Stolz und Vorurteil
1882 New York. Die 24-jährige Millie Longfellow wuchs in einem Waisenhaus auf und arbeitet nun als Kindermädchen für die reicheren Familien New Yorks. Doch leider kann sie ihre Jobs nie lange halten, hat ...
1882 New York. Die 24-jährige Millie Longfellow wuchs in einem Waisenhaus auf und arbeitet nun als Kindermädchen für die reicheren Familien New Yorks. Doch leider kann sie ihre Jobs nie lange halten, hat sie doch recht eigenwillige Methoden in punkto Kindererziehung, mit denen hauptsächlich die Eltern der Kinder nicht einverstanden sind. Gerade wurde sie wieder entlassen, als sie vor der Jobvermittlungsstelle auf den begehrten Junggesellen Everett Mulberry trifft, der händeringend ein Kindermädchen sucht für seine 3 Patenkinder, die bei ihm seit dem Unfalltod ihrer Eltern leben. Er kommt mit den Kindern überhaupt nicht zurecht, die Kindermädchen nehmen alle Reißaus und seine Verlobte Caroline Dixon plant schon, die drei ins Internat abzuschieben. Everett beschließt in seiner Notlage, Millie eine Chance zu geben, obwohl er nur mäßig davon begeistert ist. Gleich zu Beginn ihrer neuen Aufgabe steht Millie vor einer großen Herausforderung, denn sie soll Everett und die Kinder nach Newport ins Sommerhaus begleiten. Die Kinder sträuben sich immer wieder gegen Millie und ihren Onkel, doch nach und nach gewinnt Millie ihr Vertrauen. Wird auch Everett erkennen, dass mit Millie seine Wahl gar nicht so schlecht war?
Jen Turano hat mit ihrem Buch „Ein Kindermädchen zum Verlieben“ einen wunderschönen und fesselnden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und bildhaft, schnell taucht der Leser in die vergangene Zeit ein und lässt sich von den teils humorvollen und spritzigen Dialogen verzaubern. Von Beginn an begleitet der Leser Millie bei all ihren Aktivitäten und stellt recht bald fest, dass ihre ganz eigenen Methoden der Kindererziehung recht effektiv sind, wenn sie auch von der damaligen Gesellschaft wenig toleriert oder verstanden werden. Kinder waren zu jener Zeit zwar wichtig, aber die wohlbetuchten Eltern kümmerten sich recht wenig um sie. Meist sahen sie ihren Nachwuchs nur zum Essen oder sie wurden bei Gesellschaften herausgeputzt und den Gästen präsentiert. Die Kinder hatten meist eine engere Beziehung zu ihrem Kindermädchen als zu den eigenen Eltern. Die Autorin hat innerhalb ihrer Geschichte den Standesdünkel sehr schön herausgearbeitet, zumal sie auch sehr deutlich die doch recht verächtliche Sichtweise auf Angestellte oder Schauspieler hervorhob. Diese Menschen werden zwar gebraucht, gehören aber bitte nicht zum engeren Familien- oder Bekanntenkreis. Sie waren ihrer nicht würdig. Neben den gesellschaftlichen Unterschieden platziert die Autorin auch noch einige geschickte Wendungen und lässt ihren Roman zum Ende hin sogar fast wie einen Krimi wirken.
Die Charaktere wurden von der Autorin sehr liebevoll ausgestaltet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Sie wirken lebendig und authentisch. Millie hat schon einige Schicksalsschläge verkraften müssen, aber sich ihren Frohsinn und ihre Offenheit bewahrt und sich nie unterkriegen lassen. Sie liebt ihre Arbeit mit den Kindern, denen sie einiges beibringen und gleichzeitig auch von ihnen lernen kann. Millie gibt den geschundenen kleinen Seelen die benötigte Liebe und Wärme, die ihnen in ihrem familiären Alltag fehlt. Auch ihre Eigenheit, Fremdwörter nachzuschlagen, um sie dann später selbst einmal verwenden zu können, zeugt von Lerneifer und dem Wunsch nach Bildung. Everett ist nicht nur ein reicher Mann, sondern leider auch ein Snob. Er selbst wurde so erzogen, die gesellschaftlichen Ansinnen zu vertreten und sich den Wünschen seiner Eltern zu beugen. Doch je länger er Millie mit den Kindern beobachtet und auch einen aufmerksameren Blick auf sein Umfeld wirft, umso mehr gewinnt er die Erkenntnis, dass das, was er bisher kannte, doch nicht so richtig sein kann. War Everett vorher eher steif wie ein Stock und blasiert, so zeigt er im Verlauf der Handlung immer mehr Herz und Humor, was ihm richtig gut tut. Sowohl Protagonisten wie Lucetta, Dorothy oder Abigail lassen innerhalb der Geschichte einiges an Mitgefühl und Freundschaft einfließen, während Caroline wie eine Giftschlange nur Unheil und Bösartigkeit vermittelt. Die drei Kinder Rosetta, Elizabeth und Thaddeus sind wie kleine Hurricanes, um die sich alles dreht.
Der christliche Aspekt wird durch kleine Ansprachen und Gebete an Gott hervorgehoben, die richtige Richtung zu weisen oder Kraft zu verleihen. Aber auch die mitmenschliche Seite sowie Hoffnung wird hier angesprochen.
„Ein Kindermädchen zum Verlieben“ ist ein romantischer, humorvoller und auch spannender historischer Roman, der dem Leser eine Achterbahn an Gefühlen präsentiert und mit dem man sich einfach nur wohlfühlt. Absolute Leseempfehlung!