Jodie Ahlborn, hat man oft auch ein Gesicht vor Augen, wenn man nicht ganz tief in der Geschichte versinken kann. Hier wurde ich nicht von der mangelnden Qualität der Sprecherin abgelenkt, sondern durch Grübeleien über das Schul- und Gesundheitssystem und deren Finanzierung. Wer bezahlt die Dialyse? Wer bezahlt die Schule? Bei Ghost war klar: es gibt kein Geld für nix! Und er hatte auch nichts. Bei Patina ist es anders, komplizierter, aber wie? Nun bin ich Juristin und interessiere mich für solche Dinge, die Zielgruppe ab 12 Jahren wohl eher weniger... das kann der Grund dafür sein, warum diese Themen nicht so ausgebreitet werden, denn oft liegt in der Kürze die Würze. Im Mittelpunkt steht eine andere Art von Armut. Die Diskriminierung im Gesundheits- und Bildungssystem und die Bedeutung die Leistungen im Sport in den USA haben (Danke, dass ich hier geboren wurde!).

Jason Reynolds weiß, wovon er erzählt. Er ist aktuell einer der wichtigsten jungen, schwarzen Autoren der USA. Er studierte Literaturwissenschaften und kreatives Schreiben. Er hat nicht nur etwas zu erzählen, was es unbedingt wert ist gehört zu werden, er vermag es auch so zu schildern, dass man einfach zuhören muss!

Für alle die fürchten, dass eine Geschichte über ein Laufteam langweilig ist: Nein, das ist sie ganz und gar nicht. Hier bekommen junge Hörer/Leser Einblicke in eine für uns fremde, unvorstellbare Welt. O.k. Wir haben im Laufe der Corona-Krise gelernt, dass wir in Deutschland mit unserem Gesundheitssystem gesegnet sind und die gute Versorgung auch in Europa nicht selbstverständlich ist, aber das ist für uns wohl immer noch außerhalb des Denkbaren, was Pattis Familie geschieht. Auch die schulischen Ungleichheiten, sind in den Bundesländern, in denen es viele Privatschulen gibt wie z.B. NRW und Hessen für mein Empfinden nicht so krass. Eine sehr wichtige Reihe, um den Nachwuchs spüren zu lassen, was die Menschen auf die Straßen treibt, um für mehr Gerechtigkeit und das Recht auf Leben, für jede Hautfarbe zu demonstrieren!

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