Das Geheimnis der Gräfin
Wie schon die Vorgängerromane „Tochter des Nordens“ und „Kinder des Feuers“ ist auch dieses Werk in der Normandie des Frühmittelalters angesiedelt.
Die Geschichte beginnt im Fecamp des Jahres 996: Während ...
Wie schon die Vorgängerromane „Tochter des Nordens“ und „Kinder des Feuers“ ist auch dieses Werk in der Normandie des Frühmittelalters angesiedelt.
Die Geschichte beginnt im Fecamp des Jahres 996: Während der Graf der Normandie im Sterben liegt, belauscht die 10jährige Agnes ein Gespräch zweier Mönche, aus dem hervorgeht, dass die beiden ein Geheimnis aufzudecken planen, welches die Zukunft der Normandie bedrohen kann. Wird es dem Mädchen gelingen, den Zusammenbruch der ihr bekannten Welt zu verhindern?
Die Haupthandlung des Buches – in die immer wieder ein paar Szenen aus Fecamp eingeschoben werden – setzt dann aber bereits über 30 Jahre früher ein: 962 landen Gunnora und ihre Familie von Dänemark kommend an einem Strand der Normandie. Doch ihre Hoffungen auf ein besseres Leben werden jäh zerstört als eine Horde Krieger über die Neuankömmlinge herfällt. Gunnoras Eltern und fast alle anderen werden grausam niedergemetzelt, nur ihr selbst und ihren drei jüngeren Schwestern gelingt die Flucht. Sie schwört Rache für den Tod der Eltern und ist entschlossen, die Erinnerung an ihre nordische Heimat auch in dem von ihr als feindlich empfundenen, fremden Land weiter aufrecht zu erhalten – insbesondere diejenige an die Kraft der Runen, welche ihre Mutter sie gelehrt hatte.
Doch auch der Mann, der für den Überfall auf die dänischen Siedler verantwortlich war, nimmt sich vor, die unliebsame Zeugin seines Tuns aufzuspüren.
Am Hof in Rouen hat Alruna inzwischen ganz andere Probleme. Schon lange ist sie in Graf Richard verliebt, doch das dieser ihre Liebe nicht erwidert, droht ihr Herz zu vergiften.
Das Buch spielt in einer interessanten historischen Epoche. Es beschreibt die spannungsgeladene Situation in einem Land, das zu einem Schmelztiegel verschiedener Völker wird und in dem fränkisch-christliche sowie nordisch-heidnische Einflussfaktoren miteinander ringen. Es thematisiert die schwierige Lage von Graf Richard, dem, obwohl er sich zum Christentum bekennt, als Nachfahre der gefürchteten Nordmänner seine Nachbarn mit Misstrauen und Verachtung begegnen, sich andererseits aber Aufständen dänischer Einwanderer gegenüber sieht, die ihm vorwerfen, seine Herkunft zu verleugnen. Aber auch die Situation der einfachen nordisch-stämmigen Menschen wird dargestellt, die sich oftmals der Christianisierung gänzlich verweigern oder trotz Taufe weiterhin den alten heidnischen Bräuchen anhängen.
Man kann hier also – insbesondere durch Gunnora – vieles über die alte nordische Kultur und Götterwelt, vor allem aber über die Runen und ihre magische Macht, erfahren.
Der Erzählstil ist mitreißend, durch den Wechsel zwischen den verschiedenen Handlungssträngen entsteht eine fesselnde Dynamik und obwohl einiges vorhersehbar ist und manche Zusammenhänge leicht erahnbar sind, wird doch bis zum Schluss eine gewisse Spannung aufrecht erhalten.
Ich hatte allerdings oftmals Schwierigkeiten, mit den Protagonistinnen richtig warm zu werden. Gunnora war mir vor allem zu Beginn zu kühl und stur und in ihrem Verhalten häufig widersprüchlich. Im Laufe der Zeit konnte man aber doch gut ihre innere Zerrissenheit spüren, zwischen dem Willen, ihrer Kultur treu zu blieben, dem Hass auf die Christen, denen sie die Schuld am Tod ihrer Eltern gibt, den sich dennoch entwickelnden Sympathien und der Notwendigkeit (auch zum Wohle ihrer Schwestern) trotz allem ihren Platz in dem fremden Land zu finden.
Bei Alruna ist es mir dagegen schwer gefallen, irgendwelche positiven Eigenschaften auszumachen. Sie ist zu ich-bezogen und zu gleichgültig gegenüber den Gefühlen anderer. Aber sicherlich haben auch solche Figuren ihre Berechtigung.
Fazit: Obwohl mir diese Werk nicht ganz so gut gefallen hat wie frührer Romane der Autorin, kann ich es insgesamt doch weiterempfehlen, vor allem an Leser, die sich für die alte nordische Kultur und/ oder die Geschichte der Normandie interessieren.