Mehr davon! Sehr gute und eindrucksvolle Low-Fantasy-Dilogie
Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er ...
Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er die Frau, die seine Welt auf den Kopf stellte, oder sein Volk?
Mit „Der König der Verdammten“ endet die politische Fantasy-Dilogie über „Fairiegolden Town“ – es wird spannend, emotional und aufregend.
Diese Story spielt in einer Zeit, nachdem ein Krieg Fairies und Menschen unwiderruflich entzweite und zahlreiche Länder zerstörte. Liverpool scheint sich als Einziges von der Tragödie erholt zu haben, für ein Miteinander zu stehen. Verantwortlich hierfür ist vornehmlich die Skyson-Gang – unter Führung von Cormorant Samuel Everett. Darüber ist der Lord Mayor, zumindest auf dem Papier die mächtigste Instanz Liverpools, nicht erfreut und sieht sich jetzt endlich in der Position, diesen Umstand zu ändern …
Haben wir in „Prinzessin der Diebe“ die Hauptakteure, die aufrührerische, stetig mehr kippende Situation des eigentlich Einheit symbolisierenden Orts kennengelernt, verfolgt, wie sich die Wege der unterschiedlichen Parteien kreuzen und sich die Gefahr über das Wasser nähert; Einblicke in den existenziell bedrohlichen Plan des Lords und in die von Ideologien geprägten „Purebreads“ bekommen, geht die Geschichte nun nahtlos weiter. Aufgrund der Zeit, die seit dem Vorgänger vergangen ist, der komplexen Gegebenheiten und der Vielzahl von Perspektiven brauchte ich etwas, um mich erneut in der explosiven Welt einzufinden, aber davon abgesehen hatte ich eine aufregende, eindrucksvolle Lesezeit.
Jennifer Benkau schuf mit ihren eindringlichen Worten, mit lebendigen Szenarien, gewaltvollen Machtdemonstrationen, flotten Dialogen und der brodelnden Stimmung, mit deftigen Konflikten, Rebellion und klugen Diskussionen eine dichte, oft beklemmende Atmosphäre, in der hier und da Hoffnungssprenkel und Witz, Magie und sogar ein Hauch Romantik zu finden sind. Dabei wird auf Schwarz und Weiß, auf klassische HeldInnen, auf Rosapuder verzichtet, sondern auf raue, von Erfahrungen, Erwartungen und (inneren) Narben gezeichnete Charaktere gesetzt, die in moralischen Grauzonen, in dunklen Ecken, agieren. Und das macht Sabria O'Toole, Sebestien, Eliah und Co. nahbar. Verletzlich. Echt.
Rory, die sich zu Beginn ihrer Reise noch nicht über das Ausmaß ihrer Rolle und ihrer »Fracht« bewusst war, rückt nun präsenter ins Geschehen; wird gezwungen, sich mit relevanten und nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen, ihr eigenes Vorhaben zu hinterfragen und schwerwiegende Entscheidungen zu treffen.
Eine ebenso große Entwicklung zeigt die Prinzessin der Diebe. Bria wächst über sich hinaus, stellt sich ihrem eigenen Gefühlschaos, ihrer Herkunft und ihren, von einer Gesellschaft, die von Ungerechtigkeiten und Vorurteilen, von Angst und Hass auseinandergerissen wurde, beeinflussten Intentionen. Als Bria auf der Suche nach Antworten auf eine ungeahnte Macht in ihrem Inneren und den damit verbundenen Einfluss stößt, findet sie auch Mut – solchen, der den Verlauf prägt, Samenkorn ist für jene Veränderungen, die Fairies und Menschen brauchen.
Auch Samuel, weiterhin in einer gewichtigen Position und unerschütterlich in seinen Zielen, nicht bereit, Liverpools pluralistische Stellung aufzugeben, wenn gleich der Cormorant schon so viel für seine Stadt gegeben, so viel gesehen und verloren hat, lernen wir noch intensiver kennen. Sein augenscheinlich kaltes und hartes – gleichzeitig reflektiertes und bedachtes – Verhalten, seine Reaktionen, waren nachvollziehbar ausgearbeitet, sodass es einfach war, Verständnis und Mitgefühl zu empfinden.
Nicht zu vergessen sind Aiven, Kayleigh und all die anderen, die nicht nur den Trupp um Everett vervollständigen, sondern relevant sind, Hilfe bringen, Vernunft. Freundschaft und Zusammenhalt symbolisieren, Gleichheit.
Aufgrund der missständigen Situation, in die wir geworfen werden, und der vielschichtigen Figuren und zwielichtigen Parteien fließt ganzheitlich eine subtile (An)Spannung mit, eine nervöse, Vorsicht heischende Note, die selbst in ruhigen Abschnitten dazu verführt, achtsam und aufmerksam zu bleiben. Gleichzeitig fasziniert die Autorin mit mystischen Wesen, berührt mit Tragik und erinnert uns daran, wie leicht sich Fairiegolden Town in unsere Realität projizieren lassen kann. Wie schnell sich Hetze ausbreiten, wie einfach Angst geschürt werden, ein Ganzes zerspringen kann. Mit der hier geschilderten, bewussten und systematischen Spaltung eines Reiches, den Anfeindungen und der Ausgrenzung, den endlosen Ungerechtigkeiten wird Gänsehaut erzeugt, Melancholie, etwas Düsteres.
Da zwischenmenschliche Dramen, Gefühlswirrwarr und unnötige Ausschweifungen nicht dominieren, sondern sich auf charakterliche sowie für die Stadt relevante Entwicklungen konzentriert wurde, bleiben weder Lücken offen noch Raum für Langeweile.
Jennifers Low-Fantasy-Dilogie enthält interessante Hintergründe, unerwartete Geschehnisse, alles aus dem Gleichgewicht bringende Enthüllungen und rührende Augenblicke. Zusätzlich gibt's Action, Tempo, Spaß und personifizierte Stärke. Für das Ende war ich eigentlich noch nicht bereit, aber hier fügen sich alle Fäden zusammen, Geheimnisse werden gelüftet und Fragen beantwortet.
Es war gewissermaßen erfrischend, dieser komplexen, tiefgründigen und aktuellen Geschichte, die sich doch – gemessen an Anspruch und Themen – deutlich von den Trends abhebt, zu folgen. Unbedingt mehr davon!