Für alle gern lesenden Dr. House-Fans und Medizinstudenten auf der Suche nach leichter und wissensvermittelnder Lektüre: Lesen!
Eine Gast-Rezension von meiner Schwester
In Marburg lehrt der sogenannte deutsche Dr. House Medizin. Er heißt Prof. Dr. Jürgen Schäfer und ist so großer bekennender Dr. House-Fan, dass er im Jahr 2008 ...
Eine Gast-Rezension von meiner Schwester
In Marburg lehrt der sogenannte deutsche Dr. House Medizin. Er heißt Prof. Dr. Jürgen Schäfer und ist so großer bekennender Dr. House-Fan, dass er im Jahr 2008 angefangen hat, Seminare zu dieser Serie anzubieten. Sie haben auf freiwilliger Basis viele Studierende der Universität Marburg angezogen (und tun es immer noch regelmäßig am Dienstagabend). Ziel ist es, anhand der Patientengeschichten von Dr. House und der Differenzialdiagnosen am White Board selbst besser zu lernen, Krankheiten zu identifizieren.
Den Reiz machte dabei aus, dass man so das Angenehme (Unterhaltsame) mit dem Nützlichen (Wissen) verbinden kann – und es sich so (besser?) merkt. Dass Prof. Dr. Schäfer menschlich die Figur des zynischen, unempathischen Dr. House als nicht erstrebenswert betont und oft auf die ethischen Probleme seiner Art und teilweise der Behandlungen hinweist, ist ihm sehr wichtig.
Nun gibt es mit dem Buch Housemedizin – Die Diagnosen von Dr. House die Möglichkeit nachzulesen, ob die Serienepisode gerade absoluten Quatsch enthält (Diagnosesicherung durch Stiche mit Nadel ins Auge, Vergiftungssymptome einer bestimmten Substanz, intramuskuläre statt intravenöse Adrenalininjektion). Sehr oft sind die Fallbeispiele in den einzelnen Folgen lehrbuchreif recherchiert. Das Prinzip dieses Buches folgt demselben Ziel wie das Seminar von Prof. Dr. Schäfer in Marburg. Dabei bleibt es laienverständlich formuliert und spricht damit auch nicht-medizinisch vorgebildete Serienfans an, die sich fragen, was an diesen Geschichten wahr ist.
Die TV-Serien-Vorlage Dr. House
Da ist in der Serie zum Beispiel die Porphyrie, eine Blutkörperchensynthesestörung, das Chamäleon Lupus, der Morbus Wilson (eine Kupferspeicherkrankheit), diverse Vergiftungen (Blei, Drogen) und, in der Notaufnahme immer wieder unterhaltsam eingeblendet, die für Dr. House langweiligen „Alltagsdiagnosen“ von Erkältungen bis zu seinen verhassten STDs (sexuell übertragbare Krankheiten) thematisiert.
In seine Fälle aufgenommen werden Menschen, die lange von Arzt zu Arzt laufen, ohne eine Erklärung für ihre Krankheit zu bekommen. Oft sind es sogenannte Multisystemekrankheiten, das heißt, sie greifen mehr als ein Organ an. Aus der richtigen Kombination von Symptomen und Testergebnissen kommt Dr. House mit seinem Team – oft erst nach mehreren falschen Versuchen – letztendlich auf die richtige Diagnose.
Das besondere an dieser Serie ist, dass er den Betrachter mit auf die Suche nimmt, ähnlich wie in einem Krimi. Viele andere Krankenhausserien (Grey’s Anatomy, Die Schwarzwaldklinik, etc.) stellen die Medizin als Kulisse dar, um die interpersonellen Beziehungen zu betonen. Medizin ist dort nur am Rande relevant. Bei Dr. House ist es mindestens ausgeglichen.
Anhand von Staffel 1, Episode 6 (Schizophren?) illustriere ich kurz das Konzept der Serie:
Eine Filmsequenz wird eingeblendet, die in wenigen Minuten zeigt, wie der Patient zu Dr. House kommt. In dieser Folge ist es eine Mutter Mitte 30, die von ihrem minderjährigen Sohn betreut wird, weil sie schizophren sei, das heißt: Dinge sieht, die es nicht gibt (halluziniert), z.B. einen sprechenden Frosch auf dem Schreibtisch im Rahmen eines offensichtlich wichtigen Termins „auf dem Amt“.
