Ein Thriller, der sich selbst im Weg steht
Zitat:
„Nein, Daten sind das neue Gold. Ihre und meine. Daten sind die harte Währung des Internets. Daten SIND das Internet.“
So hat es mir gefallen:
Wer mich kennt, weiß, dass mein Herz für Polit- ...
Zitat:
„Nein, Daten sind das neue Gold. Ihre und meine. Daten sind die harte Währung des Internets. Daten SIND das Internet.“
So hat es mir gefallen:
Wer mich kennt, weiß, dass mein Herz für Polit- und Tech-Thriller schlägt, und in Genesis steckt sogar beides. Die Ausgangslage des Buches ist hochaktuell und spannend. Schönberger greift Themen auf, die uns täglich umgeben: die Manipulation durch Tech-Giganten, Datenklau und Cybersicherheit. Mit diesem Plot dürfte doch alles für einen Knaller angerichtet sein, oder?
Der erste große Schwachpunkt offenbart sich bereits bei den Figuren. Schönberger füllt seine Geschichte mit einer schieren Anzahl an Figuren, die aber kaum Tiefe entwickeln. Zu viele Namen, zu viele Perspektiven. Obwohl erkennbar ist, dass einzelne Figuren näher beleuchtet werden, bleibt der Versuch meist oberflächlich. Bis zum Ende des Buches war mir das Schicksal der Figuren völlig egal. Thriller leben von der Entwicklung und Tiefe der Figuren – dieser Schwachpunkt ist ein fataler Fehler.
Ein weiterer Schwachpunkt ist das Pacing. Genesis ist in drei Teile aufgeteilt. Der erste Abschnitt ist dynamisch und spannend und macht Lust auf mehr. Doch schon der zweite Teil bremst das Tempo massiv aus. Hier widmet sich der Autor der Vertiefung seiner Figuren und der Hintergrundgeschichte, was für mich aber nur minimal gelang. Der Mittelteil fühlt sich oft langatmig und zäh an, und die Spannung, die der Einstieg aufgebaut hat, verpufft völlig. Mein Interesse ließ spürbar nach. Der dritte Teil bringt das große Finale. Hier zieht der Autor nochmal sämtliche Register, und die Handlung nimmt wieder an Fahrt auf. Doch der Spannungsabfall aus dem mittleren Teil wiegt schwer, und obwohl das Ende einiges rettet, bleibt ein fader Beigeschmack von dem, was hätte sein können. Als Thriller kann Genesis sein Versprechen nicht einlösen.
Genesis ist ein Buch, das viel will – vielleicht auch einfach zu viel. Schönberger scheitert daran, die vielen Handlungsstränge und Figuren zu einer kohärenten und fesselnden Geschichte zu verknüpfen. Der Plot hat enormes Potenzial, aber der Autor verliert sich in der Fülle seiner Ambitionen. Weniger Figuren und ein strafferer Plot hätten dem Thriller gutgetan. Und wer weiß, vielleicht wäre es der Kracher des Jahres geworden. Für die akribische Recherche und auch den gelungenen Schreibstil ziehe ich meinen Hut, doch das allein reicht natürlich nicht aus, um das Buch auf eine höhere Wertung zu heben. Genesis ist lesenswert für Fans des Genres, die sich vor allem rund um die Thematik Cybersicherheit und Datenmissbrauch interessieren, müssen aber an einigen Stellen mit Abstrichen rechnen. Ein solides Buch, das an seinen großen Visionen und Ambitionen stolpert.
6/10