Unsympathische Protagonistin
Ich habe schon zahlreiche Bücher von Julia Kröhn gelesen, muss aber sagen, dass dieses das bisher schlechteste war. Natürlich muss dabei bedacht werden, dass es sich um eines der ersten Werke der Autorin ...
Ich habe schon zahlreiche Bücher von Julia Kröhn gelesen, muss aber sagen, dass dieses das bisher schlechteste war. Natürlich muss dabei bedacht werden, dass es sich um eines der ersten Werke der Autorin handelt. Sie konnte sich später offenbar deutlich steigern.
Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: Der Hauptteil setzt im Jahr 1184 ein und erzählt von Ragnhild von Eistersheim, die schon als Kind den Spitznamen Sophia (die Weise) erhält, weil sie die (von vielen als Teufelswerk angesehene) Fähigkeit besitzt, sich alles, was sie einmal gelesen hat, für immer zu merken. Ihr von vielen Konflikten geprägter Lebensweg lässt sie bis ins Umfeld des französischen Königshofs gelangen und endet schließlich im Damenstift von Corbeil.
Ihr gewaltsamer Tod und die sich daran anschließenden Ereignisse sind dann der Inhalt des im Jahr 1245 angesiedelten zweiten Handlungsstrangs. Dieser wird in jeweils nur ein paar Seiten langen Episoden erzählt, die sich an das Ende jedes Kapitels anschließen.
Der historische Hintergrund wäre sicher interessant: Persönlichkeiten wie König Philipp II von Frankreich, seine später als Heilige verehrte Ehefrau Isambour (Ingeborg) oder seine Schwiegertochter Blanka von Kastilien treten auf und es werden unter anderem Auseinandersetzungen rund um „häretische“ Lehrmeinungen an der Pariser Universität thematisiert. Bei der Ausgestaltung der Charaktere der realen Personen hat sich die Autorin viele Freiheiten genommen, was angesichts der unvollständigen historischen Überlieferungen aber wohl akzeptabel ist.
Dennoch bin ich nie richtig in die Geschichte hineingekommen und konnte insbesondere keine Beziehung zu ihrer Protagonistin aufbauen. Sophia mag zwar eine einigermaßen intelligente Person sein, vor allem aber ist sie egozentrisch und arrogant. Sie hält sich für etwas Besseres, kann es nicht lassen, ständig darauf hinzuweisen, dass sie durch ihre besondere Merkfähigkeit allen anderen überlegen ist. Auch neigt sie dazu, absolut jeden für ihre eigenen Zwecke einzuspannen, zu manipulieren und wieder fallen zu lassen, wenn derjenige nicht mehr nützlich ist. Natürlich muss und soll eine glaubwürdige Protagonistin nicht nur positive Eigenschaften haben. Sophia war mir aber so unsympathisch, dass ich kein Interesse für ihr Schicksal aufbringen konnte. Außerdem ist ihre „Gabe“ sehr unrealistisch, tritt im Laufe der Zeit aber ohnehin zusehends in den Hintergrund.
Dazu kommt noch, dass die Sprache, in der erzählt wird, übertrieben auf altmodisch getrimmt ist, was die Lektüre stellenweise anstrengend macht. Einen unpassenden Kontrast dazu bildet die häufig zu moderne Denkweise der Protagonistin.
Wenigstens sorgen Cliffhanger am Ende der meisten Kapitel für ein bisschen Spannung, ebenso wie die Verbindung zum zweiten Handlungsstrang: Hier sind gleich mehrere Morde aufzuklären und im Zuge der „Ermittlungen“ kommen mehr und mehr Details aus Sophias Vergangenheit zutage. Die Erklärung, wer diese Morde warum begangen hat, wirkt dann aber unglaubwürdig, um nicht zu sagen, an den Haaren herbeigezogen.
Insgesamt daher wie gesagt keine Leseempfehlung.