Alltag im Leuchtturm
Abraham gießt das Kleinklein eines (wenn auch ungewöhnlichen) Alltags in bildgewaltige und oftmals schwermütige Worte. Ein fragiler, intimer Einblick in das Leben am Rande der Zivilisation, den Kräften ...
Abraham gießt das Kleinklein eines (wenn auch ungewöhnlichen) Alltags in bildgewaltige und oftmals schwermütige Worte. Ein fragiler, intimer Einblick in das Leben am Rande der Zivilisation, den Kräften der Natur ausgesetzt.
Wer mich und meinen Blog kennt, weiß: Leuchttürmen bin ich verfallen und der festen Überzeugung, die geborene Leuchtturmwärterin zu sein. Leider im falschen Jahrhundert geboren. Dementsprechend konnte ich dieser Neuauflage von Jean-Pierre Abrahams Aufzeichnungen seiner Zeit im bretonischen Leuchtturm Ar-Men natürlich nicht widerstehen!
Und das sei vorweg gesagt: Dieses Buch ist genau das - Aufzeichnungen. Eine lose Aneinanderreihung von Tagebucheinträgen. Chronologisch zwar, aber unregelmäßig. Mal liegen Stunden zwischen den Texten, mal Tage. Einen klassischen Spannungsbogen, ein Anfang und ein Ende, einen roten Faden gibt es nicht.
Das Buch lebt von der nüchternen, schlichten Sprache und den gewaltige Bildern, die sie zugleich zaubert, der Gedankentiefe des Autors und der kleinteiligen Beschreibung des Lebens- und Arbeitsalltags. Der Ton ist dabei melancholisch, aber nicht anklagend - für Jean-Pierre Abraham ist Ar-Men nicht "die Hölle der Höllen" und doch scheint er rastlos, unzufrieden und wie getrieben. Mich begeisterten die tönenden Beschreibungen, etwa des Messingputzens, des aufgewühlten Meeres und allgemein des Wetters - die Sprache ist knapp und präzise, genau wie die Beobachtungen und Vergleiche.
Ich habe es geliebt, in den Alltag förmlich einzutauchen und in Gedanken vor Ort zu sein, mich fast schon wie eine Leuchtturmwärterin zu fühlen. Mit den geistigen Ausschweifungen des Autors hatte ich jedoch meine Schwierigkeiten; sowohl wegen des bedrückenden Tons, als auch weil ich oft nicht folgen konnte. Es blitzen immer wieder Erinnerungen in ihm auf, die er jedoch nur anreißt, nicht aber ausführt; abrupte Gedankenabbrüche und überraschende Wiederaufnahmen zwischen den Alltagsschilderungen ließen mich im Unklaren darüber, was genau ihn bekümmert und bewegt.
Schön fand ich auch das Nachwort der Übersetzerin Ingeborg Waldinger, aus dem ihre Begeisterung für Werk und Autor nur so sprüht und das zur Einordnung und als Lektürehilfe hilfreich ist.
Dennoch blieb im am Ende des Buches unbefriedigt zurück; ich habe das Gefühl, die Botschaft des Autors nicht verstanden zu haben, die Aussagen nicht greifen und in ihrer Tiefe erfassen zu können. Habe ich mein eigenes Verhältnis zum Meer an einigen Stellen zwar in Abrahams Worten wiederfinden können und die Poesie seiner Worte oftmals bewundert, arbeitete ich mich doch mehr durch die Seiten, als dass ich das Buch genoss. Diese fragmentarische Erzählung ist wenig gefällig und nicht geschlossen; eher kein Buch für das breite Publikum.