Auf Dr. Houses Diagnosetafel stehen am Ende:
Psychose wegen Halluzinationen (Schizophrenie?)
Magen-Darm-Blutung
tiefe Venenthrombose mit Lungenembolie (Gefäßverschluss)
Leberzirrhose (Leber versagt durch Umbauprozesse. Eine der häufigsten Ursachen: Alkoholkonsum über Jahre)
Nach der Fehldiagnose „Alkoholiker“ kommen Dr. House Zweifel an der Vordiagnose Schizophrenie, die sich in der Regel deutlich vor dem 36. Lebensjahr im jungen Erwachsenenalter manifestiert. Aus der Kombination Psychose und Leberzirrhose finden sie die richtige Diagnose, Morbus Wilson. Jetzt stellt sich die Frage:
Was davon stimmt medizinisch?
Hier verrät das Buch von J. Schäfer: Die Venenthrombose ist Quatsch. Blutungen stimmen aufgrund der Leberzirrhose, außer Psychosen sind auch andere neurologische Störungen wie ein bestimmtes Zittern (flapping tremor) möglich. Besonders auffällig lässt sich am Auge manchmal der sogenannte Kayser-Fleischer-Ring um die Iris finden. Ursache ist eine Kupferkanalmutation, durch die sich Kupfer in Zentralem Nervensystem, Leber und Auge ansammelt. Morbus Wilson wird autosomal rezessiv vererbt und kommt mit einer Frequenz von 1:30.000 in der Bevölkerung vor.
Prof. Dr. Schäfer hat mit seinem Seminar so viele Journalisten angezogen, dass er weit bekannt wurde und viele Patienten ihm ihre Leidensgeschichten schrieben, mit der Bitte, von ihm diagnostiziert zu werden. Mittlerweise gibt es deshalb in Marburg ein Zentrum für unerkannte und seltener Erkrankungen. In seinen Büchern betont er immer die Wichtigkeit von Teamarbeit. Von daher ist es nicht ganz richtig, von „seinem Zentrum“ zu sprechen. Nichtsdestotrotz ist er damit zum sogenannten deutschen Dr. House geworden.
Durch sein humorvolles und wissensvermittelndes Buch Housemedizin – Die Diagnosen des Dr. House auf ihn aufmerksam geworden, habe ich auch sein 2. Buch Der Krankheitsermittler gelesen. Darin beschreibt er eine Auswahl seiner Fälle in bekannter „House-Manier“, d. h. er schreibt aus wechselnden Perspektiven über das, was seinen Patienten passiert, analysiert danach medizinisch, was falsch läuft in deren Körpern, und beschreibt, wie sie am Ende in ihrem Team auf die Diagnose gekommen sind. Es ist also gewissermaßen eine Ergänzung zur Dr. House-Serie – nur eben mit echten Patienten.
Ich selbst habe die Serie sehr gerne geschaut. Gerade die Kombination aus genialem Diagnostiker und menschlichem Antipath macht Dr. House zu etwas Besonderem unter all den anderen Arztserien. Es wäre wahrscheinlich eine Doku-artige Nachmittagssendung, wenn er so nett wäre wie sein Gegenpart, der immer verständnisvolle, freundliche Onkologe Dr. Wilson.
Fazit
Ich kann mir dank dieser Bücher und der Filme die seltenen Krankheitsbilder, die sogenannten Kolibris, besser merken, die der normale Arzt vielleicht einmal oder zumindest sehr selten in seinem Medizinerleben sehen wird. Mein Medizinlehrbuch verrät mir zusätzlich die Laborparameter und Therapie. Dank des Films bzw. Buches habe ich ein Bild im Kopf, merke mir das Krankheitsbild plastisch und kann es am echten Patienten leichter wiederkennen.
Für alle gern lesenden Dr. House-Fans und Medizinstudenten auf der Suche nach leichter und wissensvermittelnder Lektüre: Lesen!